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Barças politische Wende

Stefanie Claudia Müller Madrid
28. Februar 2018

Im Streben nach der Unabhängigkeit Kataloniens gibt es viele Erwartungen an den FC Barcelona. Allerdings sehen auch viele Menschen die Einmischung des bekanntesten Sportvereins der Region in die Politik sehr kritisch.

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Spanien Fußballstadion Camp Nou in Barcelona
Bild: picture alliance/dpa/empics

Auch wenn der Verein es offiziell anders darstellt: Der FC Barcelona war nicht von Anfang ein katalanischer Klub. Vielmehr wurde er im Jahr 1899 vom Schweizer Hans Gramper für in Barcelona lebende Ausländer gegründet und nicht für die Katalanen. Anders als das ein Jahr später entstandene Espanyol Barcelona, das von Anfang an der Verein der katalanischen Aristokratie war. "Er nannte sich Espanyol - also Spanisch - um sich von der Ausländermannschaft Barça zu unterscheiden", erklärt der katalanische Buchautor und Wirtschaftsprofessor an der ESADE Business School in Barcelona, Fernando Trias de Bes.

Sport und Politik in Katalonien schon immer vermischt

Aber die Politisierung der katalanischen Gesellschaft, die schon zum Ende des 19. Jahrhunderts anfing und sich zu Zeiten der Franco-Diktatur enorm verstärkte, habe auch beim Sport seine Wirkung gezeigt, glaubt Trias de Bes: "Espanyol ist deswegen inzwischen für die Separatisten der "spanische" Arbeiterklub" und Barça das Aushängeschild der katalanischen Bourgoisie." Politik und Sport, das gehe in Katalonien schon immer Hand in Hand, glaubt Santiago Galardi. Der Madrider Unternehmer, der gemeinsam mit seiner Partnerin einen in ganz Spanien bekannten Betrieb für Blumendekorationen leitet, verbrachte seine gesamte Jugend in Katalonien: "Bereits 1902 entstand aus diesem Grunde eine katalanische Nationalmannschaft, die bis heute existiert, aber von niemanden international anerkannt wird", sagt er.

Heute ist der FC Barcelona eine Art prominentester Botschafter der Region - mit entsprechenden Erwartungen vieler Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens, was eine klare Positionierung des Klubs angeht. Offiziell gibt Barça zwar zu, dass man für das Recht der Selbstbestimmung ist, will sich aber nicht klarer zur Unabhängigkeit äußern: "Wir haben 2012 die katalanische Sprache verteidigt, 2014 das Recht zur Selbstbestimmung und am 1. Oktober 2017 das Referendum über die Unabhängigkeit," heißt es in einem offiziellen Statement des Vereins. Das für den 1. Oktober anberaumte Spiel gegen Las Palmas wollte der Vorstand aus Protest gegen die spanischen Polizeieingriffe während der Abstimmung ausfallen lassen.

Fußball Spanien Camp Nou BARCELONA 17/18 LAS PLAMAS 17/18
Spiel im leeren Camp Nou: Barça musste am 1. Oktober 2017 spielen, ließ aber keine Zuschauer in die ArenaBild: Miguel Ruiz

"Es gab tatsächlich auch Sicherheitsgründe, die gegen die Austragung des Spiels sprachen", glaubt der in Barcelona lebende Deutsch-Spanier Alejandro Stranz, Personalberater und bester Kenner der wirtschaftlichen und politischen Situation des Klubs. Aber der spanische Fußballverband entschied anders. Barça musste an diesem historischen Tag spielen. "Allerdings vor leerem Stadion, damit die Welt sieht, wie wir unter der fehlenden Demokratie in Katalonien leiden”, rechtfertigt Barça-Präsident Josep Maria Bartomeu seine Entscheidung, an diesem Tag keine Fans ins Camp Nou zu lassen.

Zerrissenheit der katalanischen Gesellschaft

Dieses seit Jahrzehnten andauernde Machtspiel zwischen Katalonien und Spanien spiegele sich natürlich auch in der enormen Rivalität des FC Barcelona mit Real Madrid wider, sagt Luis Fernandez Matamoros, Ex-Profi-Basketballspieler bei Espanyol: "In diesem aktuellen politischen Wirrwarr den Barça-Slogan - "Mes que un Klub (Mehr als ein Klub)" zu hören, grenzt schon an Zynismus."

Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang vor ein paar Wochen eine Nachricht der spanischen Tageszeitung "El Mundo", wonach Separatisten den Klub gebeten haben sollen, 3,5 Millionen Euro als Kaution für den ehemaligen Regionalpräsidenten Artur Mas beizusteuern. Mas soll wegen seiner Beteiligung an der ersten Volksbefragung 2014 in Untersuchungshaft gehen. Bartomeu lehnte diesen Deal nach Aussagen von "El Mundo" jedoch ab. Und der Klub hat diesen Tatbestand auch nicht dementiert.

Alles begann mit Laporta

Josep Guardiola verlängert bei Barca
Joan Laporta (l.) und Pep Guardiola (r.)Bild: picture-alliance/dpa/T. Albir

Die Politisierung des Klubs nahm, so Fernandez Matamoros, mit dem Antritt von Joan Laporta als Präsident im Jahr 2003 deutlich zu. Der von Laporta engagierte Trainer Pep Guardiola verhalf Barça ab 2008 nicht nur zu historischen Erfolgen, sondern unterstützte auch Laportas politische Linie, die immer stärkere Absonderung des katalanischen Aushängeschilds von Spanien voranzutreiben. Laporta gründete nach seinem Abgang 2012 sogar seine eigene Separatisten-Partei, die allerdings nicht erfolgreich war.

Der ehemalige Direktor des Barca-Ausbildungszentrums "Masia", Julio Alberto, kritisierte im vergangenen Herbst aufs Schärfste die politische Radikalisierung des Klubs, weswegen er 2014 seinen Job aufgab: "Sehr gute Barça-Trainingslager im Rest des Landes wurden plötzlich aus politischen Gründen und aus Protest gegen Spanien aufgegeben", sagte er in der spanischen Fernsehsendung "Espejo Publico": Alberto regte sich auch darüber auf, dass man im Herbst, statt den Opfern der Waldbrände in Galizien zu gedenken, im Camp Nou immer mehr politische Pamphlete und Unabhängigkeitsflaggen sah.

Starkes Barça mehr und mehr ein Politikum

Aber der Flirt mit den Separatisten schadete dem Klub bisher nicht wirklich. Aus Kreisen des Vereins ist zu hören, dass die Zahl der Mitglieder und die wirtschaftliche Situation stabil sind.

Gerard Pique
Gerard Pique unterstützt die Unabhängigkeit KataloniensBild: picture-alliance/Zumapress/NurPhoto/D. Aliaga

Fans, die nicht in Katalonien leben, wie der 50-jährige Cesar Martinez, sehen jedoch mit Entsetzen, wie Barça-Spieler in Interviews plötzlich über Politik reden und wie von den Medien der Verbleib einiger Katalanen in der Nationalmannschaft in Frage gestellt wird. Verteidiger Gerard Pique wurde kurz nach dem Referendum beim Training der spanischen Nationalmannschaft gnadenlos ausgepfiffen und beleidigt, weil er sich zuvor als Befürworter der Unabhängigkeit positioniert hatte. "Es ist eine gefährliche Entwicklung", sagt Martinez. Der Madrider Gastronom verbrachte seine Kindheit in Barcelona. Der Druck seiner Freunde auf ihn steige: "Viele Madrilenen boykottieren derzeit alles, was aus Katalonien kommt, auch den Sport."

Auch der emeritierte deutsche Wirtschaftsprofessor Jürgen Donges, der in Barcelona aufwuchs, hat genug von dem politischen Theater auf dem Camp Nou: "Barça soll Fußball spielen. Aber wenn die FC-Oberen so überzeugt sind von der Unabhängigkeit, sollten sie den Verein aus der Primera Division und der Copa del Rey herausnehmen! Aber soviel Selbstachtung haben diese Herrschaften nicht. Das haben sie gemein mit den Separatisten, die nach wie vor das Geld vom so verhassten spanischen Staat entgegennehmen."