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"Leichtathletik bietet mehr als nur Bolt"

Herbert Schalling
3. August 2017

Die Leichtathletik-WM in London steht im Zeichen des Abschieds von Superstar Usain Bolt. Deutschlands bester Sprinter, Julian Reus, spricht im DW-Interview über Bolt, aber auch über Doping in der Leichtathletik.

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Julian Reus (r.) und Usain Bolt (l.) im 200-Meter-Vorlauf der WM 2015 in Peking. Foto: dpa-pa
Julian Reus (r.) und Usain Bolt (l.) im 200-Meter-Vorlauf der WM 2015 in PekingBild: picture-alliance/Citypress24

Bei der Leichtathletik-WM in London wird am Samstag der schnellste Mann der Welt gesucht. Superstar Usain Bolt wird über 100 Meter sein letztes großes Einzelrennen laufen. Für Deutschland wird Sprinter Julian Reus an den Start gehen. 

DW: Mit welchen Erwartungen fahren Sie zur WM in London ?

Julian Reus: Das Wichtigste ist, am Ende zu sagen, ich habe heute mein Bestes gegeben, ein gutes Rennen gemacht. Dann werde ich auch mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Bei der WM in Peking vor zwei Jahren sind Sie bis ins Halbfinale gekommen. Ist jetzt das Finale das Ziel?

Das wäre die Erfüllung eines Traums. Aber die internationale Konkurrenz im Sprint ist sehr groß. Über 100 Meter wird man für das Finale 10,0 Sekunden laufen müssen, über 200 Meter 20,20 Sekunden. Das werden die Leistungen sein, die man braucht, um am Ende unter den Besten zu sein.

Die 100 Meter am 5. August werden der letzte Einzelwettkampf von Usain Bolt sein. Wie sehen sie diesen Topsprinter, dem Sie oft begegnet sind?

Seine Leistungen sprechen für ihn. Er hat in den letzten Jahren alles gewonnen, was man gewinnen kann. Aber diese Fokussierung auf ihn hat mich immer ein wenig gestört. Die Leichtathletik hat viel mehr zu bieten, andere Disziplinen, andere Duelle. Ich hoffe, dass sich gerade im Sprint nach Bolt wieder eine andere Situation entwickelt. Die Duelle Mann gegen Mann werden hoffentlich wieder in den Vordergrund rücken. Ich bin gespannt.  

Deutsche Leichtathletik Meisterschaften 2017 | Julian Reus, Sprinter
Julian ReusBild: picture-alliance/Sven Simon

Er ist aber nicht mehr neunfacher Olympiasieger, sondern nur noch achtfacher. Die Staffel-Medaille von Peking 2008 musste er zurückgeben, weil mit Nesta Carter einer seiner Teamkollegen gedopt war. Die Kontrollen in Jamaika gelten allgemein als lax. Hat man das im Hinterkopf, wenn man ihn laufen sieht?

Es ist bekannt, dass der 100-Meter-Sprint nicht sauber ist. Neun der zehn schnellsten Menschen auf dieser Strecke sind positiv getestet oder zumindest mit Doping in Verbindung gebracht worden. Das tut mir weh, weil ich den Sprint einfach liebe. Nichtsdestotrotz versuche ich, meine Leistung zu bringen und nicht daran zu denken: Was könnte sein, wie kommen die Leistungen anderer zustande?

Der europäische Leichtathletik-Verband EAA will zum 1. Januar 2018 neue Rekordlisten einführen, weil viele Uralt-Rekorde unter dem Verdacht stehen, durch Doping erreicht worden zu sein. Wie stehen Sie zu diesem Gedanken?

Das sehe ich kritisch. Es ist einfach zu sagen, wir streichen diese Rekorde. Aber wird das etwas in der Zukunft ändern? Das kann keiner genau sagen. Für mich ist wichtiger, das Gefühl zu haben, dass alle Verbände, alle Organisationen alles für einen sauberen Sport tun. Das bekomme ich aber nicht, wenn man alle Weltrekorde streicht. Dafür sind andere Sachen notwendig als solch eine pauschale Aktion.

Was wäre notwendig?

Strengere Kontrollen, gleiche Kontrollen, unabhängige Kontrollen. Mich hat nachdenklich gemacht, dass in einer TV-Dokumentation nachgewiesen wurde, dass es 2008 in Peking Fälle von Clenbuterol-Doping gab. Diese wurden jedoch nicht untersucht. So etwas darf es nicht mehr geben. Man muss als Athlet immer das Gefühl haben, dass die Verbände jedem noch so kleinem Verdacht nachgehen, wenn es Hinweise gibt. Und dann auch rigoros gegen Doper vorgehen. Das ist eine Sache der Glaubwürdigkeit.

Haben Sie Hoffnung, dass Realität werden könnte, was Sie fordern?

Da wo Geld sitzt, ist der Betrug ganz nahe. Ich habe leider die Befürchtung, dass sich, solange ich den Sport mache, nichts ändern wird.

Julian Reus ist der schnellste Sprinter Deutschlands. Seit 2013 wurde er fünfmal in Serie deutscher Meister über 100 Meter. Bei den nationalen Titelkämpfen 2017 in Erfurt gelang ihm, wie zuvor schon 2013, das Double über 100 und 200 Meter. Über die kurze Sprintstrecke hält er mit 10,01 Sekunden den deutschen Rekord.

Das Interview führte Herbert Schalling.