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Musik

Beethovenfest für "alle Menschen"

Gaby Reucher
25. August 2022

Jung, dynamisch und abwechslungsreich will das neue Bonner Beethovenfest sein. Diversität ist oberstes Gebot. Die kulturelle Vielfalt spielt dabei eine wichtige Rolle.

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Junge Frau tanzt vor Beethoven Graffiti.
Hip-Hop und Beethoven: Für die jugendlichen Gäste aus Kolumbien passt das wunderbar zusammenBild: Florian Kopp/Don-Bosco-Mission-Bonn

Seit Wochen wird in Bonn für das Festival geprobt. Kolumbianische Jugendliche haben mit dem Bonner Beethoven Orchester eine Performance zu Beethovens fünfter Sinfonie erarbeitet. Schüler planen Konzerte an geheimen Orten und das ukrainische Jugendsinfonieorchester studiert seine Stücke für ein Solidaritätskonzert ein.

Die Corona-Pandemie ist zwar noch nicht vorbei, doch das Musikleben in Deutschland findet fast wieder uneingeschränkt statt. Und dennoch gibt es bei den Ensembles des Beethovenfestes den ein oder anderen Coronafall, sodass man kurzfristig umplanen muss. Außerdem steht auch das Beethovenfest im Zeichen des Ukrainekriegs und greift das Thema verschiedentlich auf. "Es ist kein sorgenfreies Festival, aber eins, das zu feiern wir große Lust haben", sagt Intendant Steven Walter, der zum ersten Mal das Bonner Beethovenfest ausrichtet.

Konzerte aus Oper und Schwimmbad

Walter und sein Team haben sich einiges vorgenommen. Rund 100 Veranstaltungen gehen vom 25. August bis zum 17. September über die Bühne. Es gibt klassische Orchesterkonzerte im Opernhaus, aber auch ausgefallene Formate wie Konzerte im Dunkeln, in LGBTQ-Locations oder in einem verlassenen Schwimmbad. Das offizielle Eröffnungskonzert das offizielle Eröffnungskonzert am 26. August gestaltet das Budapester Festival Orchestra unter Iván Fischer. Gespielt wird unter anderem Beethovens Dritte Sinfonie, die "Eroica".

Bonner Performance-Kollektiv "Chin Chin"
Bonner Performance-Kollektiv "Chin Chin": Teilnahme der LGBTQ-Community im diversen ProgrammBild: CORVUS-aperture.com

Das Beethovenfest will sich breit aufstellen und getreu dem Motto des Festivals "Alle Menschen" möglichst viele Bevölkerungsgruppen ansprechen. "Alle Menschen werden Brüder" lautet eine Textzeile zur Völkerverständigung aus dem Chorgesang in Beethovens berühmter Neunten Sinfonie. "Alle Menschen" bedeutet für Steven Walter aber auch, die gesellschaftliche Diversität und die Vielfalt von verschiedenen Erlebnis- und Ausdrucksformen der heutigen Zeit, im Programm abzubilden.

Der zeitgenössische Beethoven

Ludwig van Beethoven sei die geistige Leitplanke des Festivals, erläutert Walter und hebt besonders die politische Positionierung des Komponisten hervor. "Die Eroica, seine Dritte Sinfonie, die beim Eröffnungskonzert gespielt wird, ist stark politisch und ein zeitgeschichtliches Werk", sagt Walter und spielt darauf an, dass Beethoven das Werk einst Napoleon widmete, weil er die Ziele der französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" teilte. Als sich Napoleon später zum Kaiser krönen ließ, nahm Beethoven die Widmung zurück.

Porträt von Steven Walter.
Intendant Walter: Zeitgenössisch und zukunftsorientiertBild: Neda Navaee/Beethovenfest

Sich politisch und gesellschaftlich zu positionieren und mit klassischer Musik auf die Welt zu schauen, ist Steven Walter wichtig. "Diese Zeitgenossenschaft, dass man Kunst als etwas sieht, das mit der Welt zu tun hat, interessiert mich besonders."

Beethoven Moves

"Beethoven Moves", heißt eins der gesellschaftlichen Projekte, denen das Beethovenfest eine Plattform bietet. "Das ist ein wunderbares Projekt, bei dem kolumbianische Straßenkinder - viele davon sind ehemalige Kindersoldaten - mit dem Beethoven Orchester Bonn die Fünfte Sinfonie von Ludwig von Beethoven künstlerisch gestalten. Sie nutzen urbane Ausdrucksformen wie Hip-Hop-Tanz und Graffiti ", so Walter. Zusammen mit Jugendlichen aus Deutschland setzten sie sich dabei mit Lebensfragen wie Freiheit, Macht, Mut und Revolution auseinander.

Ein junger Mensch macht aus dem Stand einen Salto in der Luft auf einer Straße in den Slums von Medellin.
Coole Moves für Beethoven: Kolumbianische Jugendliche aus Medellín performen in Bonn zu Beethovens MusikBild: Judith-Doeker

Das Projekt der Don Bosco Mission Bonn und des Beethoven Orchesters will darüber hinaus auch ganz konkret helfen und den Jugendlichen in ihrer Heimat bessere Ausbildungschancen ermöglichen.

Die Deutsche Welle als Partnerin

Die Deutsche Welle ist nicht nur Medienpartnerin des Bonner Beethovenfestes, sondern auch Gesellschafterin. Über den YouTube-Kanal "DW-Classical Music" wird sie sechs Konzerte des Festivals streamen. Weitere fünf Konzerte werden als Audios mitgeschnitten für die Konzertsendung "DW Festival Concerts" für englischsprachige Partnerstationen weltweit. "Das Beethovenfest 2022 ist für uns als Medienpartner in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes: Zum einen freuen wir uns über die großartige Zusammenarbeit mit der neuen Intendanz und Geschäftsführung und der damit einhergehenden Aufbruchstimmung", sagt Rolf Rische, Leiter der DW-Hauptabteilung "Culture and Documentaries". Zum anderen spüre man mehr denn je den Einfluss des Weltgeschehens auch auf die Kultur. "Ich bin aber davon überzeugt, dass die Kultur, und im Besonderen die Musik, ihrerseits eine spürbare Wirkung über Tag und Ort hinaus entfalten kann. Daher wünsche ich mir in diesen Tagen besonders, dass Beethovens Botschaft der Menschlichkeit überall gehört werden möge", so Rische.

Die Deutsche Welle ist auch an dem Solidaritätskonzert des Ukrainischen Jugendsinfonieorchesters (YSOU) beteiligt, das am 29. August in der Bonner Oper unter seiner Gründerin Oksana Lyniv auftreten wird. "Ich habe schon immer davon geträumt, wieder mit diesem Orchester nach Bonn zu kommen", sagte die Dirigentin der DW. "Allerdings unter anderen Vorzeichen. Aber gerade angesichts des furchtbaren Krieges ist es umso wichtiger, ein Zeichen zu setzen, dass die Ukraine im Kontext der europäischen Kultur eine zentrale Rolle spielt!".

Beethovenfest 2022
Oksana Lyniv bei den Proben mit dem ukrainischen JugendsinfonieorchesterBild: Serhiy Horobets/Jugendsinfonieorchester Ukraine

Neben Beethovens Drittem Klavierkonzert und Musik aus der Ukraine spielt das YSOU ein Auftragswerk der DW. "Bucha. Lacrimosa" heißt das Stück der in Kiew lebenden Komponistin Victoria Poleva. Unter dem schrecklichen Eindruck der zerstörten Ortschaft Butscha bei Kiew hat sie ihr Stück über die Seelen der gefolterten Ukrainer, die zum Himmel steigen, komponiert. "Dieses Werk zu schreiben war für mich die einzige Überlebensmöglichkeit", sagte Poleva der DW.

Oksana Lyniv gründete das Jugensinfonieorchester vor fünf Jahren mit der Unterstützung der DW und des Beethovenfestes im Rahmen des DW-Campus-Projektes. Viele der Musiker und Musikerinnen sind jetzt vor dem Krieg geflohen. "So ein Projekt ist prototypisch dafür, welche Impulse von Bonn ausgehen, die viele Leben verändern", sagte Steven Walter bei der Vorstellung des Beethovenprogramms gegenüber Journalisten. Das zeige sich vielleicht erst fünf bis zehn Jahre später, so wie im Falle des Jugendsinfonieorchesters, dass jetzt im Ukraine Krieg auch für die Identität der Ukrainer und Ukrainerinnen sehr wichtig sei.

DW-Campus: Osteuropa

Ukrainische Jugendliche aus dem YSOU sind auch beim Campus-Konzert beteiligt. Das gemeinsame Campus-Projekt der Deutschen Welle und des Beehovenfestes bringt seit 21 Jahren junge Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt und aus Deutschland zusammen.

Diesmal gestalten Musikerinnen und Musiker aus Belarus, der Ukraine und Deutschland ein Programm zu Ludwig van Beethovens Dritter Sinfonie, der "Eroica". Der aus der Ukraine stammende Komponist Maxim Kolomiiets hat dafür einen Teil des Klassikers modern bearbeitet.

Ein Kompositionsauftrag der DW ging an die aus Minsk geflohene belarussische Komponistin Olga Podgayskayage. "The Sky of Mary" hat sie ihrer Jugendfreundin Maryja Kalesnikawa gewidmet, die wegen ihrer Proteste gegen das Lukaschenko-Regime zu elf Jahren Haft verurteilt wurde.

Das nachhaltige Beethovenfest

Politisches Engagement, Diversität und Nachhaltigkeit sollen das Beethovenfest nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den nächsten Jahren prägen. In jedem Jahr setzt es dabei einen anderen Schwerpunkt. 2023 sollen der Umgang mit unserer Erde, der Klimaschutz und das Thema Nachhaltigkeit im Fokus stehen.

Dieser Artikel wurde aktualisiert