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Merkel lehnt Impfpflicht ab

13. Juli 2021

Beim Besuch des Robert Koch-Institus in Berlin wirbt die Kanzlerin für das Impfen gegen das Coronavirus. Impfpflichten wie in Frankreich soll es aber in Deutschland nicht geben.

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Deutschland | Merkel besucht Robert-Koch-Institut RKI
Abstand trotz geringer Infektions-Zahlen: Angela Merkel vor ihrem Besuch im Robert-Koch-Institut in Berlin am DienstagBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im renommierten Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin soll in erster Linie eine Art Respektbezeugung für die oberste Seuchen-Bekämpfungsbehörde im Land sein. Seit Frühling des vergangenen Jahres steht das Berliner Institut mit seinen 1100 Mitarbeitern, darunter die Hälfte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, so sehr im Zentrum der Aufmerksamkeit wie noch nie: Das Coronavirus ist der Grund.

"Stolz auf so eine Behörde!"

Stolz sei die Regierung, ein solches Institut zu haben, sagt Merkel deshalb gleich zu Beginn der Pressekonferenz, mit der der knapp zweistündige Besuch am Dienstag endet. Das tut dem vielbeschäftigten Präsidenten der Behörde, Professor Lothar Wieler, sichtlich gut. In der oft hysterisch aufgeheizten öffentlichen Debatte um notwendige Einschränkungen in der Pandemie stand auch Wieler selbst immer wieder in der Kritik. Er nutzt den Merkel-Besuch für einen oft ausgesprochenen Satz, von dem er offenbar hofft, dass er eher gehört wird, wenn die Kanzlerin anwesend ist: "Das Virus macht keine Pause, es gönnt auch uns keine Pause."

Keine Entwarnung trotz geringer Infektionszahlen

Das ist, auf den Punkt gebracht, die Botschaft auch von Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der die Kanzlerin begleitet. Der Sommer ist da, die Menschen sind im Urlaub oder freuen sich darauf, die Infektionszahlen mit dem Coronavirus sind derzeit gering, wenn sie zuletzt auch wieder leicht angestiegen sind. Viele Menschen sind bereits geimpft, Spahn hat die genauen Zahlen parat: 84 Prozent der über 60-jährigen Menschen haben sich mindestens einmal impfen lassen, bei den Bürgern von 12 bis 59 Jahren sind es um die 60 Prozent.

Infografik Corona Impfquote nach Kontinent (11.07.21) DE
Zu Beginn verlief das Impfen in Europa und auch in Deutschland zögerlich, das hat sich geändert. Zahlen von Mitte Juli.

Nachholbedarf bei den Jugendlichen

Vor allem aber bei den viel diskutierten Jugendlichen besteht noch Nachholbedarf, das wissen alle Experten, da sind es gerade einmal um die zwölf Prozent. Und das Tempo des Impfens, das wissen auch Merkel, Spahn und Wieler, hat zuletzt nachgelassen. Es ist Urlaubszeit, die Menschen werden nachlässiger, und vor allem: Bei den noch nicht Geimpften wird naturgemäß der Prozentsatz derjenigen immer höher, die einer Impfung skeptisch gegenüber stehen oder sie gar komplett ablehnen. Wieler fügt an, dass seine Wissenschaftler schätzen, dass ein "hoher einstelliger Prozentsatz" der Menschen in Deutschland sich auf keinen Fall impfen lassen will. 

Bei hohen Ansteckungszahlen immer neue Mutationen

Anders als noch im Frühjahr sind aber Impfdosen reichlich vorhanden. Gleichzeitig breitet sich die neue, hoch ansteckende Delta-Variante des Coronavirus auch in Deutschland immer mehr aus. Zeit also für einen neuen, dringenden Appell. Merkel sagt, überall dort, wo die Infektionszahlen hochschnellen würden, entstünden auch rasch neue Mutationen. Also helfe nur Eines: Impfen, impfen, impfen. Aber die Kanzlerin weiß, dass allein ein Appell von höchster Stelle wenig nutzt. Also fügt sie an: "Manchmal hilft es mehr, wenn vielleicht der eigene Sohn die Bedenken ausräumt. Oder wenn es eine Kollegin ist, die von ihren Erfahrungen mit der eigenen Impfung berichtet. Und deshalb meine Bitte an alle: Sprechen Sie miteinander: In der Familie, am Arbeitsplatz, im Fußballverein."

Symbolbild I Coronavirus I Impf-Müdigkeit
Impfstoffe sind da, was fehlt, sind die Bürger. Ein Impfzentrum im München zu Beginn dieser Woche.Bild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

Spahn: "Es gibt keine Ausreden mehr!"

Bei Spahn klingt dass später schon etwas härter: "Es gibt jetzt keine Ausreden mehr. Impfstoff ist genug da, Termine sind leicht zu bekommen." Über 90 Prozent soll im Herbst die Impfquote der über 60-jährigen betragen, rund 85 Prozent die der 18 bis 59 Jahre alten Menschen. Dann, so die Virologen, ist das Land auch bei neuen Mutationen gut geschützt. Das ist noch ein langer Weg, bei allem Impffortschritt. 

Ein klares Nein zur Impfpflicht

Aber Merkel und Spahn versichern auch: Impfpflichten wie in Italien oder Frankreich wird es in Deutschland nicht geben. Frankreich etwa hat ganz aktuell eine Pflicht zum Impfen für medizinisches Personal eingeführt.Aber die deutsche Regierung hatte von Anfang der Pandemie an betont, dass es eine solche Pflicht nicht geben werde. Spahn will aber an anderer Stelle den Druck auf Impf-Unwillige möglicherweise erhöhen: Er deutet an, dass zumindest die hochwertigen PCR-Tests auf das Coronavirus im Herbst in Deutschland nicht mehr kostenfrei , also quasi auf Staatskosten, erhältlich sein könnten, wenn einige Menschen sich partout nicht impfen lassen wollen. "Ich will nicht ausschließen, dass wir einmal in eine solche Situation hineinkommen, aber noch sind wir nicht da."

Deutschland | Merkel besucht Robert-Koch-Institut RKI
Lothar Wieler präsentiert der Kanzlerin neueste Zahlen zur Entwcklung der Pandemie in Deutschland.Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Kreative Ideen zum Impfen

Geimpft werden soll künftig möglichst kreativ, in Fußgängerzonen, vor Supermärkten, in aller Öffentlichkeit. "Das Impfen kommt zu den Menschen", nennt Wieler das. Noch kreativere Ideen wie die des Ministerpräsidenten des Saarlandes, Tobias Hans (CDU), der  vorschlägt, unter Impfwilligen Preisausschreiben zu veranstalten, ließ Merkel unkommentiert. 

Inzidenz-Wert bald weniger relevant?

Noch unklar ist, welche Rolle der viel diskutierte Inzidenz-Wert in der Pandemie in Deutschland künftig noch spielen wird. Lange war er der Gradmesser für so gut wie alle Entscheidungen der Regierung und der Länder über Beschränkungen oder deren Lockerung. Er gibt an, wie viele Menschen sich unter 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen anstecken, zuletzt lag er niedrig bei rund  sechs Personen. Sind aber große Bevölkerungsgruppen geimpft und damit sehr viel weniger gefährdet, wird der Wert immer weniger relevant.

Mit anderen Worten: Bei einer hohen Impfquote werden die Krankenhäuser auch bei hohen Inzidenz-Zahlen von 100 und mehr nicht mehr so stark belastet. Aber die Pandemie, darauf legt Merkel dann ganz am Ende Wert, wird weiter sichtbar und spürbar bleiben. Auch in Deutschland. "Wir müssen die Abstands-Regeln weiter einhalten. Auch das Testen wird weiter eine große Rolle spielen." Maske, Abstand, Hand-Hygiene: All das wird also weiter zum Alltag gehören.

Werben für mehr Impfungen: Gespräch mit Klaus Holetschek (CSU), Gesundheitsminister Bayern