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Charles Darwins wichtigste Reise und aufrüttelndste Inspiration

24. August 2009

Meeresechsen, zahme Vögel, Riesenschildkröten - verwundert über die einzigartige Tierwelt der Galapagos-Inseln kam Darwin eine Idee, mit der er später die größte intellektuelle Revolution der Menschheit anzettelte.

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Fliegender Galapagos Albatros
Bild: AP

Schon das tierische "Begrüßungskomitee" wird Darwin verwundert haben: Albatrosse werden am 15. September 1835 wohl die Ersten gewesen sein, die die nahende "HMS Beagle" inspizierten. Höchst ungewöhnlich, denn Albatrosse halten sich von den Tropen eigentlich fern - in warmen Gewässern finden sie nicht genug zu fressen. Sie leben eigentlich im kalten, stürmischen Südatlantik und Südpazifik. Warum hier in den warmen Tropen?

Fliegender Galapagos Albatros Flash-Galerie
Bild: AP

Von wegen "warme Tropen"! Als der 26-jährige Theologe und Hobby-Naturforscher bei der Landung seinen Zeh ins unerwartet kalte Wasser steckt, wird ihm klar, dass auf Galapagos vieles anderes ist als erwartet.

"Wenn man bedenkt, daß diese Inseln direkt am Äquator liegen, ist das Klima weit davon entfernt, übermäßig heiß zu sein. Dies scheint hauptsächlich an der einzigartig niedrigen Temperatur der umliegenden Gewässer zu liegen, hierher geführt vom großen südlichen Polarstrom." (Charles Darwin)

Und dieses nährstoffreiche Tiefenwasser wiederum ist verantwortlich für den Artenreichtum rund um den Archipel.

Der Galapagosalbatros (Phoebastria irrorata) ist die einzige Art aus der Albatros-Familie, die in den Tropen vorkommt. In den kalten, nährstoffreichen Gewässern rings um die Inselgruppe findet er genug Tintenfische, Sardinen und Krebse.

Oder aber er macht es sich einfach und jagt den Tölpeln systematisch deren Beute ab. Kein Kleptomane, aber ein so genannter Klepto-Parasit - die wissenschaftliche Bezeichnung für Wegelagerer.

Meeresechsen auf Lavagestein
Bild: Charles Darwin Research Station

Schwarzer, vulkanischer Untergrund, davor ein bis zu 1,3 Meter großes Wesen, das mit seinem Drachenkamm, seiner schuppigen, vielfarbigen Haut und seinen kräftigen, krallenbewehrten Zehen der Urzeit entsprungen zu sein scheint.

Doch dieser Eindruck täuscht. Meeresechsen (Amblyrhynchus cristatus), die auf den Galapagosinseln mit einer einzigen Art vertreten sind, sind friedliche Pflanzenfresser und erdgeschichtlich junge Vertreter.

Sie sind die einzigen Echsen auf der Welt, die im Meer tauchen. Sie schaffen es bis in eine Tiefe von 15 Metern, wo sie Algen und Tange von den Felsen knabbern. Nach einer halben Stunde im kalten Salzwasser müssen sich die wechselwarmen Taucher allerdings dringend wieder in der Sonne aufwärmen. Dabei hilft ihnen ihre dunkle Hautfärbung.

Das überschüssige Salz, das sie mit der Nahrung aufgenommen haben, scheiden die Echsen über besondere Drüsen an den Nasenlöchern wieder aus.

Seelöwen am Strand Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

Arglos und zutraulich: die Galapagos-Seelöwen (Zalophus wollebaeki). Sie scheinen vergessen zu haben, dass einige ihrer Vorfahren von hungrigen Seefahrern und Piraten verspeist wurden. Der mangelnde Fluchtreflex hat sich in den fünf Millionen Jahren der - meist- ungestörten Abgeschiedenheit entwickelt.

Dass sich die Seelöwen hier auf weichem Sand von der Sonne verwöhnen lassen können, ist nicht die Regel. Meist müssen sie mit spitzem Lava-Gestein vorlieb nehmen. Sandstrände sind im Galapagos-Archipel kaum vorhanden.

Der Galapagos-Seelöwe hat eine länglichere und spitzere Schnauze als der Kalifornische Seelöwe. Forscher des Instituts für Genetik der Universität Köln, des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön und der Universität Bielefeld fanden in einer molekulargenetischen Studie heraus, dass sich der Stammbaum der beiden Arten bereits vor mehr als zwei Millionen Jahren trennte.

Heute leben etwa 50.000 Galapagos-Seelöwen im Archipel.

Tölpel Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

Drei von weltwelt neun Tölpelarten bewohnen die Galapagos-Inseln: der Blaufuß-, der Rotfuß- und der Maskentölpel. Ihren Namen verdanken die Tölpel ihrer scheinbaren Ungeschicklichkeit an Land. Dabei sind sie gewandte Flieger und spektakuläre Sturztaucher auf der Jagd nach Beute.

Vielleicht war es aber auch ihre Neugierde und Arglosigkeit, die englische Seefahrer dazu anstiftete, die putzigen Meeresvögel "Einfaltspinsel" ("boobies") zu taufen.

Oder aber sie haben die Tölpel immer wieder dabei beobachtet, wie sie übertölpelt wurden - und sich von Galapagos-Albatrossen und Fregattvögeln ihre erbeuteten Fische haben abjagen lassen.

Blaufußtölpel Sula nebouxii excisa
Bild: Eva Hejda http://fotos.naturspot.de/

Auf seine blauen Füße ist der Blaufußtölpel (Sula nebouxii) zu Recht stolz, denn wer als Tölpel die blauesten Füße hat, hat gute Karten. Schließlich geht im komplizierten Balzverhalten der Blaufußtölpel nichts ohne die schmucken Flossen.

"Er" zeigt "ihr" seine blauen Schwimmfüße und schiebt ihr dabei kleine Geschenke in Form von Nistmaterial zu; bei jedem Lande-Anflug versäumt "er" nicht, "ihr" mit seinen blauen Fußsohlen neckisch zu zu winken.

Auch bei Tölpeln sind die Spielregeln klar: Weibchen bevorzugen Männchen mit kräftig blau gefärbten Füßen und verschmähen Männchen, deren Füße nur matt graublau aussehen.

Aber warum?

Blaue Füße haben nur gut genährte Tölpel, sind also schon mal ein gutes Indiz bei der Auswahl des vielversprechendsten Partners.

Der Grund: die Blaufärbung kommt durch besondere Farbstoffe, so genannte Carotinoide, zustande, die die Vögel mit ihrer Nahrung aufnehmen. Fangen die Tölpel zum Beispiel zwei Tage lang keine Krebse, werden ihre Füße blass.

Fregattvögel auf Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

Die Fregattvögel sind die Piraten der Lüfte. Extrem fluggewandt und nicht minder geschickt darin, andere erfolgreiche Fischer so lange zu drangsalieren, bis diese die mitgebrachte Beute hervorwürgen oder fallenlassen.

Ihre enorme Wendigkeit verdanken sie ihrem Leichtgewicht: Bei einer Flügelspannweite von bis zu zweieinhalb Metern bringen die erwachsenen Vögel nur zweieinhalb Kilogramm auf die Waage.

Zwei Arten sind auf den Galapagos-Inseln beheimatet: der Bindenfregattvogel (Fregata minor) und der Prachtfregattvogel (Fregata magnificens). Zur Balzzeit geraten die schwarzen Männchen beim Anblick jedes Weibchens in helle Aufregung, füllen ihren leuchtend roten Kehlsack und zeigen sich so von ihrer prachtvollsten Seite.

Vulkan Landschaft Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

Die Galapagos-Inseln wurden von den ersten Seefahrern als die "Verzauberten Inseln" (Islas Encantadas) bezeichnet, da niemand so weit draußen im Ozean noch Inseln vermutet hätte. Die Inselgruppe besteht aus 14 größeren und über 100 kleineren Inseln, die allesamt vulkanischen Ursprungs sind.

Die Erde unter dem Archipel ist unruhig - selbst heute noch. Der Vulkan Cumbre auf der Insel Fernandina brach zuletzt im April 2009 aus.

Landschaft Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

In den wenigen Wochen, in denen die "HMS Beagle" im Archipel vor Anker lag, stromerte Charles Darwin kreuz und quer über die Inseln und machte eine erstaunliche Entdeckung nach der anderen.

"Es fiel nur sehr wenig Regen, und selbst dann fällt er unregelmäßig; doch die Wolken hängen für gewöhnlich niedrig. So kommt es, daß, während die tiefer gelegenen Teile der Inseln sehr unfruchtbar sind, Höhenlagen von tausend Fuß und höher ein feuchtes Klima und einigermaßen üppige Vegetation aufweisen." (Charles Darwin)

Landleguan Drusenkopf auf Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

Genau so wird einer seiner Vor-Väter auch Charles Darwin frech angeschaut haben: männliche Drusenköpfe (Conolophus subcristatus) lieben es, gut sichtbar auf einem Felsblock zu thronen und ihr Revier zu markieren. Das sind sie schließlich ihrem Weibchen schuldig, mit dem sie in enger Verbundenheit leben.

Drusenköpfe sind Land-Leguane, die nur auf Galapagos leben. Sie werden etwa 1,25 Meter lang.

Der Name Drusenkopf kommt von den zahlreichen kleinen zäpfchenartigen Schilden, mit denen sein Kopf wie eine Kristalldruse von innen gepanzert ist.

Der junge Charles Darwin war von der eigenwilligen Reptilien-Schönheit nicht gerade angetan:

"Sie sind hässliche Tiere, von einem gelblichen Orange unten und einer bräunlich-roten Farbe oben: der geringe Winkel zwischen der Linie vom Nasenloch zum Ohr und jener von der Mundöffnung zum vordersten Teil der Stirn gibt ihnen eine außerordentlich dümmliche Erscheinung."

Landleguane Drusenköpfe auf Lavagestein
Bild: Charles Darwin Research Station

Die Drusenköpfe im Landesinneren und die ebenfalls endemischen Meerechsen sollen übrigens von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, der von Südamerika aus auf Baustämmen zu den Galapagos-Inseln verdriftet wurde.

Der Drusenkopf galt bei vielen Demonstranten und Gesellschaftskritikern des 20. Jahrhunderts als ein Symbol des politischen Widerstandes und der außerparlamentarischen Opposition.

Nationalpark Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

Rote Eisenkrautgewächse, Feigenkakteen, Baumopuntien: viele Pflanzen in den bunten Landschaften wachsen nur hier.

Ganz im Sinne von Charles Darwin steht dieses einzigartige Labor der Evolution schon seit Jahrzehnten unter Schutz. Der Nationalpark Galapagos wurde 1959 gegründet, anlässlich der 100-Jahr-Feier der Veröffentlichung des ersten Buches von Charles Darwin.

Riesenschildkröte Galapagos
Bild: Charles Darwin Research Station

Sie gab den Galapagos-Inseln ihren Namen: die Riesenschildkröte (Chelonoidis nigra), die sich in elf Unterarten an die unterschiedlichen Bedingungen auf den verschiedenen Inseln des Archipels angepasst hat .

Je nach Unterart und Biotop ernähren sich die großen Reptilien von Gräsern, Kräutern, Kletterpflanzen, Büschen, Beeren, Flechten und Kakteen. Besonders mögen sie Opuntien.

Galapagos-Riesenschildkröten werden oft sehr alt. So verstarb "Harriet" - angeblich eine der vier Schildkröten, die mit Charles Darwin auf der "Beagle" mit nach Europa und später nach Australien segelte - im Juni 2006 im beeindruckenden Alter von vermutlich 176 Jahren.

Riesenschildkröten haben schmackhaftes Fleisch und wurden deshalb von Seefahrern lange als lebende Fleischkonserven missbraucht. In den letzten zwei Jahrhunderten wurden schätzungsweise 100.000 bis 200.000 Tiere getötet. Vier der einst 15 Unterarten wurden komplett ausgerottet.

Heute leben vermutlich noch 12.000 bis 15.000 Tiere im Archipel.

Charles Darwin Forschungsstation
Bild: Charles Darwin Research Station

Die Riesenschildkröte ist nicht ohne Grund das Wappen-Tier der Charles Darwin Research Station. Seit 1960 haben die Mitarbeiter über 2500 Jungtiere nachgezogen und im Alter von drei bis fünf Jahren ausgewildert.

Die Station, an der übrigens auch deutsche Forscher arbeiten, bekämpft auch die Ausbreitung neuer, eingeschleppter Tier- und Pflanzenarten. Vor allem Schweine, Ziegen, Katzen und Ratten bedrohen den Bestand der Riesenschildkröten, da sie deren Ei-Gelege plündern und Jungtiere verschlingen.

Im Juni 2007 setzte die UNESCO die Galapagos-Inseln auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes.

Realisation: Uli Wolpers

Redaktion: Judith Hartl