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Kritik am Zuschnitt der russischen Wahlkreise

Nikita Batalow / mo18. August 2016

Mit der Neuordnung der Wahlkreise soll den Kandidaten bei den bevorstehenden Parlamentswahlen Chancengleichheit garantiert werden. Das behaupten Vertreter der russischen Staatsduma. Kritiker vermuten ganz andere Gründe.

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Russland Wahlen 2015 (Foto: DMITRY SEREBRYAKOV/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/D. Serebryakov

Zum ersten Mal seit 13 Jahren werden die Wahlen zur russischen Staatsduma am 18. September wieder nach einem gemischten System abgehalten. Es ist eine Kombination aus Listenplatz und Direktmandat. Ferner ließen die Staatsduma und die Zentrale Wahlkommission die Wahlkreise des Landes neu zuschneiden.

Die Besonderheit der Neuordnung ist, dass urbane Gegenden aufgeteilt und mit ländlichen zusammengelegt wurden. Fast alle 225 Wahlkreise haben einen solchen Zuschnitt erhalten. Die einzigen Ausnahmen sind Moskau und ein Teil von Sankt Petersburg. In den beiden Metropolen beschränken sich 20 Wahlkreise ausschließlich auf die Städte.

Wahlkampf ist schwieriger und teurer

Beispielsweise besteht jetzt die sibirische Region Altai aus vier Wahlkreisen. Dort leben fast 2,4 Millionen Menschen, mehr als ein Viertel von ihnen in Barnaul, dem Verwaltungszentrum der Region. Die Stadt wurde in vier Wahlkreise geteilt, in die die ländlichen Gebiete der Region integriert wurden.

In einem der Wahlkreise kandidiert Wladimir Ryschkow. Er ist Oppositioneller und war Mitglied der "Partei der Volksfreiheit" (PARNAS), einem Sammelbecken oppositioneller Bewegungen. Viermal saß er schon als Abgeordneter von Barnaul in der Staatsduma. Im Gespräch mit der Deutschen Welle beklagte er, der jetzige Zuschnitt der Wahlkreise erschwere den Wahlkampf. "Faktisch müssen wir zwei Kampagnen führen - eine für den ländlichen Wähler, der seine eigene Agenda hat, und eine für die Bewohner von Barnaul, die ganz andere Probleme haben", sagte er. Ein solcher Wahlkampf sei viel teurer, auch weil die Entfernungen zwischen den Wohnorten der Wähler sehr groß seien. "Zu meinem Wahlkreis gehören jetzt Gegenden, für die ich bis zu 400 Kilometer zurücklegen muss. Bei unserer letzten Reise sind wir an zwei Tagen 1200 Kilometer gefahren", so Ryschkow.

Russische Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow (Foto: Alexander Shcherbak/TASS)
Wladimir Ryschkow will wieder als Abgeordneter in die russische Staatsduma einziehenBild: Imago/A. Shcherbak

Er wies auch darauf hin, dass es in großen Städten einfacher sei, Freiwillige und Beobachter für die Wahllokale zu finden. In Dörfern sei dies viel schwieriger. "Dort kommt es häufiger zu Wahlfälschung als in Städten", sagte er.

Kreml-treue Kandidaten im Vorteil

Auch der russische Politologe Abbas Galljamow ist überzeugt, dass der neue Zuschnitt der Wahlkreise den Kandidaten größere Anstrengungen und mehr Geld abverlangt. In der Regel hätten aber die russischen Oppositionellen deutlich geringere finanzielle Ressourcen als die Kreml-treuen Kandidaten.

Ferner gab der Experte zu bedenken, dass in den Städten die Proteststimmung stärker sei. "Auf dem Land gegen die Regierung zu stimmen, kommt einer Mini-Revolution gleich. Die lokalen Behörden kennen und kontrollieren ihre Wähler gut", sagte Galljamow. Deswegen sei die Wahlbeteiligung auf dem Land viel höher als in der Stadt. "Wenn man zu den Wählern in den Städten die gleiche Anzahl ländlicher Wähler addiert, im Verhältnis 50 zu 50 Prozent, und wenn die Wahlbeteiligung 25 Prozent in der Stadt und 75 Prozent auf dem Land beträgt, dann gewinnt der Kandidat der Regierung", erläuterte der Experte.

Eine weitere Besonderheit ist, dass die im Ausland lebenden Russen in unterschiedlichen Anteilen den Wahlkreisen zugeordnet werden. Nach Angaben des russischen Außenamtes sind das insgesamt 1,8 Millionen Wähler. Zwar seien viele von ihnen eher Anhänger der Opposition, doch könnten die Wahlen in den Konsulaten oft gar nicht überwacht werden. "Wer von den Oppositionellen kann schon Beobachter dorthin entsenden?" sagte Galljamow.

Geringe Chancen für Oppositionelle

Neu zugeschnitten wurden die Wahlkreise noch unter dem ehemaligen Leiter der Zentralen Wahlkommission, Wladimir Tschurow. Ende 2015 hatte die Wahlkommission die Neuordnung damit begründet, für Gleichberechtigung zwischen den Wählern auf dem Land und in der Stadt sorgen zu wollen. Der Ausschuss für Staatsrecht der russischen Duma erklärte, die Neuordnung sei nicht politisch motiviert. Vielmehr garantiere sie den Kandidaten gleiche Startchancen und fördere den Wettbewerb.

Karte Russland (Grafik: DW)
Bild: DW

Doch Arkadij Ljubarjow vom russischen "Komitee für Bürgerinitiativen", einem oppositionellen Zusammenschluss von Experten, ist überzeugt, dass die Staatsmacht die Wahlkreise ganz bewusst neu zugeschnitten hat. "So verringern sich die Chancen für praktisch alle oppositionellen Kandidaten", unterstrich er.

Maja Grischina von der Zentralen Wahlkommission erklärte im Gespräch mit der DW, dass sich "weder Wladimir Ryschkow, noch ein anderer Kandidat" bei der Wahlkommission wegen Nachteilen aufgrund des bestehenden Zuschnitts der Wahlkreise beschwert habe.