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Athleten fordern "Zentrum für Safe Sport"

Stefan Nestler mit dpa, sid
5. Mai 2021

Der Verein "Athleten Deutschland" erfährt breite Unterstützung für seinen Vorschlag einer unabhängigen Anlaufstelle für Opfer von Gewalt im Sport. Widerspruch kommt vom Dachverband des deutschen Sports.

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Detailaufnahme bandagierter Fuß, Schwebebalken
Bild: picture-alliance/imageBROKER/M. Weber

Maximilian Klein wurde deutlich. "Es gibt eine nationale Strategie für Sportgroßveranstaltungen. Warum gibt es keine nationale Strategie gegen Gewalt und Missbrauch?", fragte der Vertreter von "Athleten Deutschland" bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestag-Sportausschusses. "Was wir hier alles hören, sind zerfaserte, kleinschrittige Dinge, die dieses ganze Themenfeld nicht strategisch angehen." Von Gewalt betroffene Sportlerinnen und Sportler hätten Angst, dass ihnen nicht geglaubt und nicht geholfen werde, und dass die Hinweise nicht anonym blieben, sagte Klein. Der jeweilige Sportverband werde häufig als "Institution der Täter" wahrgenommen.

"Athleten Deutschland" wurde 2017 gegründet, um den Anliegen der Leistungssportlerinnen und -sportler eine unabhängige Stimme zu verleihen. Der Verein, dessen Präsident der Fechter Max Hartung ist, vertritt über 1000 Mitglieder deutscher Sport-Nationalkader.

Der Sportausschuss hatte Experten eingeladen, um sich ein Bild über das Problem physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt im deutschen Sport zu machen. Maximilian Klein erntete bei der Anhörung viel Lob für den Vorschlag von "Athleten Deutschland", ein unabhängiges "Zentrum für Safe Sport" zu gründen - "als vertrauens- und glaubwürdige sowie breit kommunizierte Anlaufstelle für Betroffene und ihr Umfeld". Die Initiative sei "ausgesprochen unterstützenswert", sagte die Ausschussvorsitzende, die SPD-Politikerin Dagmar Freitag. In anderen Staaten, etwa den USA und den Niederlanden, gibt es bereits solche unabhängigen Stellen, an die sich Missbrauchsopfer aus dem Sport wenden können.

Jeder oder jede Dritte erfuhr sexualisierte Gewalt

Turnsport in der Kritik

In den vergangenen Monaten hatten zahlreiche deutsche Athletinnen und Athleten - zum Beispiel aus dem Schwimmsport, Turnen, Judo, Boxen, Fechten oder Nachwuchsfußball - von Fällen berichtet, in denen sie von Trainerinnen oder Trainern schikaniert, gequält, bedrängt oder sogar sexuell missbraucht worden seien. In Deutschland gab es dazu bisher erst eine Studie, die das Ausmaß gewalttätiger Übergriffe im Sport untersuchte. Dazu wurden vor fünf Jahren mehr als 1500 Mitglieder von Leistungssport-Kadern befragt. Das Ergebnis war erschreckend: 86 Prozent gaben an, selbst psychische Gewalt erfahren zu haben, 37 Prozent berichteten über sexualisierte Gewalt, 30 Prozent über physische Gewalt. 

DOSB: "Kein Königsweg"

Die Wissenschaftlerinnen Bettina Rulofs und Jeannine Ohlert, die an der Studie mitgearbeitet hatten, unterstützten bei der Anhörung in Berlin den Vorschlag der "Athleten Deutschland" für ein unabhängiges Anlaufzentrum. Betroffene hätten häufig kein Vertrauen in die Ansprechpersonen der Verbände, sagte Rulofs. Widerspruch kam vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), der Dachorganisation des Deutschen Sports. Ein "Zentrum für Safe Sport" sei nicht der "Königsweg", so der DOSB. Sportverbände und -vereine müssten "selbst Verantwortung für den Schutz vor Gewalt im Sport übernehmen", sagte DOSB-Vizepräsidentin Petra Tzschoppe. Es brauche auch innerhalb der Sportstrukturen Ansprechpersonen. Die pauschale Aussage, hier fehle es an Vertrauen, könne sie nicht nachvollziehen. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter