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"Daniel Hope - Der Klang des Lebens"

20. Oktober 2017

Er ist einer der berühmtesten Geiger seiner Zeit. Der neue Dokumentarfilm geht mit Daniel Hope auf Spurensuche und erzählt eine Geschichte von Flucht und Exil, von Identitätsfindung - und einem musikalischen Genie.

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Daniel Hope bei der Veranstaltung 'Der Sound von Hollywood' auf der lit.Cologne in Köln
Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

"Daniel Hope - Der Klang des Lebens"

Landschaft pur: Berge, sattgrüne Wiesen, braune Kühe. Man riecht fast die glasklare, würzige Bergluft. Alles in Almhöhe, weit weg von der lärmenden Zivilisation der Städte. Klare Geigenklänge schrauben sich in die tonalen Höhen Neuer Musik, wie zeitgenössische Komponisten sie nennen. Stargeiger Daniel Hope spielt eine Komposition des US-Amerikaners Philipp Glass. "Echos" heißt das grandiose Stück, das Regisseur Nahuel Lopez diesen inspirierenden Landschaftsbildern zugeordnet hat.

Virtuos montiert, voll praller Sinnlichkeit: Das Filmporträt "Daniel Hope - Der Klang des Lebens", das am Donnerstag (19.10.2017) in den Kinos anlief, wird seinem Titel in jeder Hinsicht gerecht. Der Fluss der Bilder folgt den Sequenzen der Musik, wird von ihr gespiegelt und wieder neu mit erhebendem Gefühl gefüllt. Ein berührender Moment im Kino, wenn die Bilder dieses Dokumentarfilms in emotionaler Dichte der Tonspur folgen und von ihr dirigiert werden - ein Gleichklang der Herzen. Kein bombastisches Sounddesign stört den hochkarätigen kontemplativen Musikgenuss. 

Premiere des Dokumentarfilms "Daniel Hope - Der Klang des Lebens"
Daniel Hope mit Regisseur Nahuel Lopez bei der FilmpremiereBild: DW/H.Mund

Antwort auf Flucht und Exil

Für den Geigenvirtuosen Daniel Hope war es ein Glücksfall, dass der Filmemacher Lopez ihn durch Zufall bei der Vorbereitung der TV-Talkshow "Beckmann" kennen lernte. Beide stellten schnell fest, dass ihre Biografien erstaunliche Parallelen aufwiesen. Wie Daniel Hopes Eltern musste auch der Vater von Nahuel Lopez sein Heimatland aus politischen Gründen verlassen und als Emigrant in einem anderen Land neu Fuß fassen.

Die Familie Hope ging von Südafrika, vertrieben durch die politischen Repressionen des Apartheidregimes, nach England. Lopez' Familie flüchtete während der Pinochet-Diktatur aus Chile und zog nach Deutschland. Beide Söhne entwickelten in ihrer Arbeit später ein starkes Interesse für das Thema "Exil und Musik". Jeder ging allerdings andere künstlerische Wege - der eine wurde Sologeiger, der andere Dokumentarfilmer.

Daniel Hope vor dem Filmplakat
Virtuoser Solo-Geiger: Daniel Hope ist in den Konzertsälen der Welt zuhauseBild: picture-alliance/SvenSimon/M. Ossowski

Musiker mit politischem Engagement

Geboren wird Daniel Hope 1973 in Durban in Südafrika. Im Film blättert er immer wieder neugierig durch die Fotoalben seiner Familie. Schon als Kind erlebt er mit, wie seine Eltern, als Kritiker des brutalen Regimes, zunehmend Schwierigkeiten bekommen. Die Familie zieht nach London, quasi ins nächste Exil der Familie Hope, deren jüdischer Zweig schon aus Nazi-Deutschland geflohen war.

Der Vater ist anfangs arbeitslos, die Familie gerät in materielle Not. Zum Glück bekommt die Mutter eine Stelle als persönliche Assistentin bei dem berühmten Geiger Yehudi Menuhin. Eine schicksalhafte Wendung auch für das Leben des kleinen Daniels, wie beide Eltern vor der Kamera erzählen. Er liebt seine Violine und nimmt begeistert Unterricht beim besten Geigenlehrer der Welt: Menuhin.

Daniel Hope und Yehudi Menuhin im Garten
Daniels zweites Zuhause: Das Londoner Haus seines Förderers Yehudi Menuhin Bild: E. Hope

Zwei Jahre begleiten Kamerateam und Regisseur den heute 44-jährigen Hope bei der Entdeckungsreise seiner eigenen Familiengeschichte. Neugierig sucht Hope das Haus in London auf, in dem er als Kind gewohnt hat. Im Film erlebt man einen Weltklassemusiker, ohne Anflug von Starallüren, der völlig unbefangen auf Menschen zugeht. Das Stadthaus von Yehudi Menuhin ist nur wenige Schritte entfernt, für Daniel Hope wurde es ein zweites Zuhause. "Man sah überall Geigen in diesem Haus, die hingen an den Wänden. Und ständig waren berühmte Geiger da, um ihm vorzuspielen", erinnert sich Hope. "Und ich glaube, wenn ein kleines Kind von morgens bis abends einen solchen Zugang zu Musik hat,  dann versteht man vielleicht, dass dieses Kind irgendwann sagt: 'Das will ich auch können.'" 

Schon mit sechs Jahren wird Daniel in die Menuhin-Schule aufgenommen, ein Musikinternat in London. Die Regeln sind streng, die Lehrer unnachgiebig in ihrem Unterricht. Manchmal muss er monatelang ein einziges Stück von Bach üben.

Das machte ihm wenig Freude, erzählt seine Mutter amüsiert: "Der Direktor rief uns eines Tages zu sich. Unser Sohn habe etwas streng Verbotenes getan. Er wurde erwischt, wie er ein Geigenkonzert von Mendelssohn geübt hat. Heimlich, im Badezimmer", lacht sie.

100 Jahre Menuhin Daniel Hope und Yehudi Menuhin
Starkes Vorbild: der Weltklasse-Geiger Yehudi Menuhin, hier mit HopeBild: U. Uebelhart

Ungewöhnliche Karriere als Sologeiger

Der Karriereweg des jungen Geigers ist vorgezeichnet. Er habe nie nur schön spielen wollen, sagt Daniel Hope zwischendurch. Er wolle die Musik mit all ihren Zwischentönen und Klangfarben wirklich von innen begreifen. Dafür muss er sich von seinem berühmten musikalischen Lehrer Menuhin, seinen Vorbildern lösen, seinen eigenen Stil als Solomusiker finden.

Hope beschäftigt sich viel mit der Geschichte hinter den Kompositionen, erlangt dadurch eine Tiefe im Ausdruck seines nahezu perfekten Geigenspiels, die in diesem virtuosen Filmporträt unter die Haut geht. "Ich liebe es einfach, ganz tief in die Materie und die Geschichte hinter der Musik einzusteigen", sagt er über seinen Ansatz, der ihn an die Weltspitze der Profimusiker gebracht hat. "Die Töne zu lernen, das ist ein reiner Mechanismus am Anfang. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Für mich geht es mehr darum, unter welchen Umständen sind diese Stücke entstanden? Wenn Geschichte mit Musik zusammenkommt, dann bin ich eigentlich am glücklichsten."

Heute spielt Daniel Hope als Sologeiger auf allen großen Bühnen der Welt. Er füllt die berühmtesten Konzertsäle - umjubelt und gefeiert, und ist doch immer auf dem Teppich geblieben. Ein positiver, unglaublich bescheidener Mensch, der gerne arbeitet und viel lacht. Bewundernswert bei so einer steilen Karriere, die ihn zu einem der gefragtesten Geiger der Zeit gemacht hat.

Zurück zu Familien-Wurzeln

2016 ist er nach Deutschland gezogen. Die Valentins, seine jüdischen Urgroßeltern besaßen in Berlin-Dahlem eine Villa, die von den Nazis konfisziert wurde. Die Familie musste 1933 fliehen, emigrierte nach Südafrika. Jetzt schließt sich der Kreis seiner Familiengeschichte wieder: Daniel Hope lebt wieder mit seiner deutschen Frau und seinem Sohn in Berlin, der Heimatstadt seiner Familie. Von dort fliegt er zu seinen zahlreichen Konzertreisen und Projekten in die ganze Welt.

Für ihn ist Berlin nicht nur ein Stück Deutschland, sondern auch ein kosmopolitischer "Melting Pot" - ähnlich wie New York, eine Stadt, die er auch gut kennt. "Berlin ist Berlin. Und mit keiner der Stadt auf der Welt vergleichbar", sagt er im DW-Interview. "Das ist für uns eine Rückkehr - nach einem sehr bewegten Jahrhundert." Der Dokumentarfilm gibt diesen Lebensabschnitt des privaten Daniel Hope viel Raum, fernab vom Rummel um den weltweit gefragten Stargeiger.

Lange war es für Hope schwer vorstellbar, in Deutschland zu leben. Aber er wollte sich seiner jüdischen Vergangenheit bewusst stellen, sie als Lebensgeschichte neu für sich entdecken. "Und jetzt, wo ich hier wohne, möchte ich die Grabstätte meines Urgroßvaters wieder zu uns holen", erzählt er sichtlich bewegt vor der Kamera. "Es liegt mir sehr viel daran, das wieder in Ordnung zubringen."