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Ein Arbeitsklima wie im Treibhaus

Rafael Heiling29. November 2004

Wer im Glashaus sitzt, sollte ein T-Shirt anziehen. Denn Hochhäuser mit Glasfassade gelten als umweltfreundlich – in Wirklichkeit brauchen viele dicke Kühlanlagen. Nun sind die Experten uneins, ob Glas als Fassade taugt.

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Glas lässt Licht rein - manchmal zu vielBild: dpa

Fast jedes Unternehmen oder Altersheim, das etwas auf sich hält, baut sich einen luftigen Glaspalast. Und Architekten wie Helmut Jahn, Norman Foster und Renzo Piano finden, dass Glas einen echten Sprung nach vorne bedeutet. In vielen Bauten schwitzen die Büroarbeiter trotzdem - vor die Arbeit haben die Architekten den Schweiß gesetzt.

Klimaanlagen müssen Hitzezonen entschärfen

Sir Norman Fosters, Swiss RE Gebäude
Gurke aus Glas: das Gebäude der Versicherung Swiss Re in London, entworfen von Sir Norman FosterBild: Martin Rütschi dpa

"Glas ist ein Energiesammler", erklärt Werner Eicke-Hennig vom Darmstäder Institut für Wohnen und Umwelt. "Es heizt sich auf. Das nutzen wir ja im Wintergarten oder im Treibhaus." Manche Turmbauten mit Glashaut seien nichts anderes. Nur, dass darin gearbeitet werden müsse. "Dann erkauft man sich das gute Innenklima mit einem enormen Kühlaufwand."

Das kostet Strom. Viel Strom. Eicke-Hennig hat 24 moderne Glasgebäude untersucht. Das Ergebnis: In einem Jahr wurden zwischen 500 und 1000 Kilowattstunden pro Quadratmeter verbraucht. "Das Bundeswirtschaftsministerium gibt 100 Kilowattstunden als Richtschnur vor", sagt der Darmstädter. Veröffentlichen müssten Bauherren die Werte aber nicht.

Doppelte Schicht hilft auch nicht

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Riesig und mit reichlich Glas: Das Hotel Burj al-Arab in Dubai

Eicke-Hennig hat im Sommer 2003 in manchen Gebäuden 50 bis 55 Grad gemessen – da werde eben eine potente Klimaanlage eingesetzt, um Wohlfühl-Temperaturen schaffen.

Denn die so genannte Glas-Doppelfassade habe wenig geholfen: Dabei zieht sich um die Hausfassade noch eine Glasschicht. Zwischen beidem ist eine 50 Zentimeter breite Pufferzone. Und über Öffnungen in der Außenhülle könnten die Büromitarbeiter ganz natürlich lüften, umweltfreundlich und ohne Klimaanlage.

Kühl, aber dunkel

"Diese Doppelfassaden funktionieren bei großen Gebäuden fast nie", sagt Heiko Fechner vom Institut für Bauklimatik an der Technischen Universität Dresden. "Weil man nicht garantieren kann, wohin die Luft strömt. Man bräuchte für jedes Fenster eine wind- und temperaturabhängige Regelung." Bei riesigen Hochhäusern sei das viel zu viel Aufwand.

Also kämpfen die Architekten mit den warmen Strahlen. Mehr oder weniger erfolgreich. Im "Rundling" im Duisburger Technologiepark tragen die Mitarbeiter Sonnenbrillen. Und im Zentrum für Zahnheilkunde in Zürich könne man im Sommer die heißen Chrom-Geländer nicht anfassen, erzählt Eicke-Hennig. Dagegen ist in einem Gebäude des Berliner Bauministeriums das Sonnenschutzglas so dunkel, dass den ganzen Tag das Licht brennt.

Eine Sonnenbrille fürs Haus

RWE AG
Die Firmenzentrale der RWE in Essen - mit Doppelfassade aus GlasBild: AP

Was tun? Fechner schlägt Sonnenschutzglas vor, das in dunklen Zeiten durchsichtiger ist als bei Sonnenschein: "Im Winter brauchen Sie schließlich jeden Sonnenstrahl, den Sie kriegen können." Eicke-Hennig entgegnet, das Schutzglas bringe auch nichts: "Es heizt sich auf, auch wenn Sonnenschutz drin ist." Manche Gebäude werden mit kaltem Wasser gekühlt, Markisen oder Jalousien wären die teurere Lösung.

Allerdings sind wirft man offenbar nicht in allen Glasgebäuden die Energie zum Fenster raus. "Weh tun vor allem die Objekte, bei denen mit kleinem Budget große Architekten nachgemacht werden", sagt Eicke-Hennig.

Eine Sache von Sorgfalt und Geld

Dieser Ansicht ist auch die Firma Gartner in Gundelfingen – sie hat unter anderem die Fassade für das höchste Haus der Welt in Taiwan, "Taipeh 101", und für den Neubau des Museum of Modern Arts in New York geliefert. Ein Firmensprecher betont, es gebe natürlich schwarze Schafe. Doch wenn man die Doppelfassade richtig konstruiere, funktioniere sie.

Auch im RWE-Turm und im Düsseldorfer Stadttor - Eicke-Hennig habe dort eben bloß im extrem heißen Sommer 2003 gemessen. Ganz ohne Klimaanlage komme man aber nicht aus.

High-Tech-Trend und neue Einblicke

Während Gartner weltweit einen Trend zur gut gemachten Glasfassade sieht, sollte nach Eicke-Hennigs Ansicht bald damit Schluss sein. "Man muss Glas wieder bescheiden einsetzen, eben zur Belichtung." Außerdem würden die Menschen etwas Privatsphäre gewinnen: "Was ich durch die Glaswände alles gesehen habe! Menschen, die sich mit Büroklammern die Ohren säubern. Oder Jacken mit kaputtem Innenfutter."