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Was man über "Super-Keime" wissen sollte

Brigitte Osterath
31. Juli 2019

Antibiotikaresistenzen breiten sich weltweit aus. Denn Bakterien haben sich auf die einstige Wunderwaffe Antibiotikum schnell eingestellt und Resistenzen entwickelt. Wir haben ein paar Fakten dazu zusammengestellt.

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Staphylococcus aureus MRSA Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)/dpa
Medikamentenresistente Keime von Staphylococcus aureusBild: picture-alliance/dpa/NIAID

Warum und wie werden Bakterien resistent gegen Antibiotika?

Das ist ein natürlicher Vorgang: Bakterien sind Lebewesen, die sich ihrer Umwelt anpassen, um Gefahren zu meistern. Antibiotika sind eine Gefahr für sie. Daher entwickeln sie Mechanismen, um den für sie tödlichen Substanzen zu entgehen. Mehr dazu hier.

Welche Arten von Bakterien sind resistent?

Im Grunde kann jede Art von Bakterium gegen eines oder mehrere Antibiotika resistent werden.

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde führt drei resistente Bakterienstämme auf, die eine "akute Bedrohung" darstellen. Das sind Clostridium difficile, Carbapenem-resistente Enterobakterien und Neisseria gonorrhoeae.

Clostridium difficile verursacht lebensbedrohliche Durchfälle und ist bereits von Natur aus gegen viele Antibiotika unempfindlich. Im Jahr 2000 ist ein Stamm aufgetaucht, der darüber hinaus auch noch gegen Antibiotika der Klasse Fluoroquinolone resistent ist. Mit diesen werden normalerweise Infektionen dieser Art behandelt.

Enterobakterien sind typische Darmbewohner. Sie können aber auch tödliche Blutvergiftungen auslösen. Einige von ihnen sind inzwischen unempfindlich gegen so gut wie alle existierenden Antibiotika, einschließlich den Carbapenenem, die oft als Reserve-Antibiotika bezeichnet werden, weil sie noch gegen fast alle Bakterienstämme wirken.

Neisseria gonorrhoeae verursacht Gonorrhoe, eine Geschlechtskrankheit, die umgangssprachlich als Tripper bezeichnet wird. Ein Drittel aller Gonorrhoeae-Bakterien sind bereits gegen alle verfügbaren Antibiotika resistent.

Ein häufiger Grund für Infektionen, die im Krankenhaus entstehen, ist der methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA). Eigentlich ist S. aureus ein harmloser Keim, der beispielsweise auf der menschlichen Haut, in der Nase und im Rachen lebt. Ist er unempfindlich gegen Antibiotika kann er aber lebensbedrohliche Blutvergiftungen, Lungenentzündungen und Wundinfektionen auslösen.

Auch bei Escherichia coli, einem nützlichen Darmbakterium, das auch Harnwegsinfektionen auslösen kann, sind bereits Unempfindlichkeiten gegen die Standardmedikamente aufgetaucht.

Tuberkulose, Röntgenbild
Medikamentenresistente Tuberkulose ist eine große GefahrBild: AP

Eine weltweite Bedrohung sind außerdem Tuberkulose-Bakterien (Mycobacterium tuberculosis), die auf mehrere Medikamente nicht mehr reagieren. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind solche resistenten Keime für 3,5 Prozent aller Neuinfektionen verantwortlich. Einige TB-Stämme sind sogar unempfindlich gegen alle verfügbaren Medikamente.

Auch Parasiten wie der Malariaerreger, Viren wie HIV und Pilze wie der Hefepilz Candida albicans können Resistenzen entwickeln.

Wann sind das erste Mal Antibiotikaresistenzen aufgetaucht?

Antibiotikaresistenzen sind fast so alt wie die Antibiotika selbst. Bereits im Jahr 1948 schrieb Milislav Demerec vom Carnegie-Institut in Washington in der Fachzeitschrift "Journal of Bacteriology", dass die "Resistenz gegen Penicillin schrittweise zunimmt".

Wo verstecken sich resistente Keime?

Türklinke
Über Türklinken übertragen sich leicht Bakterien - auch multiresistenteBild: picture alliance/dpa Themendienst/F. Gabbert

Potenziell resistente Bakterien leben auf der menschlichen Haut, im Boden, auf glatten Oberflächen - eigentlich so gut wie überall. Am häufigsten werden sie über die Hände übertragen. Bakterien setzen sich gerne unter Ringe, weshalb Ärzte und Pfleger ihre Ringe ausziehen sollten, bevor sie Patienten im Krankenhaus behandeln. Häufige Nistplätze von Bakterien sind beispielsweise auch Türklinken, Putzschwämme, Schneidebrettchen und Stofftiere.

Wie behandeln Ärzte Patienten, die mit resistenten Keimen infiziert sind?

Wenn ein Screening auf MRSA zeigt, dass ein Patient den resistenten Keim auf der Haut trägt, kann der Arzt eine Dekolonisierung anordnen. Das heißt, dass der Patient mit antibakteriellen Seifen, Pudern, Shampoos oder Cremes versucht, die Bakterien zu entfernen, bevor sie zur Gefahr werden.

Ist ein Patient im Krankenhaus mit MRSA infiziert, wird er von den anderen Patienten isoliert. Ärzte, Pfleger und Besucher dürfen den Raum nur mit Schutzkleidung, also mit Handschuhen, Schutzkittel und Gesichtsmaske betreten. So soll verhindert werden, dass sich zum einen der Keim ausbreitet und zum anderen sich der eh schon geschwächte Patient noch weitere Bakterien einfängt.

Bei ernsten MRSA-Infektionen bekommt der Patient mehrere Injektionen mit einem oder mehreren Antibiotika gleichzeitig. Die Behandlung kann mehrere Wochen dauern. Für solche Ernstfälle gibt es Reserve-Antibiotika wie die Carbapeneme, eine Klasse von β-Laktam-Antibiotika, zu der auch das Penicillin gehört. Diese Antibiotika wurden bisher nur selten eingesetzt und wirken daher noch gegen die meisten Bakterien. Allerdings nicht gegen alle. Auch hier sind bereits Resistenzen aufgetaucht, wenn auch selten.

Wie gefährlich sind Infektionen mit resistenten Keimen?

Potenziell sehr gefährlich. MRSA-Patienten beispielsweise haben laut WHO schätzungsweise ein um 64 Prozent erhöhtes Risiko zu versterben, im Vergleich mit Patienten, die mit nicht-resistenten Erregern dieser Art infiziert sind. Eine Infektion mit resistenten Erregern ist allerdings keinesfalls ein Todesurteil. Viele Patienten überleben die Krankheit.

Tödliche Keime

Wie kann ich helfen, Antibiotikaresistenzen einzudämmen?

Oft Hände waschen und engen Kontakt mit kranken Menschen vermeiden. Kondome benutzen, um sich und andere nicht mit Geschlechtskrankheiten anzustecken.

Keine Antibiotika ohne ausdrücklichen Rat eines Arztes einnehmen. Antibiotika wirken nicht bei einer klassischen Erkältung, da diese oft durch Viren ausgelöst wird.

Wer verschriebene Antibiotika nimmt, sollte keine Einnahme versäumen und die Packung immer bis zum Ende nehmen - auch wenn es schon frühzeitig wieder besser geht.

Nehmen Sie nur Antibiotika, die Ihnen persönlich verschrieben wurden. Teilen Sie übriggebliebene Tabletten nicht mit anderen und heben Sie sie nicht für später auf. Das falsche Antibiotika zu nehmen, führt dazu, dass sich Bakterien ungehemmt vermehren können und Resistenzen gegen das eingesetzte Medikament entwickeln. Das Erbgut dafür geben sie dann später an andere Bakterienstämme weiter.