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Bernbeck: "Nach geduldigem Abwarten jetzt schnell handeln"

Hans Spross21. Juli 2015

Deutschland geht nach dem Wiener Atomabkommen von einer Vervierfachung seines Exports in den Iran binnen vier Jahren aus. Wirtschaftsvertreter Daniel Bernbeck in Teheran erläutert im DW-Gespräch die Chancen.

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Iran Sigmar Gabriel trifft Bidschan Namdar Sanganeh (Foto: Getty Images/AFP)
Bild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Deutsche Welle: Die Unterschriften unter dem Atomabkommen mit dem Iran sind kaum getrocknet, da ist der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Gabriel mit einer Wirtschaftsdelegation in Teheran. Ist dieses Vorpreschen nicht etwas sehr hastig?

Bernbeck: Es ist kein Vorpreschen, was jetzt gerade passiert. Die deutschen Unternehmen haben sich ganz strikt an die abgestimmten Regeln der EU-Außenpolitik gehalten, nämlich keinesfalls auszuscheren aus der Verhandlungslinie. Während in Wien oder Lausanne oder anderswo verhandelt wurde, hat sich keine deutsche Wirtschafts- oder gar Regierungsdelegation im Iran aufgehalten, es gab höchstens Besuche der Industrie- und Handelskammer. Da waren andere Länder durchaus aktiver und haben die Verhandlungen deutlicher "progressiver" interpretiert, so möchte ich es mal ausdrücken.

Die Deutschen waren demgegenüber sehr zurückhaltend und haben den Primat der Politik beachtet, bisweilen über die strikte Verpflichtung hinaus. Und aus diesem Grund ist es vollkommen richtig, dass man dann, wenn der Vorhang sozusagen gefallen und die Vereinbarung unterzeichnet ist, nicht noch länger wartet, sondern tatsächlich schnell kommt und nicht den anderen das Feld überlässt.

Im Übrigen ist auf jeder Veranstaltung hier der Konsens, auf der deutschen und auch auf der iranischen Seite, dass es jetzt bei dieser Visite noch keine Geschäftsabschlüsse gibt. Es ist eine Sondierungsreise, in gewisser Weise eine symbolische Reise, um zu zeigen, dass der Erfolg der Verhandlungen nicht nur auf dem Paper stattgefunden hat, sondern sich auch in konkreten persönlichen Besuchen ausdrückt.

Daniel Bernbeck Geschäftsführer der AHK Teheran
Bernbeck: "Iran muss Beziehungen zu Lieferländern pflegen"Bild: AHK

Deutsche Welle: Welche Branchen werden am meisten von der Aufhebung der Sanktionen profitieren?

Die alten Strukturen der deutsch-iranischen Beziehungen werden wiederbelebt: Also vor allem Maschinen- und Anlagenbau, Teilelieferungen für die Automobilindustrie, in gewissem Umfang Rohstoffe für Chemie und Pharmazie sowie Medizintechnik, aber auch alle möglichen anderen Lieferungen, für die Druckindustrie und andere Branchen. Aber der Maschinen- und Anlagenbau steht im Zentrum, und der Bereich ist auch am stärksten getroffen worden von dem Rückgang und wird auch am meisten profitieren von einer Öffnung.

Was muss konkret geschehen, damit die Wirtschaftsbeziehungen wieder in Schwung kommen?

Bernbeck: Dazu muss man sagen, dass der größte Teil des deutschen Exportpotentials gar nicht direkt unter die Sanktionen fiel. Sondern er war durch außerjustitiable, unternehmerische und politische Entscheidungen eingeschränkt. Das waren beispielsweise die Banken, denen theoretisch nur ein geringer Teil, nämlich Zahlungen in den Iran, verwehrt war. Sie haben aber teilweise zu 100 Prozent Iran-Transfers, oder Zahlungen mit Iran-Bezug, abgelehnt. Das ging dann gar nicht darum, ob die konkreten Export-Güter verboten waren, sondern aus Angst vor Strafmaßnahmen der USA haben sie jegliche Zahlungen mit Iran-Bezug abgelehnt, unabhängig davon, ob humanitäre Geschäfte zugrunde liegen, ob es Privatgelder waren, oder ob tatsächlich kritische Güter involviert waren.

Das Hauptproblem, dass es zu lösen gilt, ist also die Herstellung von normalen Bankbeziehungen und Geldtransfermöglichkeiten, im zweiten Schritt Finanzierungen über Akkreditive, und im dritten Schritt auch Hermes-Bürgschaften. Am Ende dieser Kette stünden dann Konsortialbanken, die sich zu Großprojekten zusammentun, um Projekte über ein, zwei oder drei Milliarden gemeinsam zu stemmen. Das wird aber sicher noch ein zwei Jahre Zeit brauchen, bis sich das etabliert.

Was kann und muss der Iran tun, um die Früchte der wirtschaftlichen Öffnung zum Westen ernten zu können?

Die Volkswirtschaft des Iran hängt zum großen Teil an den Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas und petrochemischen Produkten, nicht zuletzt, um sich mit Devisen zu versorgen. Für den Iran sind die sinkenden Ölpreise natürlich ein Dilemma, wenn er jetzt wieder auf den internationalen Marlt zurückkommt. Der Iran müsste also doppelt soviel Erdöl wie zu den Zeiten verkaufen, als der Preis bei 100 US-Dollar oder mehr lag, um auf seine alten Einnahmen zu kommen.

Aber aus diesem Dilemma kann sich der Iran jetzt nicht anders befreien als durch die Ankurbelung von Ölexporten, von Exploration, von Modernisierung und Neubau von Raffinerien. Gleichzeitig will der Iran weg von der einseitigen Abhängigkeit vom Rohstoffexport und stärker auf Verarbeitung von Rohstoffen und den Verkauf dieser Produkte setzen. Aber auch das muss natürlich bezahlt werden. Die Investitionen in die Petrochemie kostet viele Dollars oder Euros, wenn man die Ausrüstung im Westen einkaufen will, und in China bekommt man die Qualität nicht, die die Iraner wollen. Also das Problem lässt sich letztlich nur durch mutiges Voranschreiten und natürlich auch durch die Pflege der Beziehungen zu Lieferländern wie Deutschland lösen.

Was passiert jetzt konkret nach der mehr "symbolischen" Reise der deutschen Delegation?

Im Iran geht man davon aus, dass man hinter den jetzt erzielten Erfolg nicht mehr zurückfallen wird und dass es auch kein "snap back" der Sanktionen geben wird, so dass die Basis für Zukunftsinvestitionen da ist. Insofern wird man in der zweiten Jahreshälfte ein deutliches Anziehen der Exportzahlen aus Deutschland sehen. Handel geht ja schnell. Das bedeutet einkaufen gehen, Orders tätigen, Vorverträge in Endverträge umwandeln, und dann muss man nur eine Überweisung über Drittländer oder irgendeine Bank im Ausland tätigen, oder man muss notfalls mit einem Geldkoffer die Zahlungen leisten und dann wird geliefert.

Die Spediteure können sich im Moment - und das gilt für die nächsten zwei Jahre - über eine schlechte Auftragslage im Iran nicht beklagen. Die haben alle Hände voll zu tun, die ganzen Ladungen nach Teheran zu transportieren.

Daniel Bernbeck ist Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer in Teheran.