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Politik

Angeblicher Babtschenko-Mord war Spezialoperation

30. Mai 2018

Der russische Journalist Arkadi Babtschenko ist als Mordopfer weltweit betrauert worden. Doch plötzlich ersteht er wieder auf - als zentrale Figur in einer ukrainischen Geheimoperation.

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Arkadi Babtschenko (M.) bei der Pressekonferenz mit dem ukrainischen Geheimdienstchef Wassili Grizak (l.) und Jurij Luzenko, dem Generalstaatsanwalt des Landes (Foto: Reuters/V. Ogirenko)
Arkadi Babtschenko (M.) bei der Pressekonferenz mit dem ukrainischen Geheimdienstchef Wassili Grizak (l.) und Jurij Luzenko, dem Generalstaatsanwalt des Landes Bild: Reuters/V. Ogirenko

Der angebliche Mord an dem regierungskritischen russischen Journalisten Arkadi Babtschenko in Kiew ist nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes SBU eine Spezialoperation gewesen. Babtschenko erschien lebendig und unverletzt bei einer Pressekonferenz des SBU in der ukrainischen Hauptstadt.

Der angebliche Mord sei eine über Monate vorbereitete Aktion gewesen, um Anschlagspläne des russischen Geheimdienstes zu enttarnen, sagte SBU-Chef Wassili Grizak. "Wir haben einen Mordanschlag auf Babtschenko mit einem Spezialeinsatz verhindert." Der mutmaßliche Organisator des geplanten russischen Anschlags auf Babtschenko sei festgenommen worden und werde verhört.

Entschuldigung bei seiner Frau "für die ganze Hölle"

Zuvor hatten die ukrainischen Behörden mitgeteilt, Babtschenko sei am Dienstag in Kiew erschossen worden. Die ukrainische Regierung hatte Moskau für den politischen Mord verantwortlich gemacht, was Russland zurückgewiesen hatte. Der Täter habe von den Hintermännern 30.000 US-Dollar in Aussicht gestellt bekommen, für einen Mittelsmann habe es 10.000 Dollar gegeben, teilte Geheimdienstchef Grizak weiter mit.

So sah es am Dienstag vor dem Haus in Kiew aus, im dem Babtschenko wohnt und wo er angeblich erschossen wurde (Foto: picture-alliance/dpa/Stringer/Sputnik)
So sah es am Dienstag vor dem Haus in Kiew aus, im dem Babtschenko wohnt und wo er angeblich erschossen wurdeBild: picture-alliance/dpa/Stringer/Sputnik

Babtschenko selbst sagte, er sei vor etwa einem Monat eingeweiht worden. "In diesem Monat habe ich gesehen, wie die Jungs arbeiten, wie eifrig sie sind. Den ganzen Monat über waren wir im Kontakt, haben wir nachgedacht, gearbeitet, gehandelt. Und das Ergebnis war dieser Spezialeinsatz." Der 41-Jährige entschuldigte sich bei seiner Frau "für die ganze Hölle, die sie durchmachen musste". Der vermeintliche Tod des prominenten Kreml-Kritikers hatte weltweit Trauer und Empörung ausgelöst. 

Erleichterung, Hohn und Ärger

"Ich bedauere, dass Babtschenko an dieser Provokation der ukrainischen Geheimdienste teilgenommen hat", sagte der russische Senator und Außenpolitiker Konstantin Kossatschow in einer ersten Reaktion. 

Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte der Nachrichtenagentur Interfax zufolge, "dass Babtschenko lebt, sind gute Nachrichten." Weiter sagte sie: "Ich wünsche mir, dass so etwas immer so endet. Schade, dass in anderen Fällen eine solche Maskerade nicht klappt." Es sei offensichtlich, dass dies eine Propagandaaktion der Ukraine gewesen sei. Mit Blick auf die vergangenen Journalistenmorde sagte der Duma-Abgeordnete Leonid Sluzki der Liberal-Demokratischen Partei Russlands, es sei jetzt umso wichtiger, dass die ukrainische Polizei ihre Ermittlungen zu den noch nicht abgeschlossenen Journalistenmorden im Land weiterhin intensiv verfolgten. 

Der frühere Oligarch und heute einer der prominentesten Kremlkritiker, Michail Chodorkowski, freut sich, dass Babtschenko am Leben ist. Aber auch er findet kritische Worte: "Schade, dass die Geheimdienste nicht an die Folgen für die Reputation denken. Von der Reputation hängen auch ganze Leben ab."

Gefährlicher Präzedenzfall

Für den Chef der Internationalen Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen", Christophe Deloire, ist die Operation der ukrainischen Spezialkräfte ein neuer Schritt im Informationskrieg und ein gefährlicher Präzedenzfall. Er äußert seine "tiefste Empörung". "Es ist immer sehr gefährlich für eine Regierung, mit den Fakten zu spielen, vor allem wenn sie Journalisten für ihre falschen Geschichten nutzt."

Babtschenko hatte in den 1990er und frühen 2000er Jahren in den Tschetschenien-Kriegen gekämpft, ehe er sich als Kriegsreporter öffentliches Ansehen erwarb. In Moskau arbeitete er für die oppositionelle Zeitung "Nowaja Gaseta" und den liberalen Radiosender Moskauer Echo. Babtschenko ist ein Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. In seinen Artikeln hatte er die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland, den verdeckten russischen Krieg in der Ostukraine wie auch die Syrien-Politik Moskaus kritisiert. Der scharfzüngige Kreml-Kritiker war selbst innerhalb der russischen Opposition nicht unumstritten. Manche hielten ihm vor, mit seiner aggressiven Rhetorik übers Ziel hinauszuschießen

Im Februar 2017 verließ Babtschenko Russland, nachdem er nach eigenen Angaben Todesdrohungen erhalten hatte. Er lebte zunächst in Tschechien, später in Israel und schließlich in Kiew. Zuletzt betätigte sich Babtschenko von Kiew aus für den krimtatarischen ukrainischen Sender ATR und betrieb einen sehr aktiven Internet-Blog.

sti/uh (afp, rtr, dpa)