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Die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen

5. Mai 2010

Außenpolitische Konsequenzen der Einheit verhandelten die beiden Deutschlands mit den Siegern des Zweiten Weltkriegs - vor 20 Jahren begannen die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen. Eine zentrale Frage: Wo endet Deutschland?

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Die Außenminister (v.li.)Schewardnadse (UdSSR), Dumas (Frankreich), Meckel (DDR), Genscher (Bundesrepublik), Hurd (GB) und Baker (USA) in Bonn bei der ersten Runde der "Zwei-plus-Vier"-Konferenz (Foto: dpa)
05.05.1990 in Bonn: Die Außenminister (v.li.)Schewardnadse (UdSSR), Dumas (Frankreich), Meckel (DDR), Genscher (Bundesrepublik), Hurd (GB) und Baker (USA)Bild: picture-alliance/dpa

Auf die Bezeichnung "Zwei plus Vier" hatte der westdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher gedrungen. Die beiden deutschen Staaten wollten nicht am Katzentisch einer alliierten Konferenz sitzen, wenn über das Schicksal der Deutschen gesprochen wurde, sondern als gleichberechtigte Verhandlungspartner.

Die beiden deutschen Außenminister Markus Meckel (l, SPD) aus der DDR und Hans-Dietrich Genscher (FDP) aus der Bundesrepublik Deutschland bei ihrem ersten Treffen am 24.04.1990 in Bonn (Foto: picture alliance/dpa)
Die deutschen Außenminister Meckel (li, Ost) und Genscher (re, West)Bild: picture alliance/ dpa


Die neue europäische Ordnung sollte auch nicht mit einem Friedensvertrag besiegelt werden, weil man dann mit mehr als 100 ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands langwierig hätte verhandeln müssen. Stattdessen sollte es einen Vertrag mit den vier Alliierten geben, die seit 1945 in Deutschland (und damit in den beiden deutschen Staaten) Hoheitsrechte besaßen: England, Frankreich, die Sowjetunion und die USA.

Vorbereitungen in Ottawa

In den Verhandlungen sollten sämtliche Grenzfragen, die Bündniszugehörigkeit des vereinten Deutschland und die Truppenstärke geregelt werden. Während der "Open Skies" - Verhandlungen zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt in der kanadischen Metropole Ottawa, bei denen es eigentlich um die gegenseitige Luftraumüberwachung ging, hatten sich die Deutschen und die Alliierten darauf verständigt, die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zu beginnen.

Auftakt in Bonn

05.05.1990 in Bonn: Die Außenminister Genscher (D, li.) und Meckel (DDR, re.) mit ihren Kollegen Dumas (F) sowie Baker (USA) und Hurd (GB) (Foto: picture alliance/dpa)
05.05.1990 in Bonn: Die Außenminister Genscher (D, li.) und Meckel (DDR, re.) mit ihren Kollegen Dumas (F) sowie Baker (USA) und Hurd (GB)Bild: picture alliance/ dpa

Erste Station ist Bonn. Am 5. Mai 1990 empfangen die beiden deutschen Außenminister Hans Dietrich Genscher (West) und Markus Meckel (Ost) ihre Amtskollegen aus England, Frankreich, der Sowjetunion und der USA. Es beginnt ein Verhandlungsmarathon, der nach außen weniger streitig aussieht, als er tatsächlich ist.

Soll Deutschland neutral werden?

Die Deutschen hatten sich früh darauf festgelegt, eine von der Sowjetunion geforderte Neutralität nach Schweizer Vorbild nicht zu akzeptieren. Darin werden sie unterstützt von den USA, wie sich Markus Meckel erinnert: "Für die Vereinigten Staaten war völlig klar - eine NATO ohne Deutschland hätte wenig Sinn gemacht. Deshalb war die Souveränität, selbst zu entscheiden, welchem Bündnis man angehört, die zentrale Frage für die Amerikaner."

Die Sowjetunion rückt von ihrer Forderung nach einer deutschen Neutralität ab, nachdem Staatspräsident Michail Gorbatschow während eines Staatsbesuchs in Washington Ende Mai 1990 dem amerikanischen Präsidenten George H. W. Bush zugestanden hatte, die Deutschen könnten selbst über ihre Bündniszugehörigkeit entscheiden.

Die Oder – Neiße – Grenze

Die Frage der europäischen Grenzen sorgt ebenfalls für schwierige Diskussionen. Besonders die Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen ist in beiden Ländern heftig umstritten. Diese Grenze wurde nach 1945 von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges festgelegt, war von der Bundesrepublik aber nie offiziell anerkannt worden. Allerdings war die Oder-Neiße-Grenze im Warschauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik und Polen vom 7. Dezember 1970 unter dem Vorbehalt einer Änderung im Rahmen einer Friedensregelung als "faktische Westgrenze Polens" anerkannt worden. 1990 war der Zeitpunkt einer Friedensregelung gekommen, aber Bundeskanzler Helmut Kohl zögerte, die Grenze einseitig anzuerkennen. Die polnische Regierung befürchtete aus den Reihen der deutschen Heimatvertriebenen Revisionsgelüste.


Deutsche Ostgrenze als westdeutsche Frage

12.09.1990 in Moskau: Die Außenminister (v.li.) James Baker (USA), Douglas Hurd (GB), Eduard Schewardnadse (UdSSR), Roland Dumas (F) sowie Ministerpräsident Lothar de Maiziere (DDR) und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (D) bei der Unterzeichnung des 2plus4-Vertrages. (Foto: AP)
12.09.1990 in Moskau: Die Außenminister (v.li.) Baker (USA), Hurd (GB), Schewardnadse (UdSSR), Dumas (F) sowie Ministerpräsident de Maiziere (DDR) und Bundesaußenminister Genscher (D) bei der Unterzeichnung des 2plus4-Vertrages.Bild: AP
Die Außenminister Hans-Dietrich Genscher (li) und Krystof Skubiszewski (re) am 14. November 1990 in Warschau nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages zur Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. In der Mitte der polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki (Foto: picture alliance/dpa)
14.11.1990 in Warschau: Die Außenminister Genscher (D, li) und Skubiszewski (Pl, re) nach der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. In der Mitte Ministerpräsident MazowieckiBild: picture-alliance/ dpa

Für den Ostdeutschen Markus Meckel ist die Haltung unverständlich, er will die Oder-Neiße-Grenze ohne jede Einschränkung anerkennen: "Für uns war wichtig die Anerkennung der Grenze nicht als Preis der deutschen Einheit, wie Helmut Kohl das formulierte, sondern in eigener Souveränität als klare Folge des Zweiten Weltkriegs und all des Furchtbaren, das von Deutschland ausgegangen war."

Schließlich werden die Oder-Neiße-Grenze und alle anderen Grenzen in Europa anerkannt. Die Verhandlungen dauern bis in den Spätsommer und finden mit der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 12. September 1990 in Moskau ein gutes Ende.

Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Hartmut Lüning