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Politik

Corona-Krise im Iran verschärft

Shabnam von Hein
28. März 2020

Im Iran wütet das Coronavirus weiter. Die Regierung kann seine Ausbreitung nicht stoppen – die Sorge vor einem totalem Wirtschaftskollaps und Verschwörungstheorien machen sie funktionsunfähig.

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Hauptstädterinnen können nur noch in Lebensmittelgeschäften und Apotheken einkaufen
Hauptstädterinnen können nur noch in Lebensmittelgeschäften und Apotheken einkaufenBild: picture-alliance/Abaca/Parpix

Etwa alle zehn Minuten stirbt im Iran ein Mensch an den Folgen einer Coronavirus-Infektion. Das teilte der Sprecher des iranischen Gesundheitsministeriums, Kianush Dschahanpur, mit. Die offizielle Zahl der infolge der Infektion Gestorbenen stieg inzwischen auf 2.517. In Wahrheit dürfte die Zahl deutlich höher sein, sagt der Notfalldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Rick Brennan. Er schätzt die tatsächliche Zahl der Toten mindestens fünfmal höher. Vergangene Woche hatte er sich im Iran ein Bild von der Lage gemacht.

Nach offiziellen Angaben gibt es nun 35.408 bestätigte Infektionsfälle, Tendenz steigend. Besonders in der Hauptstadt Teheran ist die Zahl der neu Infizierten gestiegen.

Wirtschaft schwer geschädigt

Als Gegenmaßnahme hatte das Gouverneursamt der iranischen Hauptstadt am vergangenen Sonntag die Schließung aller Geschäfte außer Apotheken und Supermärkten angeordnet. Polizeikontrollen sollen außerdem dafür sorgen, dass die verbliebenen Einwohner Teherans zu Hause bleiben. Vier Millionen von ihnen hatten zuvor die Hauptstadt wegen der Frühjahrsferien verlassen.

Provisorisches Krankenhaus in einer Messehalle in Teheran
Provisorisches Krankenhaus in einer Messehalle in TeheranBild: picture-alliance/ZUMAPRESS/R. Fouladi

Viele kleine Dienstleistungsunternehmen wie Reisebüros, Reinigungsfirmen und Friseursalons, sowie Firmen wie Süßigkeitenhersteller, Schuhmacher oder Schneider hatten sich trotz der Wirtschaftskrise gerade noch über Wasser halten können. Sie alle hatten mit den umsatzstarken Tagen vor dem iranischen Neujahrsfest rund um den Frühlingsbeginn am 20. März gerechnet. Auch deshalb hatte die Regierung lange keine Maßnahmen zur Schließung der Geschäfte und Märkte getroffen. 

Provisorisches Krankenhaus in einer Messehalle in Teheran
Geschlossene Geschäfte in TeheranBild: AFP

"Die Corona-Epidemie hat die iranischen Wirtschaft mitten in einer zermürbenden und anhaltenden Krise erwischt", sagt der iranische Wirtschaftsjournalist Arash Hasannia, der in Prag lebt, im Gespräch mit der DW. "Die US-Sanktionen und fehlende ausländische Investitionen hatten die iranische Wirtschaft bereits extrem geschwächt. Nun geht die Otageasnafiran, die Wirtschaftskammer aller Branchen, davon aus, dass zusätzlich 1,6 Millionen Menschen wegen der Corona-Krise ihren Job verlieren könnten."

"Wegen des sinkenden Ölpreises, fehlender Steuereinnahmen und gigantischer Kosten im Gesundheitssystem durch die Epidemie steht die Regierung vor einer enormen Herausforderung", sagt Hasannia. Die iranische Regierung brauche dringend internationale Hilfe.

Verschwörungstheorien statt Strategien

Alle Beamten im Iran mussten von Dienstag an wieder zum Dienst erscheinen, in der Hauptstadt Teheran alleine sind das knapp 300.000 Beschäftigte. Für sie wurden die Ferien nicht verlängert. Landesweit gibt es 2,3 Millionen Staatsdiener, eine Million von ihnen sind in Schul- und Hochschulministerien als Dozenten und Lehrer beschäftigt und haben bis zum 1. April Neujahrsferien. "Wir müssen uns auf die Zeit nach den Schulferien vorbereiten", sagte der iranische Vize-Präsident Eshagh Dschahangiri. Pläne für die Verlängerung der Ferien hat er anscheinend nicht.

Vize-Präsident Eshagh Dschahangiri
Vize-Präsident Eshagh DschahangiriBild: picture-alliance/AA/Presidency of Iran

Ebenso schnell wie das Coronavirus verbreiten sich Verschwörungstheorien im Iran. Der geistliche Führer Ajatollah Chamenei erklärte, die USA hätten das Virus selbst hergestellt, um Feinde wie China oder den Iran zu schwächen. Dazu habe Amerika sogar genetisches Material von Iranern gesammelt, fabulierte Chamenei weiter. Unter solchen Umständen dürfe man keine Hilfsgüter annehmen. Auch sie könnten mit dem Virus infiziert sein.

Tatsächlich lehnte Teheran am Dienstag ein Hilfeangebot der Nichtregierungsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) ab. MSF hatte bereits ein Team von neun Experten in die zentraliranische Stadt Isfahan geschickt und wollte in der besonders hart von der Corona-Krise betroffenen Provinz eine Mini-Klinik mit 50 Betten errichten.

Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei sieht finstere Mächte hinter dem Coronavirus am Werk
Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei sieht finstere Mächte hinter dem Coronavirus am WerkBild: picture-alliance/dpa/Iranian Supreme Leader's Office

"Wir bedanken uns bei MSF. Aber derzeit besteht kein Bedarf für solch eine ausländische Mini-Klinik", twitterte Aliresa Wahabsadeh, Berater und Medienbeauftragter im iranischen Gesundheitsministerium. Der Iran werde mit Hilfe der Armee die mobilen Krankenhäuser für Coronavirus-Infizierte selbst errichten, so der Berater. "Wieder eine leere Behauptung" nennen das wütende Iraner, die nun in sozialen Netzwerken auf Wahabsadeh schimpfen. 

Angesichts des zögerlichen Vorgehens der Behörden warnen sogar iranische Experten vor bis zu 3,5 Millionen Toten infolge der Epidemie.