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Politik

Nordpakistan begegnet China mit Skepsis

Sattar Khan | Rodion Ebbighausen
12. Januar 2018

Chinas neue Seidenstraße und der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor wurden in Pakistan mit Euphorie aufgenommen. Aber die Provinz Gilgit-Baltistan im Norden des Landes fürchtet Landraub und soziale Probleme.

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Pakistan Wahlen in Gilgit-Baltistan (Bildergalerie)
Bild: DW/S. Raheem

Gilgit-Baltistan ist ein pakistanisches Sonderterritorium im äußersten Norden des Landes. Es grenzt an den von Pakistan verwalteten Teil Kaschmirs, an Afghanistan und an Chinas Provinz Xinjiang. Seit 2009 besitzt die Region einige Autonomierechte. Aufgrund seiner Lage rückt die Randregion Gilgit-Baltistan immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Denn Chinas Multi-Milliarden-Dollar-Projekt "Chinesisch-Pakistanischer Wirtschaftskorridor" (CPEC), der wiederum Teil der "Belt and Road Initative" (BRI) ist, führt mitten durch die Himalayaregion.

Umwelt in Gefahr

Die pakistanische Regierung ist überzeugt, dass der CPEC dem ganzen Land und auch Gilgit-Baltistan erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung bringen wird. Aber die Menschen in der Region, die anders als der Rest Pakistans zum großen Teil Schiiten sind, begegnen den Versprechungen mit Vorsicht. Sie fürchten, dass die verschiedenen Projekte katastrophale Folgen für die Umwelt haben könnten und dass es zu massivem Landraub kommt. Nicht zuletzt treibt sie die Sorge um, dass eine demographische Verschiebung ihre einzigartige Kultur bedrohen könnte.

"Die Chinesen sind dafür bekannt, Projekte ohne Rücksicht auf die Umwelt durchzusetzen", sagt Farman Ali, ein politischer Aktivist aus Gilgit-Baltistan im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Mehr als 70.000 LKWs sollen hier durch die Region rollen. Sie werden die Luft verpesten. Die Regierung möchte außerdem Gleise durch die Berge verlegen, wozu sie viele Tunnel bauen muss. Das wird wahrscheinlich zu vermehrten Erdrutschen führen und die ökologische Balance der Region stören."

Arbeit für alle?

Islamabad behauptet, dass das Projekt allein in Gilgit-Baltistan Arbeitsmöglichkeiten für bis zu 1,8 Millionen Menschen schafft. Die Einwohner der Region kaufen der Regierung das nicht ab. Obwohl Gilgit-Baltistan eine der höchsten Alphabetisierungsraten Pakistans aufweist, hat die Jugend erhebliche Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Der in der Region lebende Politologe Amir Hussain hält die Zusagen der Regierung für unglaubwürdig. "Die Chinesen bringen ihre eigenen Arbeitskräfte mit. Für CPEC alleine sollen bis zu sieben Millionen chinesische Arbeiter nach Pakistan kommen. Etwa 400.000 werden in Gilgit-Baltistan arbeiten. Wo sollen da noch Arbeitsplätze für die Einwohner herkommen?"

China Wirtschaftskorridore DE

"Vergesst das mit den Jobs", sagt Hussain. "Die Menschen werden aufgrund des Projekts ihre Lebensgrundlage verlieren. Kleine Handwerker und Kaufleute leiden schon jetzt unter chinesischen Gütern, die den Markt überfluten. Die Regierung hat außerdem die Lizenzen für lokale Bergbauunternehmen gekündigt. Das geht alles an die Chinesen."

Landraub

Fruchtbares Land ist in der Bergregion äußerst wertvoll. Die lokale Bevölkerung fürchtet, dass sich CPEC-Projekte die wertvollen Anbauflächen unter den Nagel reißen. Hussain sagt, die Regierung habe etwa zwei Quadratkilometer Land als Sonderwirtschaftszone in der Region Maqpoon Das ausgewiesen. "Diese Ländereien wurden im Namen von CPEC-Projekten übernommen. Darüber hinaus will die Armee Checkpoints einrichten, um die Sicherheit in der Region zu gewährleisten. Dafür plant sie die Umsiedlung von Personen aus den Distrikten Hunza und Nagar, die nahe der chinesischen Grenze liegen."

Hussain beklagt. "CPEC ist eine heilige Kuh in Pakistan. Einheimischen wird verboten, gegen die Projekte zu protestieren. Diejenigen, die es trotzdem wagen, werden mithilfe der Anti-Terrorgesetze oder als Elemente, die den Interessen des Staates zuwiderhandeln, verhaftet."

Pakistan Wahlen in Gilgit-Baltistan (Bildergalerie)
Die Bergregion Gilgit-Baltistan war in der Vergangenheit auch Schauplatz religiös motivierter AuseinandersetzungenBild: DW/S. Raheem

Regierungsvertreter bestreiten diese Anschuldigungen. Sie sagen, dass es einen breiten Konsens in Gilgit-Baltistan bezüglich des CPEC gebe. Faizullah Faraq, ein Sprecher der Lokalregierung in Gilgit-Baltistan, sagte, alle Beteiligten hätten die massive Entwicklung in der Region begrüßt. "CPEC wird die Region an andere Teile des Landes anschließen. Es wird eine Sonderwirtschaftszone geben, eine Zugverbindung, eine Fabrik zur Verarbeitung von Obst und es gibt Pläne für die Reorganisation der Viehzucht. Die Einheimischen freuen sich sehr darüber", so Faraq im Gespräch mit der Deutschen Welle. Außerdem hätte die Regierung eine Kommission zur Landreform gegründet, um den Prozess zu steuern und die Landbesitzer angemessen zu entschädigen.

Demographischer Wandel

Die Einwohner in Gilgit-Baltistan fürchten nicht nur die Zuwanderung chinesischer Arbeiter, sondern auch die Zuwanderung von Arbeitern aus anderen Teilen Pakistans.

In den 80er Jahren gab es in der Region gewalttätige Unabhängigkeitsbestrebungen. Der damalige pakistanische Regierungschef General Mohammed Zia-ul-Haq hatte seine sunnitischen Glaubensbrüder dazu aufgefordert, in die von Schiiten dominierte Region zu gehen, um die Vorherrschaft der Schiiten zu brechen. Einige Analysten behaupten, dass Pakistans Sicherheitsorgane hinter dieser Strategie steckten, da sie die Region als Brücke benötigten, um Dschihadisten in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs zu entsenden.

"Viele der Hotels, Geschäfte und Marktstände sind bereits im Besitz von Einwanderern aus den sunnitischen Provinzen Pandschab und Khyber Pakhtunkhwa", wie der politische Aktivist Sher Babu im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte. "CPEC wird jetzt noch mehr Migranten anziehen. Die Einheimischen werden so zur Minderheit." Schon heute sind einige Einwohner Gilgit-Baltistans überzeugt, dass militante sunnitische Gruppen in der Region Fuß fassen werden. Ein Mann, der namentlich nicht genannt werden wollte, erklärte gegenüber der Deutschen Welle: "Die Dschihadisten gewinnen an Stärke und Gilgit-Baltistan könnte erneut ein Zentrum religiös motivierter Auseinandersetzung werden."

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia