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Dynamit - eine zündende Idee wird 150

Wolfgang Dick
19. September 2017

Am 19. September 1867 erhält der schwedische Chemiker Alfred Nobel das Patent auf einen Sprengstoff, der die Welt verändert. Beinahe wäre es dazu gar nicht gekommen.

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Dynamit Dynamitstange Symbolbild
Bild: Imago/bonn-sequenz

Nitroglycerin ist eine zähflüssige Substanz, die Alfred Nobel (1833 bis 1896) fasziniert. Sie ist von der Wirkung her stärker - und damit gefährlicher - als Schwarzpulver. Während einer Studienreise hatte Nobel die Verbindung bei ihrem eigentlichen Entdecker, dem italienischen Chemiker Ascanio Sobrero kennengelernt. Sobrero, im Gesicht durch fehlgeschlagene Experimente entstellt, fand das Nitroglycerin persönlich so problematisch, dass er auf seine wirtschaftliche Verwertung verzichtete. Anders Nobel. Er sah die Chancen. Doch er musste erkennen: Der Stoff ist zwar hoch wirksam, kann aber bei Druck und bei jeder Erschütterung leicht explodieren.

Alfred Nobel Porträt
Alfred Nobel - im Alter ein sehr reicher Mann Bild: Getty Images/Hulton Archive

Nobel, der Sohn eines schwedischen Fabrikanten für Kriegsgerät, beginnt mit Anfang 30 an diesem Problem zu arbeiten. Sein erster Schritt ist, dem Stoff einen Initialzünder zu geben, um den Zeitpunkt einer Sprengung besser zu bestimmen. Das Nitroglycerin bleibt aber instabil. Um ungewollte Explosionen zu vermeiden, müsste man es mit einem anderen Stoff binden und bezähmen können. Aber mit welchem? Es gibt Versuche mit Gips, Holzspänen,Tonerde oder Ziegelstaub. Kein echter Durchbruch. Nobel glaubt dennoch weiter an seinen Erfolg. Schon während dieser Phase lässt er in Schweden Nitroglycerin mit seiner Zündvorrichtung in größeren Mengen produzieren - bis das Unvermeidliche geschieht. 

Verheerende Unglücke      

Die Herstellungsstätte in Schweden explodiert. Unter den Toten ist Alfreds jüngster Bruder Emil. Da in der Folge in Schweden viele Auflagen verhängt wurden, geht Alfred Nobel nach Deutschland. Doch selbst eine verlagerte Fabrikation an den Standort Krümmel in Geesthacht bei Hamburg blieb nicht verschont von tödlichen Unfällen. Auf den Transportwegen traf es Schiffe mit explodierenden Ladungen des Sprengöls. Daraufhin wurden Sicherungsmaßnahmen gefordert, die Fabriken mit Erdwällen umgeben und die Dachkonstruktionen verändert. Trotzdem überlegten etliche Länder, den Sprengstoff per Gesetz zu verbieten. Eine wirklich grundlegende Lösung musste her.

Italien Dynamit Fabrik bei Val Bormida
Dynamitfabrik, die bei Val Bormida (Italien) entstehen sollteBild: picture-alliance/Heritage Images/Ann Ronan Picture Library

Die entscheidende Entdeckung

Beim Transport von Nitroglycerin setzten Nobel und seine Arbeiter auf eine Art Polsterung in den Transportgefäßen. Diese bestand aus Kieselgur, einer Mischung aus fossilen Kieselalgen. Bei einem Transport soll Glycerin ausgelaufen und von dem Kieselgur aufgesogen worden sein. Eine Explosion blieb aus. Alfred Nobel glaubt jetzt, endlich eine Möglichkeit gefunden zu haben, wie er sein Sprengöl stabilisieren kann. Im Jahr 1866 versucht er, ein Mischungsverhältnis herauszufinden. Er entscheidet sich für drei Teile Sprengöl und einen Teil Kieselgur. Als chemischen Stabilisator fügt Nobel noch ein wenig Soda (Natriumcarbonat) hinzu. Alles verpackt in einer runden stangenförmigen Schutzhülle.

Zunächst sollte das Ganze schlicht "Sicherheitssprengstoff" oder "Sicherheitspulver" heißen. Dann aber entscheidet sich Alfred Nobel für den Namen "Dynamit", in Anlehnung an das griechische Wort für Kraft. So meldet er "Dynamit" zum Patent an und erhält tatsächlich im Folgejahr die Patentschrift. Es beginnt der Aufbau dutzender Fabriken für die Herstellung des jetzt "beherrschbaren" Sprengmittels. Schnell gehören Alfred Nobel 90 Prozent der gesamten Sprengstoffproduktion. Mit über 300 weiteren Patenten entwickelt der Erfinder und Chemiker diesen Sprengstoff weiter. So entsteht auch eine Sprenggelantine, die unter Wasser zündbar ist. 

Nobel Labor um 1900
Labor der Dynamit AG um die Jahrhundertwende Bild: gemeinfrei

Folgen des Dynamits

Das Dynamit versetzt im wahrsten Sinne des Wortes Berge. Es ermöglicht Bauprojekte wie den Panama Kanal (1881-1889) sowie den Tunnel durch das Gotthardgebirge (1872-1882). Es bringt Menschen einander näher. Aber es offenbart auch Schreckliches. Es kommt noch zu Lebzeiten Alfred Nobels zu Anschlägen von Attentätern, vorwiegend aus der Arbeiterschaft. Zar Alexander II. stirbt bei einem solchen Sprengstoffattentat.

Auch wenn sich Alfred Nobel öffentlich zurückhält, die Verwendung seines Dynamits zu Kriegszwecken zu kommentieren - die negativen Auswirkungen geben ihm mehr und mehr zu denken. Hinzu kommt: Trotz seines immensen Reichtums ist Nobel im Privatleben einsam. Etliche Liebschaften verlaufen enttäuschend. Die einzige Frau, die seinem Leben und Wirken eine völlig neue Richtung gibt, ist zunächst seine Sekretärin. Ihr Name: Bertha von Suttner. Diese Frau beeindruckt Nobel mit ihrem pazifistischen Roman "Die Waffen nieder". Langsam entsteht eine Idee, die den Dynamit-Erfinder tatsächlich "unsterblich" machen wird.

Sprengung des Bonn-Center
Moderne Sprengstoffe erlauben heutzutage Präzisionsarbeit Bild: Reuters/T. Schmuelgen

Das Erbe des Dynamits

Noch vor seinem Tod bestimmt Alfred Nobel, dass der Hauptteil seines Vermögens in eine Stiftung überführt wird. Von den Zinsen dieses Vermögens aus der Dynamitherstellung sollen künftig all jene Persönlichkeiten mit einem Preis ausgezeichnet werden, die sich um die Menschheit verdient gemacht haben. Auf den Gebieten: Chemie, Physik, Medizin, Literatur und Frieden. Verwandte und Erben Nobels wollen diese Entscheidung anfechten und streiten sich jahrelang vor Gericht darum. Vergeblich. Erst fünf Jahre nach Nobels Tod findet zum ersten Mal die Verleihung der Nobelpreise statt.

Was der Industrielle nicht mehr mitbekommt, ist die in den Folgejahren zunehmende Konkurrenz. Für das lukrative Geschäft wird sein Rezept kopiert und verändert. Dynamit als Oberbegriff bleibt. Aber die Inhalte sind teilweise neu. So entsteht der Sprengstoff TNT. 1910 tritt das Ammonium-Dynamit seinen Siegeszug an. Ammoniumnitrat-Sprengstoffe gelten als kostengünstig und noch wirkungsvoller. Heute sind hunderte spezieller Industriesprengstoffe im Einsatz - von ihrer Sprengkraft jeweils abgestimmt auf das Ziel der Verwendung. Teile der alten Dynamit Nobel Aktiengesellschaft wurden aufgekauft und sind jetzt Bestandteil internationaler Konzerne. Eigenständig überlebt hat nur die Wehrtechnik in der Dynamit Defense GmbH im nordrhein-westfälischen Burbach.