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Politik

Westbalkan-Gipfel: Bulgariens Mutprobe

14. Mai 2018

Es wird geputzt, poliert, saniert: Bulgarien will sich von seiner besten Seite zeigen. Die Aufregung vor dem EU-Gipfel steigt: zumindest unter den Politikern. Für die Menschen auf der Straße ist das mehr Schein als Sein.

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Bulgarien Sofia Tagungsort des EU-Gipfels
Sofia bereitet sich auf den EU-Westbalkan Gipfel am 17. Mai vorBild: DW/R. Breuer

Bulgarische und europäische Flaggen wehen überall, Musik ertönt aus allen Ecken, in den Parks riecht es nach frisch gemähtem Gras. Unter dem Motto "Europa tanzt" organisiert die Stadt eine Feier im Zentrum von Sofia. Eine von vielen in diesen Tagen. Sofia stimmt sich auf den EU-Westbalkan-Gipfel am 17. Mai ein. Es ist der Höhepunkt der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft und mit das wichtigste europäische Ereignis auf der Agenda von Ministerpräsidenten Boiko Borissow. Für viele Menschen in Bulgarien ist das bevorstehende Treffen jedoch nur ein weiteres Stelldichein ihrer gewählten Repräsentanten mit viel Glamour, aber ohne konkrete Maßnahmen, um die Probleme im Land anzugehen. In einer Sache erhält die bulgarische Regierung jedoch nicht nur in Brüssel, sondern auch Zuhause viel Zustimmung - in den Bemühungen um die EU-Integration des westlichen Balkans.

Der Balkan - wieder oben auf der Brüsseler Agenda

"Einigkeit macht stark" ist das Motto der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte. Einigkeit nicht nur zwischen den EU-Staaten, sondern auch im Hinblick auf den Westbalkan. Es vergeht kaum eine Konferenz im Rahmen der Ratspräsidentschaft, auf der diese regionale Bezeichnung nicht mehrfach erwähnt wird. Die Botschaft ist in Brüssel angekommen - dafür hat Bulgarien konsequent gesorgt. Nachdem Jean-Claude Juncker 2014 den EU-Erweiterungsstopp verkündet hatte, setzt er sich jetzt tatkräftig dafür ein. Mit Albanien und Mazedonien sollen die Beitrittsverhandlungen im Sommer beginnen. Montenegro hat bereits 33 von 35 Kapiteln eröffnet, Serbien derzeit 12. 

EU-Westbalkan Gipfel in Sofia

Mehrheitlich unterstützen die Bulgaren diesen Annäherungsprozess und sehen ihr Land als Vermittler und Anwalt für die EU-Integration der Region. "Ich finde die derzeitige Politik gegenüber den Balkanstaaten gut. Wir haben uns in der Geschichte lange genug gegenseitig bekämpft, es ist Zeit, dass wir uns zusammentun und an einem Strang ziehen. Ich glaube, wenn es auf dem Balkan Frieden gibt, wird es auch Europa gut gehen", sagt der 33-jährige Petar Kremenski aus Sofia.

Auch Nikolay Dragov glaubt, dass Bulgarien eine erfolgreiche Politik gegenüber den Nachbarländern führt, doch der Fokus soll nicht nur nach Außen gerichtet sein. "Es beunruhigt mich, dass die bulgarischen Regierenden der Meinung sind, dass sie mit dem Abschluss der EU-Ratspräsidentschaft ihre Arbeit getan haben. Dabei haben wir innenpolitisch weiterhin sehr schwierige Aufgaben zu lösen, zum Beispiel die Justizreform, die Auswanderung junger Menschen, das Misstrauen der Bürger gegenüber den Institutionen."

Aus der Sicht der investigativen Journalistin Katya Ilieva entspricht die pro-westliche Einstellung und die Offenheit gegenüber den EU-Institutionen nicht dem, was internationale Analysen über Bulgarien sagen. "Reporter ohne Grenzen schiebt Bulgarien auf Platz 111, schlechter als im Vorjahr. Die Organisation weist auf die Defizite der Medienlandschaft hin, spricht von einer Person, die den Medienmarkt beherrscht, von dem Monopol bei der Distribution, von der Autozensur und dem Druck. Die Regierenden bleiben taub und blind für diese Kritik. All diese Gipfeltreffen sind nur für eine Medienkampagne in ihrem eigenen Interesse da", kritisiert Katya Ilieva. 

Dankbarkeit und Lob von den Nachbarn 

Während die Bulgaren eher die innenpolitischen Misserfolge betonen, als die außenpolitischen Erfolge zu loben, kommt von den Nachbarn nur Anerkennung. Spirko Lazarovski kommt aus Mazedonien. Er lebt und arbeitet seit 2003 in Sofia. "Ich denke, dass der bulgarische und der mazedonische Ministerpräsident gut zusammenarbeiten. Diese Politik ist eine gute Grundlage für die Zukunft. Ich sehe, wie sich die Menschen beider Länder gegenseitig besuchen und gute Beziehungen pflegen", sagt Spirko Lazarovski.

Für den Serben Danilo Curcic ist Bulgarien ein Vorbild für sein Land: "Es ist eine gute Sache, dass sich Bulgarien für die Integration des Balkans einsetzt. Das ist vor allem für die jungen Menschen in der Region gut, die gemeinsame Projekte umsetzen und gemeinsam ihre Zukunft gestalten können. Wenn man gute nachbarschaftliche Beziehungen unterhält, wirkt sich das auch positiv auf die Lebensbedingungen aus", sagt Danilo Coric, der seit einem Jahr in Bulgarien arbeitet. 

Bulgarien Sofia Katya Ilieva Journalistin
Journalistin Katya Ilieva: "Große Defizite in der Medienlandschaft"Bild: DW/R. Breuer

Das Ende der Ratspräsidentschaft - und was dann? 

Am 30. Juni endet die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft. Diese Aufgabe prägte die Regierungsarbeit der vergangenen Monate maßgeblich. Wenn die ausländischen Kameras nicht mehr da sind und die internationalen Staatsgäste weniger werden, hoffen viele Bulgaren, dass sich ihre Politiker wieder dem eigenen Land zuwenden und dringend notwendige Reformen vorantreiben.

Denn es könnte ungemütlich für die Regierenden werden. Die oppositionelle BSP (Bulgarische Sozialistische Partei) hat bereits Anfang Mai den Rücktritt des Boiko Borissow gefordert. Der Koalitionspartner Vereinigte Patrioten ist innerlich zerrissen und geht auf Distanz zu Borissows Partei GERB, Premier und Präsident liefern sich fast täglich einen verbalen Schlagabtausch über die Medien. Es wird ein heißer Sommer in Bulgarien - unabhängig von den Wettervorhersagen.  

DW Mitarbeiterportrait | Rayna Breuer
Rayna Breuer Multimediajournalistin und Redakteurin