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SPD sagt Ja zu CETA

Richard A. Fuchs, Berlin (mit Agenturen) 19. September 2016

Bislang haderte die SPD-Basis mit dem Freihandel. TTIP & CETA waren Reizworte. Jetzt gab ein Sonderparteitag grünes Licht für CETA - allerdings mit Nachverhandlungen. Ein wichtiger Etappensieg für Parteichef Gabriel.

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Das Ja zu CETA stärkt seine Rolle als möglicher Kanzlerkandidat der SPD: Sigmar Gabriel
Das Ja zu CETA stärkt seine Rolle als möglicher Kanzlerkandidat der SPD: Sigmar GabrielBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Lange musste SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zittern, ob seine Partei den Weg frei machen würde für das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA. Jetzt steht fest: Zwei Drittel aller Delegierten des SPD-Parteikonvents in Wolfsburg sprachen sich für das EU-Abkommen mit Kanada aus. Mit dieser Rückendeckung will der Vizekanzler und Wirtschaftsminister dem umstrittenen Vertragswerk beim EU-Kanada-Gipfel am 27. und 28.Oktober zustimmen. "CETA ist ein Riesenschritt nach vorne", sagte Gabriel nach der Entscheidung am Montag sichtlich erleichtert. Es war ihm zuvor gelungen, durch Zugeständnisse die parteiinternen Kritiker vom linken Flügel seiner Partei zu überzeugen. "Mit CETA gibt es keine Absenkung von Standards", versprach Gabriel.

Vertragstext soll ergänzt werden

Allerdings verknüpfen die Sozialdemokraten ihr Ja zum EU-Vertrag mit Kanada mit der Forderung nach Klarstellungen. Nachdem die nationalen Parlamente der EU-Staaten über CETA beraten hätten, sollten Änderungswünsche als "rechtlich verbindliche Zusatzprotokolle" dem Vertrag beigefügt werden, erklärte Gabriel. Besonders in den Bereichen Investitionsschutz, öffentliche Daseinsvorsorge und der Einbindung der nationalen Parlamente gebe es Bedarf für Nachverhandlungen. Dabei sollten Arbeitnehmerrechte konkretisiert werden, ebenso wie Schutzklauseln für die Bereiche Gesundheit, Bildung und Soziales eingefügt werden.

340.000 Demonstranten sollen am vergangenen Wochenende Nein zu CETA gesagt haben. Hier der Protestzug in Berlin. Foto: © Reuters/F. Bensch
340.000 Demonstranten sollen am vergangenen Wochenende Nein zu CETA gesagt haben. Hier der Protestzug in Berlin.Bild: Reuters/F. Bensch

Die Bereitschaft zu solchen Nachverhandlungen hätte die kanadische Seite bereits signalisiert, so Gabriel. Auf dem Parteikonvent in Wolfsburg zugegen war auch die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland. Sie sicherte zu, sich am Grundsatz des fairen Handels zu orientieren. "Es eint uns", so Gabriel, "dass wir die soziale Marktwirtschaft international durchsetzen wollen", so Gabriel.

Hintergrund der Kontroverse um CETA ist unter anderem die Absicht der Europäischen Kommission, das Freihandelsabkommen nach Zustimmung durch den EU-Ministerrat vorläufig in Kraft zu setzen, auch bevor alle Parlamente der Mitgliedsstaaten zugestimmt haben. Kritiker befürchten, dass durch ein solches Vorgehen vollendete Tatsachen geschaffen würden. Im Leitantrag der SPD wurde deshalb festgehalten, dass der Freihandelsvertrag erst dann vollständig gültig sein soll, wenn alle Parlamente ein "Konsultationsverfahren" abgeschlossen hätten.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Parteikollege Sigmar Gabriel in Wolfsburg
EU- Parlamentspräsident Martin Schulz und Parteikollege Sigmar Gabriel in WolfsburgBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Das Freihandelsabkommen CETA soll den Handel zwischen EU-Staaten und Kanada erleichtern. Zölle und andere Handelshemmnisse sollen abgebaut werden. Die EU-Kommission sieht den jetzt vorliegenden Entwurf für das "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (auf Deutsch "Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen") als Erfolg. Über das Abkommen hatten Kanada und die EU über fünf Jahre verhandelt. Vom Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen erwartet sich die EU-Kommission eine Ausweitung des Austauschs von Waren und Dienstleistungen um 23 Prozent.

CETA - Schutz vor schlechten Abkommen?

Der SPD-Chef sieht CETA mit derlei Erweiterungen als eine Blaupause für moderne Handelsabkommen, die im Einklang mit den Rechten für Verbraucher, Arbeitnehmer und der Umwelt stehen. "Ich glaube, dass es ein echter Quantensprung ist gegenüber all den schlechten Abkommen, die wir in der Vergangenheit geschlossen haben", so Gabriel. Spontanes Lob erntete er dafür von der Wirtschaft. "Ich bin sehr froh, dass die SPD die Chancen, die CETA bietet, mit großer Mehrheit anerkennt", sagte der Geschäftsfrüher des Verbands der Chemischen Industrie, Utz Tillmann.

Ganz anders dagegen klang das von Seiten der Opposition. Grünen-Vorsitzende Simone Peter hält Gabriels Ansatz, mit Zusatzprotokollen verbindliche Standards zu verteidigen, für Augenwischerei. "Echte Verbesserungen gibt es nur, wenn CETA gestoppt und neu verhandelt wird", so Peter. "Mit der Zustimmung zu CETA opfert die SPD den europäischen Umwelt- und Verbraucherschutz den Karriereplänen ihres Vorsitzenden Sigmar Gabriel."

Deutschland SPD-Parteikonvent im CongressPark in Wolfsburg Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Die SPD beriet über CETA hinter verschlossenen Türen. Ein Affront für viele Kritiker.Bild: Reuters/F. Bimmer

Erst am vergangenen Wochenende gingen Zehntausende Menschen in Köln, Hamburg und Berlin auf die Straße, um gegen CETA und das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP Stimmung zu machen. Die Organisatoren von Campact sprachen von rund 320.000 Menschen, die mit Trillerpfeifen und Sambatrommeln gegen TTIP und CETA demonstrierten. Unter anderem vertreten: Umweltschützer, Gewerkschafter, Bauern und anderen Gruppen. Auch Kabarettisten und Satiriker meldeten sich zu Wort - unter anderem Jan Böhmermann.

Rückenwind für den (möglichen) Kanzlerkandidat

Nach der überstanden Abstimmung scheint Gabriels Position in der Partei - und in der Regierungskoalition mit der Union aber wieder gefestigt. Der Erfolg, vielleicht sogar eine wichtige Wegmarke auf dem Weg zur Kanzlerkanidatur seiner Partei. Hörbare Erleichterung daher auch bei der SPD-Parteispitze. "Ich glaube, dass Sigmar Gabriel seinen Führungsanspruch eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat", sagte etwa SPD-Parteikollege Martin Schulz.