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Zauber der Stille - Ein Konzert mit Sofar Sounds

Max Hunger
5. Juni 2017

Mit exklusiven Konzerten an geheimen Orten will das weltweite Netzwerk Sofar Sounds die Magie der Live-Musik wiederbeleben. Ein Gegenentwurf zu den Massenspektakeln der Musikbranche. Hält das Erlebnis, was es verspricht?

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Matt Bednarsky bei Sofar Sounds Köln
Bild: DW/Max Hunger

Es ist ein ungewöhnlich heißer Montag im Mai, an dem etwa drei Dutzend Menschen zusammenkommen, um Musik zu erleben. Ort des Geschehens ist ein geräumiges Atelier im Erdgeschoss eines Kölner Wohnhauses. Kunstwerke verschiedener Stile zieren die steinernen Wände, es ist angenehm kühl. Das überwiegend junge Publikum sitzt auf Kissen im Halbkreis um einen roten Teppich - die Bühne des heutigen Abends. "Bei uns gibt es einige Regeln", beginnt Konzertleiterin Pia Massing: "Bitte macht eure Handys aus und verhaltet euch während des gesamten Konzertes ruhig." Die Spannung steigt, schließlich weiß keiner der Gäste, was ihn an diesem Abend erwartet. Denn es ist kein gewöhnliches Konzert, es ist ein Sofar-Gig.

Matt Bednarsky bei Sofar Sounds in Köln
Matt Bednarsky eröffnet das Sofar-KonzertBild: DW/Max Hunger

"Songs from a Room" ("Lieder aus einem Raum") - kurz Sofar - ist ein Netzwerk von Veranstaltern, Künstlern und Gastgebern, das kleine Konzerte an privaten Orten, in Wohnzimmern, Hinterhöfen oder Geschäften veranstaltet. Wer hier auftritt, erfahren die Besucher erst vor Ort. Auch die exakte Adresse des Konzertes wird erst am Tag zuvor bekannt gegeben. Die Tickets sind stark limitiert. Getränke, Kissen, alles muss selbst mitgebracht werden. Das Einzige, was es hier zu kaufen gibt, sind die CDs der Musiker.

Was als Hobby der Gründer Rafe Offer und Rocky Start 2009 in London begann, hat heute Ableger in 352 Städten weltweit. Unter ihnen San Francisco, Moskau, Seoul und - Köln. Hier finden durchschnittlich zwei Konzerte im Monat statt. Anmelden kann man sich auf der Internetseite von Sofar Sounds.

Musik ohne technischen Schnickschnack

An diesem Abend beginnt das Konzert mit dem Auftritt von Matt Bednarsky. "Mein Ziel ist, dass wenn ihr das nächste Mal durch diese Tür geht, es mit einem Lächeln tut", sagt der US-Amerikaner, greift zur Gitarre und startet mit einer Cover-Version von Leonard Cohens "Hallelujah". Mit dem Erklingen des ersten Tons stellt sich in den Reihen des Publikums sofort etwas ein, das man selten heute erlebt: Stille. Nur die Musik erfüllt den Raum. Die leise Verstärkung von Gitarre und Stimme ist fast überflüssig. Das sieht auch Bednarsky so und verzichtet für den letzten Song auf das Mikrofon: "Machen wir es auf die alte Art."

Publikum beim Konzert von Sofar Sounds Köln
Keine Smartphones, keine Gespräche, keine klirrenden Gläser - ab dem Beginn des Konzertes herrscht Stille im PublkikumBild: DW/Max Hunger

Es folgen zwei weitere Auftritte: Kettle of Kites aus Italien verzaubern das Publikum mit gesungenen Balladen und ungewöhnlicher Besetzung aus Gitarre, Banjo, Kontrabass und Schlagzeug. Anschließend betritt Harry Keyworth die einfache Bühne und besticht mit seinem individuellen Stil aus R 'n' B-Gesang und Percussion-Elementen auf der Gitarre. 

Altes in bemerkenswert neuem Gewand

Das Konzert endet schließlich wie von Matt Bednarsky erhofft: Lächelnde Menschen verlassen den Konzertraum und strömen zurück in die nächtliche Hitze der Stadt. "Jetzt, danach habe ich das Gefühl, dass ich viele von den Leuten hier schon lange kenne", sagt Konzertbesucher Thomas. Das ist es, worum es den Veranstaltern geht: eine intime Atmosphäre. "Music first" lautet das Sofar-Motto.

Harry Keyworth bei Sofar Sounds Köln
Harry Keyworth: "Es gibt viel Respekt für den Künstler."Bild: DW/Max Hunger

Und dieses Konzept boomt: "Mittlerweile haben wir bei jedem Konzert viel mehr Anfragen als Tickets", verrät Veranstaltungsleiterin Pia Massing. Dabei ist die Idee hunderte von Jahren alt: Bereits im 18. Jahrhundert spielten Musiker und Komponisten ihre Werke als Hausmusik in den privaten Räumen der Adligen. Auch in den bürgerlichen Schichten gehörte das Singen und Spielen am hauseigenen Klavier zur guten Erziehung, vor allem für junge Frauen. Die Erfindung des Grammofons Ende des 18. Jahrhunderts machte Musik schließlich unbegrenzt verfügbar und bescherte der Hausmusik so einen langsamen aber stetigen Abwärtstrend. Bis jetzt.

Musik wieder schätzen lernen

Sofar Sounds greift das Konzept der Hausmusik auf und transponiert es in die digitale Gesellschaft. Über soziale Netzwerke verbreiten die Veranstalter ihre Informationen zu den Events, jedes Konzert wird gefilmt und auf YouTube hochgeladen. Warum ist die Idee gerade jetzt so erfolgreich? "Es gibt mittlerweile so viele Konzerte, die riesig sind und laut. Die Leute saufen dort und benehmen sich daneben. Musik hat einen Wert, der von Vielen nicht geschätzt wird - deswegen gibt es Sofar", erklärt Konzertleiterin Massing.

Kettle Of Kites bei Sofar Sounds Köln
Motto: "Music first". Sofar Sounds möchte eine Alternative zu den großen Musikevents bietenBild: DW/Max Hunger

Und Sofar hält, was es verspricht - für die Musiker wie die Zuhörer: "Bei typischen Clubkonzerten bist du oft im Hintergrund. Ich aber brauche die Aufmerksamkeit des Publikums. Nur so kann man die Musik verstehen, anstatt nur zu hören. Bei Sofar ist das gegeben", sagt Musiker Matt Bednarsky am Ende des Events. Ähnliches empfinden auch Zuhörer: "Man ist viel näher dran, als bei anderen Konzerten. Es ist authentischer", sagt Max, der zum ersten Mal ein Sofar-Konzert besucht.

Alternative zu kommerzialisierten Konzerten

Der Erfolg von Sofar Sounds fußt auf den erlebbar gewordenen Tiefschlägen der Konzertindustrie, die heute immer mehr Musikliebhaber erleiden: Man bezahlt viel Geld für das Konzert eines Musikstars, nur um in der bedrückenden Enge der Masse auf eine Videoleinwand zu starren.

Sofar Sounds bietet eine klare Alternative: Nah dran sein, die Schweißperlen auf der Stirn des Musikers sehen, ungetrübter Musikgenuss, ohne das Klirren von Bierflaschen im Hintergrund. Für Zehn Euro bekommt man hier einen isolierten, sinnlich-intimen Moment - fernab des Alltags, fernab von Krach, Konsum und Künstlichkeit. Einfacher gesagt: Ein Konzert, bei dem es wirklich nur um eines geht: die Musik.