1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Euro 2020: Ein Turnier mit wenigen Gewinnern

Arthur Sullivan
11. Juni 2021

Trotz der Pandemie hat die Fußball-Europameisterschaft begonnen - mit einem einzigartigen Austragungsmodus. Am Fußball wird sich wenig ändern, an der wirtschaftlichen Bilanz wahrscheinlich schon.

https://p.dw.com/p/3ukKB
UEFA Euro 2020 Symbolbild
Bild: Jane Barlow/empics/picture alliance

Als Michel Platini 2012 mit seiner Idee antrat, die EM 2020 in mehreren europäischen Städten und nicht in einem Gastgeberland auszutragen, nannten ihn viele "verrückt".

Neun Jahre später ist Platini längst nicht mehr UEFA-Präsident. Europa hat mehr als ein Jahr Stop-and-Go-Lockdown hinter sich. Die EM wurde verschoben auf dieses Jahr, doch Platinis "verrückte" Idee hat überlebt.

Die seltsamste aller Europameisterschaften begann in Rom mit einem Spiel zwischen Italien und der Türkei. Dann folgen Spiele in Baku, Kopenhagen und St. Petersburg, am Sonntag sind Bukarest, Amsterdam und London die Gastgeber. Budapest, Sevilla, München und Glasgow als Austragungsorte folgen.

Frankreich Freilassung von Michel Platini
Michel Platinis Idee von einer Europameisterschaft der Städte hat überlebtBild: Reuters/G. Fuentes

Abgesehen von dem etwas surreal anmutenden Novum eines großen Turniers ohne zentralen Ausrichter, kämpfen die Gastgeber weiter mit der Pandemie. In normalen Zeiten bedeuten Großveranstaltungen für Fußballfans in ganz Europa Partyzeit. Bei der aktuelle EM aber werden Kontakte begrenzt und große Feiern gar nicht erst zugelassen.

Geteilte Gastgeber-Dividende

So sind die Kapazitäten der Stadien reduziert, Besucher müssen getestet sein, Fanzonen und Bars haben strenge Quarantäne-Bestimmungen. Deshalb wünschen sich wohl nicht nur die Fans die alten Zeiten zurück. Auch der Tourismussektor und das Gastgewerbe werden in den kommenden Wochen wohl feststellen, dass der Umsatz besser sein könnte.

Auch ohne die Pandemie wäre der wirtschaftliche Aspekt der EM wegen des neuen Austragungskonzepts anders gewesen als bei früheren, normalen Europa- oder Weltmeisterschaften.

Die EM 2016 in Frankreich kurbelte die Wirtschaft des Landes laut einer Studie des in Limoges ansässigen Zentrums für Sportrecht und Wirtschaft (CDES) um rund 1,2 Milliarden Euro an.

Mehr als 600.000 Besucher blieben durchschnittlich acht Tage in Frankreich und gaben pro Person 154 € pro Tag aus. Weil Frankreich mit nur 200 Millionen Euro vergleichsweise wenig in die Modernisierung der Infrastruktur investierte, war die Ausrichtung auch wirtschaftlich sinnvoll.

Pandemie-Blues

Ein Turnier in elf Städten und verschiedene Ländern hat natürlich einen deutlich abgeschwächten Einfluss auf die einzelnen Standorte.

Andererseits müssen die veranstaltenden Länder und Städte nicht ansatzweise so viel Geld investieren wie frühere EM-Gastgeber. Als Platini seine Idee für das neue Format präsentierte, war das auch eine Reaktionen auf die enormen Kosten der EM 2012, die in Poland und der Ukraine ausgetragen wurde.

Für die Gastgeberstädte könnte das neue Format trotzdem ein guter Geldbringer sein - wenn denn die Pandemie nicht wäre.

Frankreich UEFA Euro 2016 Finale Portugal ist Europameister
Außerhalb des Feldes wird die EM wenig mit 2016 zu tun haben - damals gewann PortugalBild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Die irische Hauptstadt Dublin war für vier Spiele bei der EM vorgesehen. Im April dieses Jahres entzog die UEFA ihr aber die Austragungsrechte. 2019 noch hatte eine Studie des Beratungsunternehmens EY-DKM im Auftrag des Dubliner Stadtrats ergeben, dass die möglichen rund 90.000 Fußballfans für die Dauer des Turniers der städtischen Wirtschaft einen Umsatz von 106 Millionen Euro beschert hätten.

Andere Austragungsstädte hätten - ohne die Pandemie - ähnliche Impulse erwarten können, insbesondere London, das beide Halbfinalspiele und das Finale ausrichten wird.

Das ist jetzt natürlich alles anders. Die meisten Spiele des Turniers werden wahrscheinlich in Stadien ausgetragen, die zu weniger als 50 Prozent ausgelastet sind. Und nur ein Bruchteil der Fans wird in den kommenden Wochen durch Europa reisen. In vielen Austragungsstädten gelten weiterhin strenge Quarantäne-Bestimmungen, insbesondere in Großbritannien, wo neben London auch Glasgow Spiele austrägt.

Für die wenigen Fans, die zu den Spielen anreisen, gelten in den Fanzonen, Bars, Hotels und Stadtzentren nach wie vor Regeln, die die wirtschaftlichen Aktivitäten der Touristen erheblich einschränken. Allerdings werden derzeit europaweit die Regeln gelockert - die Inzidenzen gehen zurück. Zumindest ein kleiner Lichtblick für das Reise- und Gastgewerbe.

Immer noch ein gutes Jahr für die UEFA

Wirtschaftlich gesehen ist die EM im Vergleich zu ihren Pendants der letzten Jahre nicht wiederzuerkennen. Während die EM 2016 ein offensichtlicher Segen für die französische Wirtschaft war, spielte auch die EM 2012 eine wichtige Rolle für die Entwicklung der polnischen und ukrainischen Volkswirtschaften - aus unterschiedlichen Gründen.

Die beiden Länder gaben im Vorfeld des Turniers rund 31 Milliarden Euro aus. Davon floss der größte Teil in Straßen, Flughäfen und Eisenbahnen. Polen kommen die Investitionen noch heute zugute. In der Ukraine warf der Donbas-Konflikt die Entwicklung des Landes allerdings wieder zurück.

Euro 2020 | Fans | Public Viewing
Keine Fan-Massen: Eine begrenzte Zahl Menschen durfte das Eröffnungsspiel beim Public Viewing am Colosseum genießenBild: Matteo Nardone/picture alliance

Wer aber auf jeden Fall wirtschaftlich profitieren wird, ist die UEFA - der europäische Fußballverband. Durch den Verkauf von Übertragungs- und kommerziellen Rechten für den Wettbewerb hat sich die Europameisterschaft zu einem Gewinnbringer entwickelt.

So lag der Nettogewinn der UEFA bei der EM 2016 bei 847 Millionen Euro. Das war eine Steigerung von 500 Millionen Euro gegenüber der Euro 2012. Schaut man weiter zurück, so wird klar: Die UEFA konnte ihren Gewinn stetig steigen. Bei der Euro 1992 hat sie beispielsweise gerade einmal 40,9 Millionen Euro eingenommen.

In welcher Größenordnung die Pandemie die Einnahmen schmälert, wird erst der Finanzbericht der UEFA im kommenden Jahr zeigen. Ziemlich sicher ist allerdings schon jetzt, dass die UEFA auch diesmal Summen verdient, von denen die Bars, Hotels und die Gastgeberstädte nur träumen können.

Der Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt. Er wurde nach Beginn des Turniers aktualisiert.