1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Britisches Unterhaus lehnt Brexit-Vertrag erneut ab

12. März 2019

Das britische Parlament hat sich wieder gegen den von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag entschieden. 391 Abgeordnete stimmten gegen das Abkommen, 242 votierten dafür.

https://p.dw.com/p/3ErGL
Großbritanien | Theresa May spricht im Unterhaus | Brexit | London
Bild: picture-alliance/dpa/empics/PA Wire/House of Commons

Es ist bereits die zweite schwere Niederlage für den Deal, den Premierministerin Theresa May im vergangenen Jahr mit der EU vereinbart hatte. In der mehrstündigen Debatte hatte May das Parlament in London eindringlich dazu aufgerufen, für das nachgebesserte Brexit-Abkommen zu stimmen. "Wenn dieser Deal nicht angenommen wird, kann es sein, dass der Brexit verloren geht", warnte die Regierungschefin die Abgeordneten. "Ich bin sicher, dass wir die bestmöglichen Änderungen erreicht haben."

Labour-Chef Corbyn fordert Neuwahlen  

Viele Parlamentarier ihrer Konservativen Partei und der nordirisch-protestantischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, kritisierten dagegen das nachgebesserte Abkommen scharf. Der notwendige Fortschritt sei nicht erreicht worden, monierte die DUP. Der britische Oppositionsführer, Labour-Chef Jeremy Corbyn, forderte unmittelbar nach der Abstimmung vorgezogene Wahlen.

Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn: "Es ist Zeit für eine Wahl"  (Foto: picture-alliance/AP Photo/J. Taylor)
Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn: "Es ist Zeit für eine Wahl"Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Taylor

Geplant ist, dass das Land die Europäische Union am 29. März verlässt. May hatte angekündigt, im Fall einer Niederlage am Mittwoch darüber abstimmen lassen, ob Großbritannien ohne Abkommen aus der EU ausscheiden soll. Ein sogenannter No-Deal-Brexit würde der Wirtschaft schaden und Millionen Bürger in Unsicherheit stürzen. Sollte auch diese Option wie erwartet abgelehnt werden, gibt es voraussichtlich am Donnerstag eine dritte Abstimmung über die Frage, ob der Austritt verschoben werden soll.

Knackpunkt Nordirland

May war mit ihrem Deal bereits Mitte Januar im britischen Unterhaus krachend gescheitert. Sie hatte daraufhin Nachverhandlungen mit Brüssel geführt. Noch am Montag reiste sie überraschend nach Straßburg und stellte dort mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker neue Vereinbarungen vor. Eine rechtlich verbindliche Zusatzerklärung und zwei weitere Dokumente sollten skeptische Abgeordnete davon überzeugen, dass Großbritannien durch das Austrittsabkommen nicht gegen seinen Willen in einer engen Bindung mit der EU gehalten werden kann. Doch der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox machte am Nachmittag Mays Hoffnung auf eine Mehrheit für den Deal mit einem Schlag zunichte. Großbritannien habe weiter keine rechtlichen Mittel, um die als Backstop bezeichnete Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu kündigen, urteilte Cox in einem Gutachten.

Äußerte seine Bedenken: Der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox (Foto: Reuters/TV)
Äußerte seine Bedenken: Der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey CoxBild: Reuters/TV

Die Backstop-Regelung sieht vor, dass Großbritannien so lange in einer Zollunion mit der EU bleiben soll, bis das Problem mit der irischen Grenze anderweitig gelöst ist. Kontrollen zwischen den beiden Teilen Irlands wollen alle Seiten vermeiden, weil sonst mit einem Wiederaufflammen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion gerechnet wird. Innerhalb einer Zollunion sind keine Warenkontrollen an den Grenzen notwendig. Das bedeutet aber auch, dass Großbritannien in dieser Zeit keine Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie China oder den USA schließen kann - eines der wichtigsten Argumente für den EU-Austritt. Brexit-Hardliner hatten daher eine Befristung oder ein einseitiges Kündigungsrecht für den Backstop gefordert. Brüssel lehnte das aber kategorisch ab.

Juncker und Tusk: Lösung kann nur in London gefunden werden 

Die EU bedauerte das Nein des britischen Parlaments. Man sei "enttäuscht, dass die britische Regierung es nicht geschafft hat, eine Mehrheit für das Austrittsabkommen zu erreichen, auf das sich beide Seiten im November geeinigt haben", erklärten Sprecher von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk. Die EU habe alles Erdenkliche für eine Einigung getan. "Wenn es eine Lösung für die derzeitige Blockade gibt, dann kann sie nur in London gefunden werden", hieß es weiter. Die übrigen 27 EU-Staaten würden einen "begründeten Antrag" Großbritanniens auf Verlängerung der Austrittsfrist über den 29. März hinaus in Erwägung ziehen. Aber: "Die EU27 wird eine glaubwürdige Begründung für eine mögliche Verlängerung und ihre Dauer erwarten", betonen die Sprecher. Das Funktionieren der EU-Institutionen müsse gewährleistet bleiben. Gemeint ist damit offenbar das EU-Parlament. Es wird Ende Mai neu gewählt und konstituiert sich Anfang Juli. Ist Großbritannien dann noch Mitglied, müsste es Abgeordnete entsenden.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk (Foto: picture-alliance/dpa/G. Vanden)
Äußerten sich enttäuscht: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald TuskBild: picture-alliance/dpa/G. Vanden

Die Briten hatten bei einem Referendum im Jahr 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Staatengemeinschaft votiert. May führt seit einer verpatzten Neuwahl 2017 eine Minderheitsregierung, die die Unterstützung der nordirischen Partei DUP benötigt. Das Londoner Parlament ist jedoch in Sachen Brexit heillos zerstritten. Mays Pläne zum EU-Austritt hatten zu zahlreichen Rücktritten von Ministern geführt. Darunter waren auch die Brexit-Minister David Davis und Dominic Raab sowie Außenminister Boris Johnson. Nicht nur Mays Konservative Partei ist sich im Brexit-Kurs uneins, sondern auch die größte Oppositionspartei Labour. Insgesamt ein knappes Dutzend unzufriedener Abgeordneter aus beiden Parteien gründete kürzlich eine eigene "Unabhängige Gruppe" und ermunterte weitere Parlamentarier, sich ihnen anzuschließen.

sti/gri (afp, dpa, rtr)