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Gesellschaft

Selbstbewusste Designerinnen aus dem Irak

Farah Adnan kk
7. März 2018

Wenn sie ihre Kollektionen entwerfen, folgen sie einem engen Pfad zwischen Kreativität und sozialen Zwängen. In einem konservativen Umfeld haben es irakische Modeschöpferinnen schwer. Ihren Weg gehen sie trotzdem.

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Irak Modedesigner Fashion
Die Designerin Schuruk al-Khazali (l.) mit zwei Models, die ihre Kreationen tragen Bild: Shorook Al-Khazali

Gebeugt über ein großes Blatt Papier arbeitetet Schuruk al-Khazali an Entwürfen für eine neue Modeschau. Zusammen mit ihrer Kollegin Sahar al-Rabi experimentiert die Designerin im irakischen Mode-Institut an den unterschiedlichsten Stilen. Auch die gerade 16 Jahre alte Schams Adnan ist in der Nähe. Sie will in die internationale Modewelt und ergreift jede Gelegenheit, um dieses Ziel zu erreichen.

In ihren Arbeiten orientiert sich Schuruk al-Khazali an den Traditionen ihres Landes. "Meine Entwürfe greifen Motive vergangener Zeiten auf", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Dabei stehe ich vor einem Problem: In einigen Epochen wurden die Kleider sehr offen geschnitten, zeigten Hände, Schultern und Bein. Das kann ich nicht ändern. Trotzdem werden wir das bei der Schau nicht zeigen, denn da sind immer auch Vertreter irgendeiner Partei zugegen, die den Auftritt dann nachher kritisieren."

Konfessioneller Druck

"Viele Parteien - insbesondere die religiösen - haben auch Einfluss auf Modefestivals. Zum Teil bestimmen sie auch über die Entwürfe. Das dürfe nicht sein, sagt Al-Khazali, schließlich genössen Designer nicht nur Gestaltungsfreiheit - "sie entwerfen ihre Kollektionen für ganz unterschiedliche soziale Schichten und Konfessionen."

Die irakische Regierung sollte darum verbieten, dass die Kunst von Parteien und Quoten eingeschränkt wird, sagt Al-Khazali. Das sieht auch das dem Kulturministerium angeschlossene Mode-Institut so. Um seine Unabhängigkeit zu wahren, lehnt es jegliche Unterstützung von Seiten Dritter ab.

Zudem stehen irakische Designerinnen vor einem Problem, das man im Westen nicht kennt: Es gibt kaum Models. Viele Eltern verbieten es ihren Töchtern, sich auf dem Laufsteg zu zeigen. Zudem weigern sich einige Models, allzu offene Kleidung zu tragen: Sie fürchten harsche Reaktionen der Gesellschaft. 

Zwischen Ästhetik und Gewalt

Bereits seit jüngsten Jahren begeistert sich Schuruk al-Khazali für Zeichnen und Design. Auf ihrem Weg musste sie viele Hindernisse überwinden. Während der amerikanischen Besatzung war das Leben im Irak schwierig und teuer. "In meiner Familie stellen mehrere Mitglieder Kleidungsstücke her. Ich habe mit meinen Kreationen aber die meisten verkauft. Der Grund ist wohl, dass ich die gängigen Modelle durch eigene Ideen bereichert habe", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Das hat wiederum den Nachbarn und Inhabern umliegender Bekleidungsläden gefallen. Sie haben meine Kreationen gekauft. So kam ich zum irakischen Mode-Institut." 

Auch das Institut selbst hat schwierige Zeiten hinter sich. Als in den Jahren 2006/07 brutale konfessionelle Gewalt das Leben in Bagdad prägte und Menschen auf offener Straße getötet wurden, fürchtete auch das Institut um seine Existenz. Darum entwarfen die Designer religiös unumstrittene Kleidung, die den ganzen Körper bedeckte. Als sich die Lage dann beruhigte, kehrten sie zum alten Stil zurück und entwarfen auch wieder offene Kleidung. 

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Zwischen Tradition und Avantgarde: Schuruk al-Khizali stellt ihre Entwürfe vorBild: Shorook Al-Khazali

Der Traum vom eigenen Label

Derzeit ist Schuruk al-Khazali damit beschäftigt, ihr eigenes Modehaus ins Leben zu rufen. Mit ihm will sie einem internationalen Stil zum Durchbruch verhelfen, der sich von keinerlei Vorgaben einschränken lässt. Darüber hinaus will sie junge modebegeisterte Irakerinnen ermutigen, ihrem Interesse beruflich zu folgen. Im Irak ist das allerdings schwierig: Es gibt keine angemessenen akademischen Ausbildungsmöglichkeiten. Entsprechend gering ist das Interesse in weiten Teilen der Gesellschaft.

Immer wieder sieht sie sich Kritik ausgesetzt: "Einmal saß ich in einer Jury, die die irakische Schönheitskönigin auswählte. Moniert wurde, dass die Models nicht verhüllt waren. Aber wie sollte das gehen - bei einer Schönheitskönigin? Die Kritik hat mich verletzt, denn Verhüllung ist etwas Persönliches. Sie hat nichts mit Denken und Kreativität zu tun. Es gibt eben immer noch ignorante Menschen."

Inzwischen ist die Designerin im Irak bekannt. Außerdem nahm sie an einer Reihe Modeschauen im arabischen Raum teil: "Zwar waren einige in meiner Familie aufgrund der Tradition gegen meine Ausrichtung. Aber ich habe sie durch meinen Ansatz und mein Vertrauen überzeugt." Unterstützt von ihrem Mann, geht sie ihren Weg nun weiter.

Schutz der Anonymität 

Modebegeistert ist auch Sahar al-Rabi. Im Gespräch mit der DW bittet sie aber darum, dass ihr Wohnort nicht genannt wird. Niemand soll wissen, wo sie mit ihrem Mann, ihrer kleinen Tochter und ihrem pflegebedürftigen Bruder lebt. 

"Im Irak ist der Model-Beruf immer noch nicht etabliert, da viele Iraker ihn für ehrlos halten", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Ich komme aus einer ausgesprochen konservativen Region, in der die Menschen der Stammestradition und der entsprechenden Moral folgen. Was soll ich also tun?"

Als Model arbeitet Sahar al-Rabi seit elf Jahren. Auch sie ist inzwischen recht bekannt: "Ich hatte hinreichend Ehrgeiz und Konsequenz, um die Tradition herauszufordern. Trotzdem verberge ich mich bei mir zu Hause unter einem Gewand. So weiß niemand, dass ich jenes Model bin, das auf Bildern, Modeschauen und Festivals zu sehen ist."

In ihrer Heimat sei es für sie schwierig, ihren Beruf auszuüben.  Auch seien die Einkünfte relativ bescheiden. "Aber trotz allem mache ich weiter. Auf diese Weise helfe ich meinem Mann, die Familie zu ernähren. Auch die Kosten für die Behandlung meines Bruders kann ich so bestreiten", sagt Sahar al-Rabi. Doch ihre Arbeit habe auch ein idealistisches Ziel: "Ich will mit meinem Beruf die schöne und strahlende Seite des Iraks zeigen. Und auch bewusst  machen, dass das Leben trotz Krieg und Terror weitergeht."

"Meine Familie hat mein Talent entdeckt"

Schams Adnan ist mit 16 bereits tief in die irakische Modewelt eingetaucht. Kaum präsentierte sie sich in den sozialen Netzwerken, kannten viele junge Iraker schon ihr Gesicht. Ihre Fans lassen sich mit ihr fotografieren, viele Mädchen wollen sein wie sie.

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Das irakische Model Schams Adnan träumt von einem eigenen ModegeschäftBild: Karrar Kazem

Schams, das hübsche Model mit den auf die Schultern fallenden Haaren, verdankt ihre Karriere vor allem ihrer Familie: "Sie war es, die mein Talent entdeckt hat. Sie meinten, ich hätte alles, was ein Model braucht. Darum haben sie mich ermutigt, in diese Richtung zu gehen."

Schams begann mit einfachen Modeaufnahmen bei Instagram. Seit einem Jahr tritt sie bei Modeschauen auf: "Meine Familie begleitet mich zu jedem Auftritt und zu jedem Foto-Shooting. Auch die Entscheidung, wo ich auftrete und wo nicht, liegt bei ihr." 

"Talent fördern, anstatt es zu kritisieren"

Einige Verwandte waren dagegen, dass Schams als Model arbeitet. "Aber meine Eltern sind gebildet und innerlich unabhängig. Sie lassen es nicht zu, dass sich jemand von außen in die Familienangelegenheiten einmischt." Außerdem, sagt sie, bewege sie sich in einem akzeptablen Rahmen. "Meine Kleidung ist vollkommen natürlich - jedes Mädchen und jede Frau in Bagdad kann sie tragen. Anzügliche Kleidung trage ich ohnehin nicht, da habe ich meine Prinzipien. Das gilt auch, wenn ich an einer Show außerhalb Bagdads teilnehme."

Auch Schams sieht sich vielfältiger Kritik ausgesetzt. Davon lässt sie sich aber nicht von ihrem Weg abbringen. Wo der hinführen soll, weiß sie bereits: "Mein Traum ist, irgendwann ein Modegeschäft zu eröffnen, das alle großen Marken der Welt führt. Von der Gesellschaft wünsche ich mir, dass sie Talent fördert, anstatt es zu kritisieren."