1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Pekings Rolle im Nordkorea-Konflikt

Esther Felden
9. August 2017

Immer wenn die Situation auf der Koreanischen Halbinsel angespannt ist, wird schnell der Ruf nach China laut. Der große Nachbar soll Druck ausüben. Doch China hat eigene Vorstellungen.

https://p.dw.com/p/2hwAN
Flagge Fahne Nordkorea
Bild: AFP/Getty Images

Gewohnte Töne aus Peking: Die Situation um die Krise mit Nordkorea sei "kompliziert und angespannt", hieß es in einem Statement des chinesischen Außenministeriums nach den gegenseitigen rhetorischen Drohgebärden aus Washington und Pjöngjang. China appelliere an alle Parteien, Ruhe zu bewahren. Beide Seiten - die USA und Nordkorea -  sollten jede Aussage oder Aktion vermeiden, die dazu beitragen könnten, die Situation außer Kontrolle geraten zu lassen. Stattdessen sollten sie ihre Anstrengungen für eine diplomatische Lösung verstärken.

Besorgt beobachtet China die sich beinahe täglich weiter zuspitzende Situation im Nachbarland. Es ist kein Geheimnis, dass Peking eine militärische Eskalation oder gar einen Regime-Kollaps im Reich Kim Jong Uns um jeden Preis verhindern möchte. Denn in diesem Fall droht China zum einen ein gewaltiger Flüchtlingsstrom aus dem verarmten Land. Und zum anderen fiele der Norden dann auch als Pufferzone weg, die mit Südkorea verbündeten USA stünden direkt vor der eigenen Haustür.

Start einer nordkoreanischen Interkontintalrakete im Juli 2017
Zweimal testete Nordkorea im Juli Interkontinentalraketen, zum ersten Mal erfolgreichBild: picture-alliance/dpa/KCNA via KNS

Aus diesem Grund ist China sehr darauf bedacht, die Kontrahenten an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Um dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, sollten die USA und Südkorea ihre gemeinsamen Militärmanöver einstellen und Pjöngjang seinerseits sein Atomprogramm aussetzen, meint Peking. Sowohl Washington als auch Pjöngjang lehnen diesen Vorschlag ab.

Sanktionsschraube greift nicht

Der Konflikt ist festgefahren. Achtmal hat der UN-Sicherheitsrat seit dem ersten nordkoreanischen Atomtest im Oktober 2006 Sanktionen gegen Nordkorea verhängt, verschärft und weiter ausgebaut. Bislang ohne nennenswerten Erfolg. Die Strafmaßnahmen haben Nordkorea jedenfalls nicht davon abhalten können, sein Atom- und Raketenprogramm weiter voranzutreiben. "Sanktionen von außen können die Weiterentwicklung des nordkoreanischen Atomprogramms zwar behindern und verzögern. Am Willen Pjöngjangs, an seinem Weg festzuhalten, ändert das aber gar nichts", heißt es dazu in einem Online-Kommentator auf der englischsprachigen Website der staatlichen chinesischen Zeitung Global Times

Tatsächlich wollten die USA China am liebsten die gesamte Verantwortung für eine Lösung des seit Jahren schwelenden Konflikts zuschieben, schreibt der Autor des Kommentars weiter. "Während China und Nordkorea einander gegenüberstünden, wären die USA und Südkorea nur Zuschauer. Indem die USA die ganze Verantwortung auf China abwälzen, können sie auch ihre eigene Unfähigkeit, mit dem nordkoreanischen Atomkonflikt umzugehen, kaschieren."

Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bei der Abstimmung über verschärfte Nordkorea-Sanktionen
Am 5. August verschärfte der UN-Sicherheitsrat zum letzten Mal die Sanktionen gegen Nordkorea - die Entscheidung fiel einstimmigBild: Picture-alliance/dpa/M. Altaffer/AP

Neues Selbstbewusstsein in Pjöngjang

Zhang Liangui ist Professor am Forschungsinstitut für Internationale Strategische Beziehungen der Zentralen Parteihochschule der KP in Peking und verfolgt den Konflikt um Nordkorea seit Langem. Die jüngste Meldung in den nordkoreanischen Medien, Nordkorea würde einen Angriff auf die US-Pazifikinsel Guam "ernsthaft in Erwägung" ziehen, kommt für ihn nicht überraschend. "Die Rhetorik ist dieselbe wie immer", so Zhang gegenüber der DW. Allerdings habe sich die Selbstwahrnehmung Nordkoreas entscheidend verändert. "Die Führung in Pjöngjang glaubt nach fünf Atomtests und nach den zwei Interkontinentalraketentests im Juli, dass sie über die nötigen Waffenfähigkeiten verfügen, um die Sicherheit der USA direkt gefährden zu können. Sie sind vielleicht der Auffassung, dass Washington ratlos ist und dass sie mit den USA auf Augenhöhe in eine Konfrontation gehen könnten."

Start einer Rakete beim gemeinsamen Übungsmanöver der USA und Südkoreas
Traditionell führen die USA und Südkorea jedes Jahr gemeinsame Militärübungen durch - Nordkorea sieht das als Provokation anBild: Reuters/8th United States Army

Ein Trugschlug, meint Zhang. Nordkorea überschätze sich deutlich. "Und das wiederum ist sehr gefährlich. Die immer härter werdende Rhetorik macht eine schnelle Lösung der Krise notwendig. Nordkorea hat die von den USA vorgegebene Rote Linie bereits überschritten." Durch die Ankündigung, möglicherweise Guam anzugreifen, bedrohe man direkt die Sicherheit der USA. Das Risiko einer Eskalation ist dadurch deutlich gewachsen, meint er. "Es ist durchaus möglich, dass Washington die Geduld für eine friedliche Lösung ausgeht."

Dunkle Zukunftsprognose  mit vielen Fragezeichen

Und dann? Zhang Liangui zeichnet ein düsteres Bild von dem, was kommen könnte. "Sollten sich die USA tatsächlich zu einem Erstschlag gegen Nordkorea entschließen, müssten sie sicherstellen, dass das Land umgehend seine Fähigkeit verliere, Atombomben abzuschießen. Als direkter Nachbar wird China auf keinen Fall zulassen, dass die USA oder Nordkorea vor der eigenen Haustür mit den Atomwaffen schießen." Für Chinas Staatsführung habe die Sicherheit höchste Priorität. Außerdem herrsche in Peking die Angst, dass es im Fall eines militärischen Konflikts zu einer großflächigen nuklearen Kontaminierung der Region kommen könnte.

Kim Jong Un umgeben von Militärs
Sobald Kim Jong Un den Befehl gebe, sei Nordkorea zum Angriff auf Guam bereit, vermeldeten die Staatsmedien des LandesBild: Picture alliance/AP Images/K. C. News Agency

Allen Beteiligten müsse aber klar sein, dass das Atomprogramm für Nordkorea nicht verhandelbar sei. Von dieser Idealvorstellung müssten sich die USA und andere verabschieden. "In der Tat hat Nordkorea diese Tür längst zugemacht. Die Chance auf ergebnisorientierte Verhandlungen in diesem Punkt sind gleich null."

Chinas Rolle als Vermittler

Insgesamt lösen sich seit Jahrzehnten auf der Koreanischen Halbinsel Phasen der Entspannung und Zeiten höchster Anspannung in steter Regelmäßigkeit ab. Und immer wieder wird dann auch der Ruf nach dem großen Nachbarn und Verbündeten China laut. China ist Nordkoreas mit Abstand wichtigster Handelspartner und hat in der Vergangenheit oft schützend die Hand über den Nachbarn gehalten und unter anderem wiederholt UN-Sanktionen blockiert. Keinem anderem Land wird so viel Einfluss auf Nordkorea zugesprochen wie China.

Wen Jiabao und Kim Jong-il bei einem Treffen in Pjöngjang im Jahr 2009
Bilder wie dieses vom Treffen des ehemaligen chinesischen Präsidenten Wen Jiabao mit dem mittlerweile verstorbenen Kim Jong Il gibt es schon lange nicht mehr - seit sechs Jahren haben sich die Spitzen beider Länder nicht mehr persönlich getroffenBild: picture-alliance/dpa

Peking spielt die eigene Rolle traditionell herunter. Auch im Kommentar der Global Times heißt es zu diesem Thema: "Seit der UN-Sicherheitsrat im Jahr 2006 damit begonnen hat, Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen, hat China den höchsten diplomatischen und wirtschaftlichen Preis gezahlt. Die bilateralen Beziehungen haben sich seit diesem Zeitpunkt abgekühlt. Das letzte Spitzentreffen zwischen den Staatschefs beider Länder liegt mittlerweile sechs Jahre zurück." In anderen Worten soll das heißen: Der Spielraum Chinas ist begrenzt.

Auch Zhang Liangui von der Parteihochschule der KP antwortet betont vorsichtig auf Fragen nach der Rolle Chinas als Vermittler im schwelenden Konflikt. Ob Peking hinter verschlossenen Türen Gespräche im kleinen Kreis mit nordkoreanischen Vertretern führe? Das könne er nicht beantworten, sagt Zhang. Er glaubt aber nicht daran, dass es so ist. Und was China konkret tun könne, um die Situation zu entschärfen - dazu will er sich nicht äußern. "Das überlassen wir mal den Entscheidungsträgern."

Yue Fu hat zu diesem Artikel maßgeblich beigetragen.