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Glaube

Ende der längsten Fastenzeit

26. März 2021

Nicht mehr lange bis Ostern! Bald geht die Fastenzeit zu Ende - eigentlich. Aber: Wer hat unter Corona-Beschränkungen überhaupt gefastet? Vielleicht lässt sich ja das Corona-Jahr als Fastenzeit XL umdeuten

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Joseph Beuys
Bild: picture-alliance/dpa

Viele Christinnen und Christen halten sich daran: Von Aschermittwoch bis Ostern wird gefastet. Irgendetwas wird weggelassen. Eine lieb gewordene Angewohnheit - oder ein kleines Luxus-Lebensmittel. Gerne Schokolade - oder Alkohol, die beide ja schon selbst eher „lieb gewordene Angewohnheit“ sind als Lebensmittel. Oder man hält es mit der Fastenaktion der evangelischen Kirche, 7 Wochen ohne - im Jahr 2021 unter dem Motto „Spielraum! Sieben Wochen ohne Blockaden.“

Klar - es geht beim Fasten nicht um eine Diät, nicht primär darum, sich etwas zu beweisen (obwohl - so ein bisschen schon auch, wenn man ehrlich zu sich selbst ist). Fasten hat zuerst eine spirituelle Dimension, zu sich selbst kommen, sich von Zwängen frei machen.

In dieser Fastensaison haben einige auf das Fasten verzichtet. Aus einem doch naheliegenden Grund: Seit dem Herbst herrscht ein mehr oder weniger strenger, verordneter Verzicht, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu hemmen. Sogar Weihnachten ist vielerorts ausgefallen, jedenfalls in der gewohnten Form: Kein „O Du fröhliche“ unterm Tannenbaum, kein Weihnachtsoratorium-Konzert. Keine Silvesterparty. Seit dem Herbst sitzen viele im Home-Office, im Winter immer mehr werdend, rund ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung ist nicht mehr ins Büro gependelt. Viele von uns haben monatelang ihre über Deutschland verstreuten Freundinnen und Freunde nicht getroffen, keine Besuchsfahrten - nur WhatsApp-Messages. Runde Geburtstage sind mit einem Glas Sekt vor einer Videokonferenz (statt mit einer Party) begangen worden - ein komplettes Jahr lang. Die allermeisten haben eingesehen: Ohne Abstand, ohne das Reduzieren von Kontakten geht es nicht. Das hat über lange, lange Zeit viel Verzicht gefordert. Von allen.

Und dann noch zusätzlich fasten? Was denn noch?

Verzicht ist unsexy geworden in diesem Jahr - deswegen passt auch das diesjährige Fasten-Motto „ohne Blockaden“ richtig gut: Nicht den Blick auf die verschlossene Tür richten, sondern auf den eigenen Spielraum. Ein vielversprechender Blickwechsel. Letztlich beschreibt aber auch diese Fastenaktion den Weg ins Digitale, den Königsweg der Pandemie. Viele einzelne, die vor Bildschirmen darüber reden, wie sie Blockaden ausräumen und sich ihre Freiräume schaffen? Für viele klingt nach einem Jahr Bildschirmzeit eher ein ausgeprägtes Digitalfasten verlockend - statt zusätzlicher Online-Austausche: am besten die Elektronik runterfahren und ohne Handy ins Theater oder in ein Lokal.

In den vergangenen Jahren gab es viele verschiedene Fasten-Aktionen - aber nie gab es die Ansage, man solle doch mal auf Gesellschaft verzichten. Weniger Leute treffen. Einfach mal Abstand halten. Wir Menschen, das ist im letzten Jahr sehr spürbar und erlebbar geworden, sind auf gute Gesellschaft angewiesen. Ohne andere können und wollen wir nicht sein. Die Fastenaktionen selbst streben über die spirituelle Dimension hinaus ja auch ein Gemeinschaftserlebnis an:

Eine Diät mache ich für mich allein, Fasten passiert hingegen in einem klar definierten Zeitraum gleichzeitig mit vielen, die dasselbe tun. Und die sich darüber austauschen. Und zu Ostern häufig froh sind, wenn es auch wieder aufhört. Das Ende des Verzichts markiert, was an Ostern gefeiert wird: den Sieg des Lebens über den Tod.

Wer einmal zwischen Aschermittwoch und Ostern gefastet hat, weiß, wie großartig sich der Ostertag anfühlt, wenn man das normale Leben wieder aufnimmt. Das erste Stück Schokolade nach langem. Der erste Schluck Wein nach sieben Wochen.

Bald kommt auch das andere, das Corona-Ostern. Der genaue Tag lässt sich noch nicht benennen – und ganz verschwinden wird das Virus nie. Aber es wird diesen Tag geben, an dem der Verzicht vorbei sein wird:  Da wird ein Sieg des Lebens über eine Krankheit gefeiert werden, die vielen Menschen den Tod gebracht hat. Und den lange durchgehaltenen Lockdown können wir vielleicht rückblickend wie eine Fastenzeit sehen. Und sie nutzen, um Gewohnheiten der Zeit vor Corona im Hirn „umzuparken“.

Wollen wir das Leben wieder genauso zurück haben, wie es 2019 ausgesehen hat? War es nicht mal ganz schön, die eigene Gegend, das eigene Land notgedrungen näher kennenzulernen? Nach der überlangen Fastenzeit können wir die Frage doch privat und beruflich neu beantworten - und das auch in den Kirchen tun: Vielleicht mögen einige mehr Freiräume in ihrem Kalender. Bei Sonnenschein einen langen Spaziergang. Das ein oder andere Mal darf es doch wieder die Videokonferenz sein - statt der Dienstreise. Aber: Ja! Wir wollen wieder Menschen treffen und gemeinsam essen, trinken, reden, wir wollen wieder Chorgesang und Live-Musik.

Wenn diese XL-Fastenzeit vorbei ist, dann wird das noch viel schöner sein, als die erste Schokolade oder der erste Wein nach 7 Wochen ohne. Jede Wette!