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Politik

Blutspende in Zeiten der Corona-Epidemie

19. März 2020

Blut rettet Leben - auch und gerade in Zeiten der Corona-Epidemie. Aus Angst vor Ansteckung ist die Spendebereitschaft nämlich zurückgegangen. Doch es gibt auch viele Menschen, die gerade jetzt helfen wollen.

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Uniklinik Bonn Blutspenden
Bild: DW/Peter Hille

Die Warteschlange reicht bis nach draußen, einmal die Vortreppe hinab bis auf den Bürgersteig vor dem dreistöckigen, grauen Gebäude in Form einer Schuhschachtel. Die Wartenden halten ein, zwei Meter Abstand voneinander. Einer nach dem anderen tritt vor, geht durch die automatische Schiebetür zu einem Pult.

"37,1. 36,8. 36,3." Der Mann im weißen Kittel hinter dem Pult misst die Körpertemperatur aller Wartenden. Mit einer fließenden Handbewegung wechselt er die Schutzkappe am Thermometer, ohne sie zu berühren, steckt es den Besuchern ins Ohr, notiert mit der anderen Hand die Werte. "36,6, Sie dürfen weiter zur Anmeldung."

Spendenrückgang seit Karneval

Es geht den Wartenden hier nicht um Nudeln, Toilettenpapier oder Flugtickets. Sie warten darauf, zur Blutspende am Universitätsklinikum Bonn vorgelassen zu werden. Erst vor wenigen Tagen hatte man hier Alarm geschlagen: Fast ein Drittel weniger Spender als im vergangenen Jahr seien seit Karneval zur Blutspende erschienen.

Uniklinik Bonn Blutspenden
Mittlerweile bleiben viele Plätze zur Blutspende leerBild: DW/Peter Hille

Schon im Januar hatte sich zum ersten Mal in Deutschland ein Mann mit dem Coronavirus infiziert. Seitdem steigen die Fallzahlen rasant an, und mit Ihnen die Angst vor Ansteckung. Mittlerweile haben sich rund 10.000 Menschen infiziert. Die Bevölkerung ist angehalten, den Kontakt zu Mitmenschen so weit wie möglich einzuschränken, das Haus nur zu verlassen, wenn es unbedingt sein muss. Aus vielen Teilen Deutschlands, aus den USA, aus Frankreich, England und anderen Ländern gibt es deshalb Berichte über einen Rückgang der Spenden in Zeiten der Corona-Krise. Der Besuch beim Blutspendedienst, ein unnötiges Risiko?

"Zeit, etwas zurückzugeben”

"Nein", sagt Prof. Dr. Johannes Oldenburg, Direktor des Instituts für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Bonn. Die strengen hygienischen Bestimmungen böten einen hohen Schutz für Blutspender und Empfänger. "Zudem beobachten wir laufend die aktuelle Entwicklung und sind in der Lage, gegebenenfalls schnell Anpassungen vorzunehmen."

Oldenburg freut sich über den Ansturm an Spendern seit seinem Aufruf. Im Lauf des Vormittags füllt sich der Warteraum des Blutspendediensts, ein Automat spuckt eine Wartenummer nach der anderen aus. Man bleibt auf Distanz, lächelt sich zu. Fast jeder Zweite, den man anspricht, ist Erstspender, hat also vorher noch nie Blut gespendet. So auch Ruth Schmid, deren Sohn auf ihrem  Schoss sitzt. "Jetzt ist es Zeit, etwas zurückzugeben", sagt sie. Wegen einer Krebserkrankung habe ihr Sohn selbst Bluttransfusionen gebraucht. Schon länger habe sie deshalb vorgehabt, Blut zu spenden. "Und nun, da die Arbeitswelt fast still steht, habe ich Zeit, das endlich in die Tat umzusetzen."

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Blutspenderin Ruth SchmidBild: DW/Peter Hille

Pieks zur Kontrolle

Eine Nummer leuchtet auf, es piept, der nächste bitte. Am Ende des Ganges wartet schon Sophia Mezger. Sie ist Medizinstudentin, als studentische Aushilfe misst sie heute den Hämoglobinwert möglicher Spender. Nur wer genug roten Blutfarbstoff hat, darf einen halben Liter Blut abgeben. Bei der Spende geht nämlich Eisen verloren, das für den Neuaufbau von Hämoglobin wichtig ist.

Mit einer sogenannten Lanzette, einem Mini-Piekser, sticht Mezger einmal in die Spitze des Mittelfingers. Ein Tröpfchen Blut landet im Messgerät. Dann noch die Blutdruck-Manschette um den Arm - passt - und für Erstspender ein vertrauliches Gespräch mit einem Arzt, in dem über mögliche Vorerkrankungen gesprochen wird. Alles okay - dann ab zur eigentlichen Spende. Schon am Eingang wurden die Wartenden darauf hingewiesen, dass Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten oder Menschen, die mit Corona-Infizierten in Kontakt standen, das Gebäude nicht betreten dürfen.

Uniklinik Bonn Blutspenden
Erstmal testen, wer sich als Spender überhaupt eignetBild: DW/Peter Hille

Angezapft zum Lebenretten

Auf roten und blauen Liegen haben sich im Spenderaum überwiegend junge Leute ausgestreckt. Viele sind Studenten, erzählen, dass sie den Aufruf von Kommilitonen erhalten haben oder auf Flyer der Uniklinik aufmerksam wurden. Die Blutkonserven neben den Liegen füllen sich langsam. Sie werden auf sogenannten Wippwaagen langsam hin und hergeschüttelt, damit das Blut nicht klumpt - nicht ganz im Takt der Hits der letzten 30 Jahre, die aus dem Lautsprecher klingen.

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Instituts-Chef Johannes OldenburgBild: DW/Peter Hille

Wieder ein paar Liter, die Leben retten werden. Denn auch in Zeiten der Corona-Krise gibt es schwere Unfälle, brauchen Krebs- und Herzpatienten weiter fremdes Blut. Sogenannte elektive Operationen, also solche, die nicht unbedingt sein müssten, würden aber verschoben, sagt Professor Oldenburg. "Deshalb ist die Nachfrage zur Zeit etwas geringer als sonst. Aber für uns ist entscheidend, dass wir langfristig die Versorgung sicherstellen können."

Ein schneller Anstieg hilft nicht

Ein kurzer Ansturm heute und morgen, der dann plötzlich wieder abebbt, wäre für die Blutbanken nämlich fatal. Denn Blut lässt sich nur etwas mehr als einen Monat lang lagern. Und ein Spender muss zwei bis drei Monate warten, bis er erneut spenden kann. Wie lange wird das öffentliche Leben in Deutschland erlahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen? Das kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Beim Blutspendedienst der Uniklinik in Bonn hofft man, dass auch in zwei Wochen, in zwei Monaten, in einem halben Jahr noch Warteschlangen am Eingang zu sehen sind. Natürlich mit gebührendem Abstand zwischen den Wartenden.