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"Jungen-Beschneidung in Afrika stoppen"

Daniel Pelz
7. Mai 2017

20 Millionen Männer in Afrika sollen beschnitten werden. Die Befürworter halten das für ein wirksames Mittel im Kampf gegen AIDS. Aktivisten dagegen fordern das sofortige Ende der Beschneidungen. Daniel Pelz, Berlin.

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Ein Mann in Uganda wird beschnitten
Beschneidung soll die HIV-Raten in Afrika senken (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/I. Kasamani

Prince Hillary Maloba hat es am eigenen Leib erfahren. "Die schlimmen Schmerzen werde ich nie vergessen", erzählt der Aktivist aus Kenia. Als Kind wurde Maloba beschnitten. So ist es Tradition in seiner Volksgruppe. Für Maloba ist es ein Skandal, dass ausländische Organisationen seit einigen Jahren die Beschneidung von Jungen und Männern als effektive Strategie gegen HIV propagieren.

"Wie kann das sein? Meine Volksgruppe beschneidet ihre Kinder und ihre Männer, Muslime beschneiden ihre Kinder und trotzdem sterben sie an AIDS", sagte Maloba am Donnerstag in Berlin. Mit seinem "VMMC Experience Project" kämpft er gegen die Beschneidung im Namen der HIV-Prävention. Ein Bündnis deutscher Organisationen teilt seine Einschätzung. Zum von ihnen ausgerufenen "Welttag der genitalen Selbstbestimmung" am 7. Mai fordern sie einen sofortigen Stopp der Beschneidungsprogramme in Afrika.

HIV-Infektionsrisiko soll um bis zu 60 Prozent sinken

Die Weltgesundheitsorganisation und das UN-Programm UNAIDS sehen das anders. Die WHO verweist auf ihrer Homepage auf Studien. Beschnitte Männer haben demnach ein weitaus geringeres Risiko, HIV zu bekommen. Um bis zu 60 Prozent soll es durch die Beschneidung sinken. Nach Plänen der WHO sollen 90 Prozent aller afrikanischen Männer zwischen 20 und 29 Jahren bis 2021 beschnitten worden sein. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates unterstützt die Kampagnen. Es sei "eine riesige Herausforderung, die sich aber lohne", sagte Gates auf der internationalen AIDS-Konferenz im südafrikanischen Durban letztes Jahr.

Ein Jugendlicher wird während einer Beschneidungszeremonie in Uganda mit weißem Pulver eingerieben.
Einige ethnische Gruppen in Afrika beschneiden traditionell Jungen oder junge MännerBild: DW/A. Gitta

Ulrich Fegeler vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte traut den Statistiken nicht. "Sie sind löchrig wie ein Schweizer Käse", so der Kinderarzt. Nicht medizinisch notwendige Beschneidungen seien auch aus menschenrechtlicher Sicht abzulehnen. "Die Kinder werden in der Regel ohne Betäubung beschnitten. In Deutschland ist das verboten", so Fegeler.

Nach den Richtlinien der WHO sollen Beschneidungen nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Bei Kindern müssen vorher die Eltern zustimmen. Die Beschneidungen düfen zudem nur mit  passenden Instrumenten und durch ausgebildete Kräfte vorgenommen werden.

Doch diese Regelungen werden aus Sicht von Aktivisten wie Maloba nicht eingehalten. Vertreter von Organisationen würden sich mit Schulleitungen zusammentun, sagt er. "Sie sagen den Kindern, dass sie kein HIV und keinen Krebs mehr bekommen, wenn sie sich beschneiden lassen", berichtet Maloba. "Manche geben ihnen Süßigkeiten, Spielzeug oder Geld. Dann bringen sie sie in Beschneidungszentren." Das hätten Recherchen seiner Organisation ergeben. Eine unabhängige Bestätigung dafür gibt es aber nicht.

Beschneidungen gegen den Willen von Kindern und Eltern

Auch sein kenianischer Kollege Kennedy Owino von der Organisation "Intact Kenya" hat dies nach eigenen Angaben in seiner Familie erlebt. 2014 sei sein Neffe ohne Einwilligung beschnitten worden, sagt Owino. "Weder seine Mutter noch seine Großmutter haben eine Einwilligung unterschrieben. Ich war gar nicht da. Als ich ihn später traf, weinte der Junge vor Schmerzen und konnte meine Fragen nicht beantworten."

Hillary Maloba und Kennedy Odhiambo bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Hillary Maloba und Kennedy Owino fordern das sofortige Ende der Beschneidung in AfrikaBild: DW/D.Pelz

Die österreichische Ärztin Jutta Reisinger hat die Beschneidung von Jungen in einem kenianischen Gesundheitszentrum miterlebt. Die Eltern der Kinder seien nicht gefragt worden, berichtet Reisinger. Im Zentrum habe sie erlebt, wie Kinder Angst bekommen hätten, als sie die Schreie anderer Kinder aus dem Operationssaal gehört hätten. "Sie wurden eingeschüchtert und sogar mit Schlägen bedroht", sagt sie.

Die Aktivisten fordern daher eine Kehrtwende in der Anti-HIV-Politik. "Uganda hatte große Erfolge in der HIV-Bekämpfung durch die ABC-Formel", sagt Maloba. ABC steht für "Abstain, Be Faithful, Use a condom" (Abstinenz, Treue, Kondome). Auch Kinderarzt Fegeler hält solche Strategien für weitaus effektiver: "Eine Politik, die das Kondom bewirbt und auf die Entwicklung neuer Kondom-Technologien setzt, wäre eine deutlich sinnvollere und viel kostengünstigere Methodik."