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Die russische Avantgarde in Paris

Sarah Hucal rbr
3. April 2018

Der Maler Marc Chagall eröffnete 1918 in Witebsk eine Kunstschule, die er zum Zentrum der russischen Avantgarde machte. Das Centre Pompidou zeigt Werke von Chagall, Lissitzky und Malewitsch nun in einer Ausstellung.

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Picasso-Museum Münster Marc Chagall und die Bibel
"Das Hohelied IV" von Marc Chagall, 1958Bild: picture-alliance/dpa

Vor über 100 Jahren führte die Oktoberrevolution Russland in eine neue Ära. Neben den politischen Veränderungen brachte dieses Ereignis auch einen tiefgreifenden kulturellen Wandel mit sich. Die Erneuerung der Kunst wurde auf die Spitze getrieben, die Stilrichtungen Suprematismus und Konstruktivismus entstanden. Einer der wichtigsten Vertreter dieser neuen Stilrichtungen war Marc Chagall. In Petrograd (heute Sankt Petersburg) geboren, war der jüdische Maler Chagall von der bolschewistischen Revolution stark beeinflusst. Ein neues Gesetz, das religiöse und nationale Diskriminierung verbot, trat in Kraft. Für Chagall die langersehnte Freiheit und die Anerkennung als russischer Staatsbürger. Es war der Beginn seiner produktivsten und kreativsten Zeit. Das Werk "Über der Stadt" aus dem Jahr 1918 zeigt Chagall und seine Frau Bella frei in den Wolken fliegen.

Im selben Jahr wurde Chagall zum Kommissar für Schöne Künste der Region Witebsk ernannt, eine Position, die es ihm ermöglichen würde, seine akademischen Ziele zu verwirklichen. Chagall fühlte sich inspiriert, jungen Künstlern zu helfen, auch solchen mit jüdischem Hintergrund wie seinem eigenen. Er beschloss, die kostenlose Volkskunstschule zu gründen. Die Institution hat die Provinzstadt Witebsk, die heute zu Weißrussland gehört, zu einem wichtigen künstlerischen Zentrum erhoben, obwohl sie weit von den russischen Metropolen entfernt lag.

Die Kunstschule von Chagall - ein Inkubator für neue Ideen

Schwarz-weiß-Foto von Marc Chagall.
Marc Chagall im Jahr 1955Bild: Halsman Archive

Die Volkskunstschule öffnete im Januar 1919 ihre Pforten. Chagall engagierte Künstler wie El Lissitzky, um Workshops für Druck, Grafikdesign und Architektur zu organisieren. Lissitzkys Mentor, der berühmte Künstler Kasimir Malewitsch, schloss sich ebenfalls bald der Schule an und führte dort den Suprematismus ein - eine Kunstbewegung, die abstrakte geometrische Formen und kräftige Farben benutzt.

Als der Suprematismus die Welt im Sturm eroberte, gewann Malewitsch mit seinem Lehrstil und Charisma langsam die Sympathien der Studenten und der Mitarbeiter der Schule. Auf der anderen Seite jedoch begannen sich Chagalls Klassenzimmer zu leeren. Dieser verließ schließlich 1920 Witebsk und arbeitete fortan für das Moskauer Jüdische Theater. Seine Abneigung gegen Malewitsch war kein Geheimnis. Laut der Kuratoren der neuen Ausstellung in Paris war Chagall davon überzeugt, dass Malewitsch eine Verschwörung gegen ihn anführte.

Paris im Zeichen der russischen Avantgarde

Die Kunstschule blieb bis zur Schließung im Jahr 1922 eine kreative Brutstätte. Malewitschs sogenannte UNOWIS-Studentengruppe ("Bestätiger der Neuen Kunst" / "Utwerditeli Nowowo Iskustwa") organisierte Ausstellungen in ganz Russland und machte den suprematistischen Kunststil einem breiteren Publikum bekannt.

Die aktuelle Ausstellung im Pariser Centre Pompidou zeigt über 250 Werke und Dokumente aus dieser dynamischen Periode der russischen Avantgarde-Kunstgeschichte. Die Werke sind Leihgaben aus Museen in Moskau, St. Petersburg, Minsk und Museen in den USA und Europa.

"Chagall, Lissitzky, Malewitsch. Die russische Avantgarde in Witebsk" ist noch bis 16. Juli 2018 im Centre Pompidou in Paris zu sehen.