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500 Frauen bei Ligaspiel in Teheran

Thomas Klein | Farid Ashrafian | Jonathan Crane
26. August 2022

Nach 40 Jahren dürfen erstmals auch weibliche Fans ein Ligaspiel im Iran besuchen. Doch dieses "historische Ereignis" wirkt wie ein Versuch des Verbandes, einer Suspendierung durch die FIFA aus dem Weg zu gehen.

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Rund 500 weibliche Fans durften erstmals zu einem Ligaspiel im Iran
Rund 500 weibliche Fans durften erstmals zu einem Ligaspiel im IranBild: khabarvarzeshi.com

Sie tragen blau-weiße Hüte, haben sich die Fahne ihres Vereins Esteghlal Teheran umgehängt und manche haben sich die Nummer ihrer Lieblingsspieler auf die Wangen gemalt. Bereits vor dem Anpfiff des Ligaspiels zwischen Esteghlal und Mess Kerman machen die weiblichen Fans vor dem Stadion ordentlich Stimmung. Es ist das erste Mal seit über 40 Jahren, dass es Frauen erlaubt ist, ein Fußballspiel in der Liga zu besuchen. Ein Sprecher des iranischen Sportministeriums hatte am Mittwoch angekündigt, den Frauen stünden rund 28.000 Eintrittskarten zur Verfügung.

Zum Anpfiff waren es dann allerdings nur 500, denn die iranische Führung hatte es zuvor nur ausgewählten Frauen ermöglicht, Karten zu kaufen. Darunter viele Ehefrauen der Spieler. Andere, wie Esteghlal-Fan Sara (Name von der Redaktion geändert) von "OpenStadiums", einer Gruppe, die sich für einen besseren Zugang zu Sportveranstaltungen für Frauen im Iran einsetzt, hatten keine Chance auf eine Karte. "Ich bin neidisch und traurig, dass ich keine Tickets kaufen konnte. Es waren zu wenige Tickets, die verkauft wurden. Und viele davon sind an Verwandte gegeben worden."

Zwei iranische Polizeibeamtinnen kontrollieren die Eintrittskarten
Zwei iranische Polizeibeamtinnen kontrollieren die EintrittskartenBild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

Andere Fans kritisierten ebenfalls die Kartenvergabe. Das Kontingent von 500 Eintrittskarten sei extrem knapp bemessen und diskriminierend. Zudem sei der Zugang zu diesen Karten sehr intransparent und dubios gestaltet worden. Auch für IRIB-Radio-Sportreporterin Maedeh Alaghemand aus Teheran, kann dieses Spiel nur der Anfang sein. "Für den Auftakt muss man es in dieser Form notgedrungen akzeptieren - mit den 500 Zuschauerinnen. Es ist jedoch für die nächsten Spiele in der Liga nicht hinnehmbar, wenn es dabei bleibt", betont sie gegenüber der DW.

Das "Blaue Mädchen"

Auch Sahar Khodayari hat den Fußball geliebt, besonders ihren Verein Esteghlal Teheran. 2019 hatte die damals 29-Jährige sich als Mann verkleidet und mit langem Mantel sowie einer blauen Fan-Perücke ins Azadi-Stadion in der iranischen Hauptstadt Teheran geschlichen. Frauen war es damals nicht erlaubt ins Stadion zu gehen, da der Anblick halbnackter Männer von dem Mullah-Regime, das 1979 die Macht im Iran übernommen hatte, als Sünde eingestuft wurde.

Khodayari wurde dementsprechend im Anschluss an das Spiel wegen "mangelnder islamischer Bekleidung und Widerstand", verhaftet. Sie musste für drei Tage ins Gefängnis und wurde wegen des "Verstoßes gegen das Keuschheitsgebot, sittenwidrigen Benehmens und Beleidigung der Ordnungskräfte", angeklagt. Nachdem sie nach drei Tagen bis zur Hauptverhandlung freigelassen wurde, traf Khodayari eine dramatische Entscheidung.

Sie stellte sich vor das Teheraner Revolutionsgericht, übergoss sich mit Benzin und zündete sich an. Zwar versuchten heraneilende Passanten das Feuer zu löschen, doch sie erlag später ihren schweren Verbrennungen. Die Beerdigung fand ohne das Beisein ihrer Familie außerhalb ihres Geburtsortes in Qom statt. Eine Trauerfeier wurde vom Regime verboten, genauso wie die Berichterstattung über den Fall. Die Geschichte Khodayaris ging wegen den Vereinsfarben von Esteghlal Teheran als das "Blaue Mädchen" in den sozialen Medien viral. Sie wurde so zu einem Symbol des Protestes gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran. Auch die FIFA reagierte und erklärte damals: "Wir fordern die iranischen Behörden erneut auf, die Freiheit und Sicherheit aller Frauen zu gewährleisten, die an diesem legitimen Kampf zur Beendigung des Stadionverbots für Frauen in Iran beteiligt sind."

Pfefferspray-Einsatz gegen Frauen

Enttäuschte Frauen standen bis zum Spielende vor den verschlossenen Toren
Enttäuschte Frauen standen bis zum Spielende vor den verschlossenen TorenBild: Mohadese Zare/ISNA.ir

FIFA-Boss Gianni Infantino war 2019 in den Iran gereist und hatte im persönlichen Gespräch mit dem damaligen Staatspräsidenten Hasan Rohani und Ex-Verbandspräsident Mehdi Taj unmissverständlich angemahnt, dass Frauen uneingeschränkten Zugang zu allen Ligaspielen nebst Länderspielen haben müssten. Schon einmal hatte die FIFA auf die Nicht-Einhaltung der Statuten reagiert und den iranischen Verband suspendiert.

"Das Übergangskomitee, das nach der ersten Suspendierung 2007 von der FIFA eingesetzt wurde, hat den Weltverband bewusst getäuscht", sagt Mohammad Heyrani, ein ehemaliger TV-Sportmoderator im iranischen Staatsfernsehen im Interview mit der DW und ergänzt: "Entgegen der Vorgabe der FIFA wurde seinerzeit in der Erstellung der erforderlichen Neufassung der Satzung der nationalen iranischen Fußballföderation (IRIFF) die Einmischung der Politik in die Belange des Verbandes nicht unterbunden." Das iranische Parlament habe die Autonomie der IRIFF zu keinem Zeitpunkt akzeptiert, so der Journalist.

Auf weiteren Druck der FIFA erlaubte der erzkonservative Klerus 2018 zwar, die Stadiontore bei Länderspielen auch für weibliche Fans zu öffnen, doch im April dieses Jahres wurde Frauen der Zutritt zum WM-Qualifikationsspiel zwischen Iran und Libanon erneut verwehrt, obwohl sie gültige Tickets hatten. Schlimmer noch, denn vor dem Stadion sollen Sicherheitskräfte mit Pfefferspray gegen Frauen vorgegangen sein, die auf dem zugesagten Einlass ins Stadion bestanden hatten.

Wird der Iran erneut suspendiert?

Eine erneute Suspendierung des IRIFF schwebt wie ein Damoklesschwert über dem iranischen Fußball. Erneut geht es um die dauerhafte Einmischung der Regierung und des Parlaments in die Belange des Verbandes, sowie die Nichterfüllung der Auflagen des Einlassgebotes der Frauen in die Stadien. "Daher begrüßt gegenwärtig die öffentliche Meinung der Bürgerinnen und Bürger im Iran eine eventuelle Suspendierung des eigenen Fußballs, damit das System grundlegend wieder neu aufgestellt wird", erklärt Heyrani. Der iranische Verband versucht einer Suspendierung zu entgehen. Das "historische Ereignis", der Besuch von 500 Frauen im Azadi-Stadion, wirkt daher eher wie ein PR-Stunt, um die Wogen zu glätten. 

Auch Sara von "OpenStadiums" ist zwiegespalten. "Der Fußball gibt den Menschen Hoffnung, die hier im Land unter schwierigen Bedingungen leben. Und wir nutzen den Fußball als Mittel, um Veränderungen, besonders im Kampf für Frauenrechte, durchzusetzen." Eine erneute Suspendierung wäre, so Sara, aus Sicht der Fans sehr traurig. "Auf der anderen Seite erwarten wir Konsequenzen für diese Menschenrechtsverletzungen von der FIFA."

Der Weltverband reagierte auf DW-Anfrage und lobte die Anwesenheit von weiblichen Fans im Stadion. "Die FIFA hat mit Freude zur Kenntnis genommen, dass einige Frauen gestern ein Ligaspiel in Teheran besuchen durften, und lobt die Fussball- und Regierungsbehörden für diesen Schritt in die richtige Richtung", heißt es in einem Statement. 

Auch für Fußball-Fans wie Sara ist der Besuch von 500 Frauen trotz aller Kritik ein Hoffnungsschimmer. "Der Ticketverkauf muss transparenter werden und der Besuch eines Stadions sollte so normal sein, wie ein Kinobesuch", sagt Sara der DW und verspricht: "Wir werden definitiv weiterkämpfen und mit der FIFA sprechen, damit sie den Druck auf den iranischen Verband weiter hochhalten." In der Stellungnahme der FIFA heißt es, man wolle sich weiterhin dafür einsetzen, dass "alle Mädchen und Frauen, die Fußballspiele in der iranischen Liga besuchen möchten, dies auch in Zukunft tun können."