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Kunst

"Tiere. Respekt, Harmonie, Unterwerfung"

Leonie von Hammerstein
8. November 2017

Das Verhältnis Mensch und Tier ist vielschichtig, kompliziert und widersprüchlich. Seit Jahrtausenden versuchen auch Künstler, ihm nachzuspüren. Davon zeugt eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.

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Frau steht vor Leinwand, die einen liegenden Elefanten zeigt.
Bild: MKG

Auf der riesigen Leinwand ist ein weißer steriler Raum zu sehen. Und mittendrin: ein behäbiger, grauer Elefant. Aus dem Off eine menschliche Stimme, die "play dead" sagt. Ganz langsam, ungelenk legt sich der Elefant auf den weißen Boden des Raumes.

2003 entstand diese Videoarbeit des schottischen Künstlers Douglas Gordon, für die er seine Hauptdarstellerin, die Elefantenkuh Minnie, in die New Yorker Gagosian Gallery brachte. Ein Trainer brachte Minnie dazu, verschiedene Befehle auszuführen, sich immer wieder aufzurichten und wieder hinzulegen.

Die lebensgroße Video-Projektion von Douglas Gordon vermittelt viel von dem, was die gerade eröffnete Ausstellung "Tiere. Respekt, Harmonie, Unterwerfung" (3.11.2017 - 4.3.2018) sagen will. Die rund 200 Leihgaben aus verschiedenen Kulturkreisen und Epochen sollen beleuchten, wie sich Künstler stellvertretend für die Gesellschaften, in denen sie lebten, immer wieder ganz intensiv mit dem Thema Tier auseinandergesetzt haben. Im Mittelpunkt: das Widersprüchliche, das auch in Gordons Werk deutlich wird. "Einerseits bewundern wir die Tiere, und andererseits nehmen wir uns heraus, über sie zu verfügen und sie für uns nutzbar zu machen", beschreibt Kuratorin Sabine Schulze das Anliegen der Ausstellung. "Gordons Arbeit zeigt, wie das majestätische Tier immer wieder zivilisiert wird, und doch bleibt ein wilder Kern, an den wir nicht rankommen."

Eine große Höhlenmalerei ist zu sehen. In beige und rot sind viele verschiedene Tiere zu sehen, im Zentrum stehen zwei große Elefanten. Eine Frau betrachtet das Bild, ihr Körper ist verschwommen.
Höhlenmalereien sind die ersten Zeugnisse menschlicher Kunst Bild: MKG

Alter Zwiespalt

Dieses zwiespältige Verhältnis ist nichts Neues. 'Die ersten Künstler haben das Tier dargestellt", zitiert die Kuratorin den Schriftsteller und Maler John Berger. "Und wahrscheinlich haben sie es mit Tierblut gemalt." Als Beleg dafür ist eine acht Meter große Kopie der prähistorischen Höhlenbilder der Mutoko-Höhle in Simbabwe, die Studenten 1929 unter Leitung von Leo Frobenius angefertigt haben, ausgestellt. Im Mittelpunkt des wuselnden Geschehens: zwei große Elefanten, sie scheinen Mittler zwischen den Welten zu sein. 

Auf blauem Hintergrund ist in der Mitte des Bildes ein goldener Fisch zu sehen. An den Rändern schwimmen kleinere rote Fische.
Paul Klees berühmtes Gemälde "Der Goldfisch" Bild: Hamburger Kunsthalle/Elke Walford

Mittler in eine andere Welt soll auch der Fisch sein. In der Kunstgeschichte steht dieses älteste Geschöpf der Welt oft für die Ursprünglichkeit und Unschuld am Anbeginn der Zeit. Lange galt die Harmonie zwischen Mensch und Tier als Merkmal des verlorenen Paradieses – schön, aber nicht mehr erreichbar. Diese Sehnsucht des Menschen nach einem Zustand der Harmonie mit Tieren wird deutlich in Paul Klees 1925 entstandenem Gemälde "Der Goldfisch". Als leuchtendes Wesen im tiefblauen Wasser wirkt der Fisch, als würde er aus einer weit entfernten Zeit kommen. Laut Sabine Schulze findet sich diese Sehnsucht auch in der aktuellen Debatte über den Umgang mit Tieren wieder. "Wir haben das Gefühl, uns immer weiter von den Tieren wegbewegt zu haben. Der Aufruf, Tieren mehr Rechte und Individualität zuzugestehen, rührt ebenfalls von dieser Sehnsucht nach einem harmonischen Zusammenleben."

Eine steinerne Skulptur von der Sphinx ist zu sehen. Sie hat einen löwenartigen Unterkörper, einen Frauenkopf und trägt Flügel.
Die Sphinx gab den Menschen der Antike Rätsel auf Bild: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Neues Verhältnis zwischen Mensch und Tier?

Und doch ist dem Menschen heutzutage die Abgrenzung zum Tier, zum Tierischen wichtig. Anders als etwa in der Antike. Da waren diese Grenzen fließend: Die antike Mythologie ist voll von Mischgestalten zwischen Gott, Mensch und Tier. Sie wurden als Götter verehrt und als Mischwesen gefürchtet. Ein berühmtes Beispiel: die Sphinx, mit menschlichem Ober-, löwenartigem Unterkörper und Flügeln. In Theben verspeiste sie der Legende nach jeden, der ihre Frage nicht beantworten konnte. Bis Ödipus in ihrem Rätsel die Vergänglichkeit des Menschenlebens erkannte. Immer wieder kommt die Hamburger Ausstellung auf die zentrale Frage zurück: Wo fängt Menschsein an, wo hört Tiersein auf? 

Diese Frage stellt sich auch in der aktuellen Diskussion über die Rechte und Individualität der Tiere in Zeiten des Massenkonsums. Als Haustiere verwöhnen und vermenschlichen wir sie; im Zoo bewundern wir sie als Ausdruck reiner Natur, und die Massentierhaltung züchtet Rinder, Hühner und Schweine für unsere Teller - rund 60 Kilogramm Fleisch verzehrt der durchschnittliche Deutsche laut dem Statistikportal "Statista" im Jahr. "Wie geht das zusammen?", fragt die Ausstellung und ruft dazu auf: "Das Verhältnis von Tier und Mensch muss neu verhandelt werden!"

 Die Ausstellung "TIERE. Respekt/Harmonie/Unterwerfung" läuft vom 3. November 2017 bis zum 4. März 2018 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.