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Im Namen von "Mazedonien": Alter Streit, neu entfacht

Jannis Papadimitriou
15. Mai 2024

Bei ihrem Amtseid verwendete die neugewählte Präsidentin Nordmazedoniens, Gordana Siljanovska-Davkova, die historische Bezeichnung "Mazedonien" - und hat damit einen alten Streit auf dem Balkan neu geschürt.

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Die neue nordmazedonische Präsidentin Gordana Siljanovska Davkova steht am Pult des Parlaments in Skopje, während sie ihren Amtseid ablegt. Auf dem Pult steht ein Glas Wasser
Die neue Präsidentin Nordmazedoniens, Gordana Siljanovska-Davkova, leistet im Parlament in Skopje ihren AmtseidBild: Petr Stojanovski/DW

Streit um den Namen "Mazedonien"? Den gab es doch schon mal. In den 1990er Jahren war der Konflikt ausgebrochen, als der kleine Balkanstaat nach dem Zerfall Jugoslawiens unabhängig wurde - mit dem Namen "Republik Mazedonien". Im benachbarten Griechenland sorgte dies für eine Welle der Entrüstung. Es ging um nationale Gefühle, vielleicht auch um viel mehr: Aus dem Namen "Mazedonien" würden sich Gebietsansprüche der slawischen Nachbarn auf die Provinz Makedonien im Norden Griechenlands ergeben - so die Argumentation der griechischen Seite.

Infografikk Karte Nordmazedonien und die Region Makedonien DE

Es kam zu langwierigen Verhandlungen unter UN-Vermittlung. Im Gespräch waren Namenskonstruktionen wie "Republik Neues Mazedonien" oder "Ober-Mazedonien". Vor sechs Jahren konnten sich der damalige linke Ministerpräsident Alexis Tsipras in Athen und sein sozialdemokratischer Amtskollege Zoran Zaev in Skopje endlich auf einen Kompromiss einigen: "Nord-Mazedonien" heißt der nördliche Nachbar Griechenlands nach dem sogenannten Prespa-Abkommen seither.

Unterzeichnet wurde der Vertrag am Prespa-See, im Dreiländereck Albanien-Nordmazedonien-Griechenland. Wenig später konnte der umbenannte Balkanstaat der NATO beitreten. Die Mitgliedschaft in der EU lässt noch auf sich warten.  

Der damalige griechische Regierungschef Alexis Tsipras (links) und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev schütteln sich am Prespa-See die Hände. Hinter den beiden sind die griechische und die mazedonische Fahnen zu sehen. Im Hitergrund ein Steg, der in den Prespa-See ragt, auf dem Männer in Anzügen und gelben Warnjacken stehen.
Der damalige griechische Regierungschef Tsipras (l.) und sein mazedonischer Kollege Zaev im Juni 2018 am Prespa-SeeBild: Maja Zlatevska/AFP/Getty Images

"Ein Zeichen von Opportunismus"

Bei ihrem Amtseid am Samstag (11.05.2024) ließ die neue Präsidentin Nordmazedoniens, Gordana Siljanovska-Davkova, die Silbe "Nord-" einfach weg. "Ich erkläre, dass ich das Amt der Präsidentin Mazedoniens gewissenhaft und verantwortungsbewusst ausüben, die Verfassung und die Gesetze achten und die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit Mazedoniens schützen werde", sagte die Politikerin der nationalistischen Partei VMRO-DPMNE wörtlich. Daraufhin verließ die griechische Botschafterin aus Protest den Parlamentssaal.

In Athen spricht der konservative Regierungschef Kyriakos Mitsotakis von einem "rechtswidrigen und inakzeptablen Vorgang", der einen "Verstoß gegen das Prespa-Abkommen darstellt". Er drohte damit, die Aufnahme Nordmazedoniens in die EU zu blockieren. Das Land ist seit 2005 Beitrittskandidat.

Der Spitzenkandidat der Partei VMRO-DPMNE Hristijan Mickoski steht im weißen Hemd auf einer Bühne und hat die Hände zum Dank zusammengelegt
Der Spitzenkandidat der national-konservativen VMRO-DPMNE, Hristijan Mickoski, feiert den Wahlsieg seiner Partei am 08.05.2024Bild: Petr Stojanovski/DW

Nicht nur die Griechen befürchten, dass in Nordmazedonien auch der designierte Ministerpräsident und Chef der VMRO-DPMNE-Partei, Hristijan Mickoski, am Prespa-Abkommen rütteln will. Denn sowohl er als auch die neue Staatspräsidentin hatten im Wahlkampf immer wieder angekündigt, die historische Bezeichnung "Mazedonien" verwenden zu wollen. Auch in Brüssel ist man besorgt und fürchtet neue Spannungen in der Region. 

Jorgos Tzogopoulos, Dozent für Internationale Beziehungen an der Universität Thrakien und Mitarbeiter des Athener Think Tank ELIAMEP, ist nicht so besorgt. Er sagt der DW, der Auftritt der neuen Staatspräsidentin sei eindeutig ein Zeichen von Opportunismus. "Politiker wollen die Wähler umschmeicheln und setzen leider oft auf die Karte des Nationalismus", gibt der Analyst zu bedenken. Dass Nordmazedonien den Konflikt eskalieren lässt, glaubt er nicht. Unwahrscheinlich sei auch, dass die griechische Seite den jüngsten Vorfall zum Anlass nehme, um ihrerseits das Prespa-Abkommen zu kündigen. Denn: "Diese Vereinbarung bildet den Kern der bilateralen Beziehungen, daran ist nicht zu rütteln", so der Politikwissenschaftler.  

Neuer Streit in Athen

Die Ereignisse in Nordmazedonien sorgen nicht zuletzt für innergriechischen Streit. Der linke Oppositionsführer Stefanos Kasselakis (Syriza) nimmt zur Kenntnis, dass der konservative Premier Mitsotakis den nördlichen Nachbarn zur Einhaltung des Prespa-Abkommens ermahnt, obwohl er selbst im Jahr 2018 als Oppositionsführer genau dieses Abkommen kritisierte und im Parlament dagegen stimmte. Mit einem Hauch Ironie kommentiert Kasselakis nun auf X (ehemals Twitter): "Anscheinend war das Prespa-Abkommen doch kein Verrat…"

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis schüttelt die Hand von Oppositionsführer Stefanos Kasselakis. Neben Mitsotakis ist eine EU-Fahne zu sehen
Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis (l.) und Oppositionsführer Stefanos KasselakisBild: Giorgos Kontarinis/Eurokinissi/ANE/picture alliance

Mitsotakis versucht, das Argument der Linksopposition umzudrehen und behauptet, gerade der jüngste Vorfall im Nachbarland habe gezeigt, wie berechtigt seine Kritik damals war. Dass er den Ton gegenüber Skopje verschärfen wird, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Nach Informationen der Zeitung Kathimerini will Mitsotakis zunächst abwarten und beobachten, welchen Kurs die künftige Regierung in Nordmazedonien einschlägt.     

Besonders eilig mit der vollen Umsetzung des Prespa-Abkommens hat es seine Regierung allerdings auch nicht. Drei Anhänge zum Abkommen, die in erster Linie Änderungen bei Denkmälern und in Lehrbüchern betreffen, wurden im griechischen Parlament immer noch nicht ratifiziert. Politikwissenschaftler Tzogopoulos glaubt, dass diese Verzögerung mit den politischen Zwängen in Athen zu tun hat. "Die regierenden Konservativen können das Prespa-Abkommen nicht mehr rückgängig machen. Aber sie können gegenüber ihren Wählern immerhin behaupten, dass sie nicht mit vollem Einsatz an deren Umsetzung arbeiten", erklärt der Analyst.