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Brasiliens wichtiges Spiel gegen Deutschland

Sarah Wiertz
27. März 2018

Ohne Superstar Neymar muss der fünfmalige Weltmeister Brasilien gegen den Titelverteidiger aus Deutschland bestehen. Den Fokus legt Nationaltrainer Tite aber ohnehin auf Defensive und Pressing.

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Training Nationalmannschaft Brasilien
Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Brasiliens Umgang mit dem 1:7

Es ist mittlerweile eine alltäglichen Redewendung in Brasilien: Wenn etwas herunterfällt und kaputt geht heißt es: "Gol da Alemanha." Wenn sich im Verkehr der Großstädte mal wieder nichts bewegt wird geflucht: "Gol da Alemanha." Wenn das Kind mit einer schlechten Note heimkommt wird das mit "Gol da Alemanha" kommentiert. Die 1:7-Niederlage gegen Deutschland im Halbfinale der Heim-WM hat sich wie ein traumatisches Erlebnis in die brasilianische Seele eingebrannt. Nun trifft die Seleção erstmals seit knapp vier Jahren wieder auf das deutsche Team (ab 20:30 Uhr im DW-Livestream). "Das 1:7 gehört zur Vergangenheit“, behauptet Brasiliens Coach Tite, damals noch nicht im Amt. Er räumt jedoch ein, dass es "psychologisch wichtig" sei, "gegen Deutschland zu gewinnen." Von den Spielern, die damals in Belo Horizonte dabei waren, sind gar nicht mehr so viele im Kader.

Früh für die WM qualifiziert

Da ist vor allem Marcelo zu nennen. Der Profi von Real Madrid war als Linksaußen damals Teil einer völlig chaotischen und überforderten brasilianische Defensive. Der Weltklasseprofi gilt auch heute als gesetzt. Vielleicht steht auch Mittelfeldprofi Fernandinho von Manchester City so wie damals in der Startelf. Paulinho (FC Barcelona) und Willian (FC Chelsea) haben die 1:7-Schmach als Einwechselspieler ebenfalls erlebt, beide Spieler gehören mittlerweile zur Stammelf. Dani Alves (Paris St. Germain), der wohl diesmal von Beginn an auf der rechten Abwehrseite spielen wird, saß damals nur auf der Ersatzbank. Thiago Silva (Paris St. Germain) war damals ebenso wie Neymar verletzt.

Brasilien Nationalmannschaft Training
Brasiliens Coach TiteBild: picture-alliance/AP/P. Golovkin

Die Frage ist: Wie unterscheidet sich das Team von heute vom damaligen? Für Bundestrainer Joachim Löw ist klar: "Brasilien hat sich entscheidend verbessert. Seit der neue Trainer da ist, herrscht eine andere Mentalität". Vor knapp zwei Jahren übernahm Adenor Leonardo Bachi, genannt Tite, das Amt von Carlos Dunga, der nach dem Aus von Luiz Felipe Scolari sowieso nur aushilfsweise eingesprungen war. Mit dem 3:0 in Ecuador bei seiner Premiere löste Tite eine kleine Aufbruchstimmung aus. In der WM-Qualifikation gelangen neun Siege am Stück, was es in der ruhmreichen Geschichte des fünfmaligen Weltmeisters noch nie zuvor gegeben hatte. Als erstes Team überhaupt nach Gastgeber Russland löste Brasilien das Ticket für die WM 2018. 

Alle verteidigen mit

"Das Spiel gegen Deutschland wird unser Projekt nicht ändern. Wir werden bei einem Sieg weder die Besten noch bei einer Niederlage die Schlechtesten sein", sagt Innenverteidiger Miranda. Ziel ist ganz klar: Offensiv weiter zaubern, hinten aber stabil und sicher stehen. Tite hat die Verantwortung auf die Spieler verteilt, jeder hat in seinem System klare Aufgaben. "Insgesamt als Mannschaft ist Brasilien sehr viel disziplinierter geworden", sagt Bundestrainer Löw. "Alle Spieler verteidigen jetzt mit. Das kann Brasilien mittlerweile. Selbst Coutinho und Neymar machen mit."

Tatsächlich: Das Team lässt kaum mehr Gegentore zu. Im Tor stehen Tite mit Alisson (AS Rom), Ederson (Manchester City) und Neto (Valencia) gleich drei Schlussmänner von internationalem Format zur Verfügung. Und mit den beiden Innenverteidigern Miranda und Thiago Silva stehen zwar zwei gestanden Profis auf dem Platz, jedoch: Beide 33-Jährigen wirken nicht immer souverän. Auch Dani Alves hat schon mal deutlich besser gespielt. Es gäbe noch zwei weitere defensive Alternativen, aber Tite hat die beiden Bundesligaprofis Rafhina vom FC Bayern München und Schalkes Naldo (bisher) nicht in den Kader berufen. Mit Casimero hat er keinen exzellenten, aber einen zuverlässigen Spieler im Mittelfeld, der das System zusammenhält.

Bangen um Neymar

Frankreich Neymar verletzt auf dem Platz
Neymar verletzt sich am 25.2.2018 im Spiel gegen Olympique MarseilleBild: Reuters/S. Mahe

 Ein großer Unterschied zu damals ist zudem, dass Tite die Abhängigkeit vom Superstar verringert hat. Damals wie heute ist Neymar (Paris St. Germain) gegen Deutschland verletzt. Ob der teuerste Spieler der Welt (222 Millionen) nach seinem Mittelfußbruch für die WM (14.06. bis 15.07.2018) wieder fit sein wird, ist fraglich. Aber mit Firminho vom FC Liverpool und dem bald 21-jährigen Talent Gabriel Jesus (Manchester City) stehen dem Trainer der Seleção zwei weitere Top-Offensivkräfte zur Verfügung. Anstatt auf individuelle Stärke einzelner Spieler setzt Tite auf das Spielsystem.

Insgesamt hat er sehr stark am Pressing seiner Mannschaft gearbeitet, eben jener taktischen Variante, die Deutschland beim 7:1-Triumph vor vier Jahren so weltmeisterlich beherrschte. Ob dies heute schon im Berliner Olympiastadion zu sehen sein wird? Falls Brasilien heute doch ein oder sogar mehrere Gegentore kassieren sollte, wissen wir ja, was nicht nur der Kommentator sagen wird: "Gol da Alemanha".

sw/sn (mit sid/dpa)

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online