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Fossile Lobby schadet Klimapolitik

2. Mai 2018

Die fossile Industrie hat enge Beziehungen zur Politik. Für die Umsetzung der Pariser Klimaziele ist dies jedoch ein großes Problem, da die Interessen des Öfteren kollidieren. Eine neue Studie empfiehlt klare Regeln.

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Protest vor der Klimakonferenz in Bonn
Mahnung zum Handeln, die Ungeduld steigt: Protest vor der Klimakonferenz in Bonn Bild: DW/G. Rueter

Die Studie "Revolving doors and the fossil fuel Industrie" zeigt eine - sagen wir - etwas unglückliche Verquickung von europäischer Politik und fossiler Industrie. Denn die Autoren der Studie nahmen 13 EU-Länder näher unter die Lupe und stellten dabei fest, dass es in mindestens 88 Fällen enge personelle Verbindungen zwischen der fossilen Industrie und der Politik gibt, sogenannte Drehtür-Effekte. Das bedeutet konkret: Politiker wechseln in die Industrie - oder auch umgekehrt.

"Es gibt die Drehtür zwischen Politik und der Lobby für fossile Brennstoffe in ganz Europa", erklärt Max Andersson, Mitglied der grünen Fraktion des Europäischen Parlaments auf der UN-Klimakonferenz in Bonn, die der Vorbereitung der UN-Konferenz in Polen im Dezember dient.

Europaparlamentarier Max Andersson bei der Klimakonferenz in Bonn
EU-Abgeordneter Max Andersson erklärt in Bonn die StudieBild: DW/G. Rueter

Andersson, der zusammen mit seinen Fraktionskollegen die Studie in Auftrag gegeben hat, spricht von einer systematischen und damit auch gefährlichen Verzahnung im Klimaprozess. "Die fossile Industrie hat ein enormes wirtschaftliches Interesse an der Verzögerung des Klimaschutzes und diese Drehtür zwischen Politik und fossiler Lobby ist ein ernster Grund zur Besorgnis", so Andersson.

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Gut bezahlte Posten nach der Politik

In den untersuchten Ländern kommt der Drehtür-Effekt vor allem bei großen Energieunternehmen vor, die dazu neigen, eine Reihe von Beamten oder Politikern einzustellen. In Spanien sei der Übergang zwischen Politik und Wirtschaft so "fließend", dass im Jahr 2016 26 ehemalige Minister oder hohe Parteifunktionäre als Direktoren in führenden Energieunternehmen arbeiteten.

In Deutschland gehören zu solchen bekannten Personen unter anderen die enge Merkel-Vertraute Hildegard Müller (CDU), ehemals Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, die inzwischen im Vorstand des RWE-Tochterunternehmen Innogy ist. Auch die ehemalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wird im Report namentlich erwähnt, sie ist neben ihrer Tätigkeit als Landtagsabgeordnete inzwischen Aufsichtsratsmitglied des Steinkohlekonzerns RAG.

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In Österreich ist der frühere Kanzler Wolfgang Schüssel heute Aufsichtsrat beim Energiekonzern RWE und Italiens Vize-Außenminister Lapo Pistelli wechselte direkt aus dem Amt zu ENI, einem der größten Ölunternehmen der Welt.

Die Studie zeigt zwar zahlreiche Fälle in 13 EU-Ländern auf, wo Politiker in die Energiewirtschaft wechseln, doch eine Bewertung dieser Verbindung auf die Klimapolitik erfolgte in der Studie nicht - dafür sei noch mehr Forschungsbedarf erforderlich. "Dennoch zeigen die dokumentierten Fälle das große Potenzial für Interessenkonflikte auf", heißt es in der Zusammenfassung des Reports.

"Wenn wir die Ziele des Paris-Abkommens erreichen und globale Erwärmung so nahe wie möglich bei 1,5 Grad halten wollen, müssen wir Interessenkonflikte eindämmen, um zu verhindern, dass Kohle, Gas und Öl ihre schmutzigen Fingerabdrücke in unserer Klimapolitik hinterlassen", betont Andersson.

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Wie lassen sich Interessenkonflikte minimieren?

Die Autoren der Studie empfehlen, dass hochrangige Beamte und Politiker eine Pause von mindestens drei Jahre einhalten müssen, bevor sie in den Teil der Privatwirtschaft wechseln, den sie zuvor kontrollierten. Darüber sollte ein zentralisiertes und transparentes Lobbyregister eingeführt und Inhaber von öffentlichen Ämtern dazu verpflichtet werden, vor der Aufnahme ihrer Position detaillierte Angaben zu finanziellen Interessen und früheren Aufgaben, zu machen. Zudem werden strenge Verhaltenskodizes und strenge Sanktionen bei Verstößen empfohlen.

Bonn - Protest vor der UN Klimakonferenz in Bonn
Protest vor der Klimakonferenz in Bonn gegen den Einfluss der fossilen Industrie auf die PolitikBild: DW/G. Rueter

Bezogen auf die Klimaverhandlungen und der möglichen Einflussnahme empfehlen die Autoren klare Leitlinien zur Förderung von Transparenz und Leitlinien für Entscheidungsträger, damit Interessenkonflikte vermieden werden.

Als ein Beispiel wie verzerrende Einflussnahme verhindert werden kann, nennt Pascoe Sabido von der Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory, die sich für Transparenz und gegen Privilegierung bestimmter Gruppen einsetzt, den Umgang mit der Tabaklobby in einigen Gremien. "Die Weltgesundheitsorganisation hat hier einen globalen Vertrag unterzeichnet. Dieser besagt, dass wir eine Firewall zwischen der Tabakindustrie und den Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens haben müssen. Bei Treffen zum Thema Gesundheitspolitik in den Niederlanden ist deshalb beispielsweise die Tabaklobby ausgeschlossen."

 

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion