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Unerfüllter Kinderwunsch – oft liegt's am Mann

Gudrun Heise
8. August 2023

Wenn es mit dem Nachwuchs nicht klappt, liegt das zu 40 Prozent am Mann. Neben medizinischen Gründen kann auch der Lebensstil zur Unfruchtbarkeit führen. Welche Faktoren dazu beitragen – und was sich dagegen tun lässt.

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Spermien (in blau) unter dem Mikroskop
Unfruchtbarkeit: Auch viele Lifestyle-Faktoren wie Rauchen oder Alkohol können zu verminderter Samenproduktion führenBild: Maksym Yemelyanov/Zoonar/picture alliance

"Wir haben es über lange Zeit versucht, aber es hat einfach nicht funktioniert." Das ist wohl ein Satz, den Fachärzte häufig hören. Aber an wem liegt es denn nun? In etwa 40 Prozent aller Fälle liegt es an der Frau, in 40 Prozent am Mann. Bei den restlichen 20 Prozent kann keine eindeutige Ursache ausgemacht werden. Meist aber wird der Grund für ungewollte Kinderlosigkeit erst einmal bei der Frau gesucht.

Schließlich brächten die Frauen die Kinder zur Welt und so gilt oft noch immer die althergebrachte Vorstellung, dass sie auch für den Rest die meiste Verantwortung tragen, sagt Sabine Klieschvon der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie am Universitätsklinikum Münster. "Der Mann steht auch heute meist in der zweiten Reihe. Manche sind auch peinlich berührt angesichts der Tatsache, dass das nicht so einfach klappt mit der Schwangerschaft, und bis der Mann mal zum Urologen geht, muss eine ganze Menge passieren." Frauen seien anders sozialisiert.

Ist der Schwangerschaftstest auch nach 12 Monaten nicht positiv, gilt das laut WHO als Unfruchtbarkeit. Weltweit trifft das etwa 10 bis 15 Prozent aller Paare, die sich ein Kind wünschen. Regionale Unterschiede gibt es nicht. Ungewollte Kinderlosigkeit ist ein globales Problem und muss global gelöst werden, fordert die WHO: "Die schiere Zahl der Betroffenen zeigt, dass der Zugang zu Fertilitätsbehandlungen ausgeweitet werden muss und dass dieses Thema in der Gesundheitsforschung nicht länger verdrängt werden darf."

Viele menschliche Spermien unter dem Rasterelektronenmikroskop. Darstellung in verschiedenen Farben.
In einem Ejakulat sollten um die 60 Millionen Spermien enthalten sein Bild: Ardea/imago images

Was kann zur Unfruchtbarkeit führen?

Bei der Frau sind vor allem hormonelle Störungen, das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS)Endometriose, oder auch Störungen im Eileitersystem die Gründe für Kinderlosigkeit.

Ist ein Mann unfruchtbar, liegt das meist an der mangelnden Qualität seines Spermas oder an einer zu geringen Menge. Ein ausführliches Spermiogramm kann Klarheit verschaffen. Dazu wird eine Spermaprobe analysiert.

Die gibt dann Aufschluss über Zahl, Form und Beweglichkeit der Spermien. "Wenn wir Ursachen finden, dann haben sie häufig etwas mit einem Hodenhochstand zu tun, der in der Kindheit nicht früh genug behandelt worden ist", erklärt Kliesch.

Beim Hodenhochstand verbleiben die Hoden im Bauchraum oder im Leistenkanal und wandern nicht in den Hodensack. Das lässt sich jedoch behandeln. Nur: "Wenn die Hoden zu spät korrigiert werden, haben sie einen dauerhaften Schaden. Sie haben dann keine oder zu wenig Spermien im Ejakulat, und der Mann ist auf natürlichem Wege nicht zeugungsfähig." Um die 60 Millionen Spermien sollten im Ejakulat sein, so der Richtwert.

Welche Therapien und Maßnahmen gibt es?

Liegt die Kinderlosigkeit eindeutig beim Mann, sollte der erste Schritt der Gang zu einer andrologischen oder urologischen Fachpraxis sein. Weisen die Untersuchungen darauf hin, dass eine eingeschränkte Samenqualität vorliegt, gibt es die Möglichkeit der In-vitro-Fertilisation. Bei diesem Verfahren wird das Sperma zuvor aufwendig aufbereitet. Dann werden die agilsten Spermien genommen, die dann die Eizellen befruchten, die der Frau entnommen wurden.

Wird festgestellt, dass das Ejakulat keinerlei Spermien enthält, kann eine sogenannte testikuläre Spermienextraktion (TESE)durchgeführt werden. Dabei werden befruchtungsfähige Spermien direkt aus dem Hoden bzw. dem Nebenhoden für eine künstliche Befruchtung entnommen.

Was kann Mann tun?

Um die Spermienqualität zu erhöhen, kann ein Mann durchaus selbst etwas tun. "Wir sehen immer mehr junge Männer, die übergewichtig sind, und die dadurch eine Störung ihres Hormonhaushaltes haben. Diesen Faktor kann der Mann selber beeinflussen", so Kliensch. "Ein anderer Punkt ist das Rauchen. Rauchen reduziert die Befruchtungsfähigkeit der Spermien um die Hälfte."

Auch wenn es nicht besonders leichtfallen mag, mit dem Rauchen aufzuhören, unmöglich ist es nicht. Gesunder Lebensstil, ausgewogene Ernährung, moderater Alkoholkonsum können ebenfalls zur Verbesserung der Spermienqualität beitragen. Umweltgifte, etwa Pestizide und Schwermetalle, sollten möglichst vermieden werden, genauso wie Stress. 

Wenn Kunststoffe wie Hormone wirken

Liebe auf dem Prüfstand

Je mehr Zeit vergeht, ohne dass die Frau schwanger wird, umso größer wird die psychische Belastung. "Es ist schon eine gravierende Erschütterung, wenn das Natürlichste auf der Welt nicht zwanglos funktioniert. Um einen herum sind die Paare glücklich und bei einem selber funktioniert es nicht", sagt Kliesch.

Wenn Männer erfahren, dass die Kinderlosigkeit an ihnen liegt, beginnen sie häufig, an sich zu zweifeln, haben das Gefühl, versagt zu haben. Hinzu kommt dann vielleicht Enttäuschung, vielleicht auch Wut, Wut auf den eigenen Körper, weil er nicht so funktioniert wie er soll.

Und je mehr der Wunsch nach einem Kind in den Mittelpunkt rückt und das Leben eines Paares bestimmt, umso schwieriger ist oft der Umgang der beiden miteinander. Kliesch empfiehlt den Paaren dann, sich psychologische Unterstützung zu holen. Die hilft dann vielleicht auch dabei, Kinderlosigkeit nicht als persönliches Versagen zu sehen, darüber zu reden und sie nicht als unabwendbar abzutun.