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Das radioaktive Abfalllager der Nation

Karin Jäger17. Juni 2012

Die Bundesregierung hat zwar die Abkehr von der Kernenergie beschlossen, aber die Frage nach einem Endlager für den entstandenen Atommüll ist noch nicht geklärt. In Gorleben wird die hochradioaktive Fracht geparkt.

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Ein hoher Stahlzaun, Bäume als Sichtschutz, ein weiterer Zaun, Videokameras und Scheinwerfer, Einsatzfahrzeuge, die auf dem Gelände patrouillieren, und am Eingang ein Schild: Betreten verboten. Eigentümer dieses Areals, zwei Kilometer südlich von Gorleben, ist die Gesellschaft für Nuklear-Service. Die GNS entsorgt in der Idylle aus Kiefernwäldern und Heidelandschaft radioaktive Abfälle und lagert bis auf weiteres bestrahlte Brennelemente aus Kernkraftwerken.
Die Eingangskontrollen ähneln denen am Flughafen. Ein gültiger Personalausweis muss vorgelegt werden, die Daten werden mit denen abgeglichen, die der Besucher schriftlich 14 Tage zuvor einreichen musste. Telefonieren, Filmen und Fotografieren ist strengstens verboten. Hinter einer Schleuse wartet Jürgen Auer, der GNS-Pressesprecher. Er trägt einen Anzug. Schutzkleidung, wie in Kernkraftwerken, ist nicht notwendig. Auch die Besucher müssen sich nicht vor radioaktiven Strahlen schützen: "Also, wenn Sie planen, ein solches Zwischenlager zu bauen, dann müssen Sie den Nachweis erbringen, dass von solch einem Lager keine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht", gibt Auer Entwarnung.

Castoren mit hochradioaktivem Atommüll, der hier im Zwischenlager von 400 Grad Celsius auf 200 Grad abkühlt, so dass er dann unterirdisch endgelagert werden kann. Archivaufnahme: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, Rechtefrei für DW
Zwischenlager in GorlebenBild: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH

Daten über Strahlung gibt es im Internet

Er weist auf Messgeräte hin für die verschiedenen Arten radioaktiver Strahlung. Besorgte Bürger können die Daten eines Vorjahres übers Internet abrufen. "Raucher oder Vielflieger sind durch radioaktive Strahlung stärker gefährdet als Mitarbeiter hier im Zwischenlager", beruhigt der GNS-Sprecher.
Weiter geht es, vorbei an der ersten von drei Hallen. Dort lagern gelbe Behälter, groß wie Ölfässer. Darin befinden sich Metalle, benutzte Schutzkleidung und Filtereinsätze, an denen schwach- und mittelradioaktive Stoffe haften. Sie sind beim Betrieb von Kernkraftwerken entstanden. Von ihnen geht ein minimales Gefahrenpotential aus – verglichen mit den hochradioaktiven Abfällen in den Castoren.

Lagerhalle ohne Sicherheitsfunktion

Diese Container mit hochradioaktivem Müll sind in Reih und Glied in der benachbarten Halle aufgestellt, deren Betonwände 60 Zentimeter dick sind. Von einer Empore in dem 20 Meter hohen und 190 Meter langen Gebäude kann man die Castoren sehen. In dem riesigen Lager wirken die 113 Spezialbehälter aus Gusseisen und Kugelgraphit, jeder sechs Meter hoch, geradezu klein. "Bei einem Flugzeugabsturz oder einem terroristischen Angriff würde die Halle zerstört werden, nicht aber die Castoren", versucht Jürgen Auer zu beruhigen. "Sie sind gasdicht verschlossen. Die Kühlrippen könnten verbogen werden, aber das Entscheidende ist, dass der Inhalt nicht freigesetzt werden kann."

Trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl. Jürgen Auer versichert, die radioaktiven Stoffe, die in Glas eingeschmolzen und in Edelstahlzylindern in den Castoren stehen, seien keine Gefahr für die Umwelt.

In der Halle ist es tropisch warm. "Das kommt vom Inhalt der Castoren", erklärt Jürgen Auer. Der Atommüll in den Behältern ist 400 Grad heiß. Die Hitze entsteht durch den radioaktiven Zerfall, der über Jahrzehnte anhält. Und mit jedem Castor, der angeliefert wird, wird es wärmer in der Halle.
Im Zwischenlager hätten übrigens 420 Castoren Platz. Doch voll wird es nicht werden, weil die Brennelemente seit 2005 an den jeweiligen Kernkraftwerken zwischengelagert werden.

Präparation für die Endlagerung

In der dritten Halle ist kein Mensch zu sehen. Aus berechtigtem Grund: Hinter 1,5 Meter dicken Betonwänden befindet sich die Pilot-Konditionierungsanlage. Hier könnten im Notfall Castoren repariert werden. Und hier soll der Müll für die Endlagerung vorbereitet werden.

Ob im Salzstock in Gorleben - unweit des Zwischenlagers - das deutsche Atommüllendlager entstehen wird, ist weiterhin offen. Forscher und Bergwerkstechniker müssen erst noch eine Lösung finden, wie und wo der Atommüll versenkt werden kann, da die radioaktiven Stoffe erst auf 200 Grad abkühlen müssen, was 40 Jahre dauert.

Luftaufnahme des Zwischenlagers (links) und des Erkundungsbergwerks (Mitte) für Atommüll bei Gorleben. Copyright: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, Rechtefrei für DW
Elbe (links oben), Gorleben, Zwischenlager, Salzstock (rechts unten)Bild: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH
Innenansicht eines Fasses mit radioaktivem Atommüll. Aufgenommen im Erkundungsbergwerk Gorleben. Copyright: Karin Jäger/ 25.05.2012, Rechtefrei für DW
Innenansicht eines Fasses mit AtommüllBild: DW/K.Jäger
Eingang zum Zwischenlager in Gorleben, in den neben schwach- und mittelradioaktivem Atommüll die 113 Castoren lagern mit hochradioaktivem Müll aus Atomkraftwerken. Copyright: Karin Jäger/ 25.05.2012, Rechtefrei für DW.
Besuch erwünscht - nach eingehender KontrolleBild: DW/K.Jäger

Ein Jahrhundertprojekt
Bei dieser Temperatur könnte der Atomschrott nur in Salz eingelagert werden. Für eine Endlagerung in Granit und Ton müsste der hochradioaktive Müll auf 100 Grad abkühlen. "Die Genehmigung für die Zwischenlagerung in Gorleben endet am 31.12.2034", sagt GNS-Sprecher Auer noch zum Abschluss.

Manche Politiker scheinen daher zu glauben, sie könnten das Problem der nächsten Generation überlassen. Doch bis so ein Endlager betriebsbereit sein wird, vergehen noch einige Jahrzehnte. Die Endlagerfrage, sie ist ein Jahrhundertprojekt.

Zwei Mitarbeiter der Gesellschaft für Nuklear-Service kontrollieren die Außenhülle eines Castors im Zwischenlager Gorleben. Archivaufnahme: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, Rechtefrei für DW
Castor-Check im Zwischenlager GorlebenBild: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH