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Bundesregierung: Der Aufschwung ist verschoben

27. Oktober 2021

Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumserwartungen bereits heruntergeschraubt, Lieferengpässe belasten die Wirtschaft Jetzt erwartet auch der Wirtschaftsminister den Aufschwung erst 2022.

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Maschinenbau in Deutschland
Bild: dpa/picture alliance

Die stark steigenden Corona-Infektionszahlen können nach den Worten des geschäftsführenden Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier den Aufschwung dämpfen - auch ohne neuen Lockdown. "Wir haben vor uns einen zweiten Pandemie-Winter", sagte der CDU-Politiker in Berlin bei der Vorstellung der Herbstkonjunkturprojektionen. Er gehe davon aus, dass auf neue Lockdowns verzichtet werden könne. Die hohen Infektionszahlen könnten aber "zu negativen wirtschaftlichen Auswirkungen" führen.

Im April war die Bundesregierung noch von 3,5 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr ausgegangen - nun hat sie ihre Konjunkturerwartung nach unten geschraubt: Es komme in diesem Jahr nicht zum erhofften "Schlussspurt". So werde das Bruttoinlandsproduktes (BIP) nur um 2,6 Prozent wachsen. Im kommenden Jahr seien aber 4,1 Prozent möglich, bis sich das Wachstum im Jahr 2023 bei 1,6 Prozent normalisiere.

Die Herbstprojektion der Bundesregierung zeige, "dass Deutschland nach der Corona-Krise wieder auf dem Wachstumspfad ist", so Altmaier. In diesem Jahr komme es aber "angesichts der aktuellen Lieferengpässe und weltweit hoher Energiepreise nicht zum erhofften Schlussspurt", fügte er hinzu. 2022 gewinne die Wirtschaft dann "deutlich an Fahrt".

Das Ende der Inflation in Sicht

Gebremst wird die wirtschaftliche Aufholjagd vor allem durch Lieferengpässe. Altmaier sprach von einer historisch einmaligen Knappheit an Vorleistungsgütern. Er verwies darauf, dass die deutschen Autohersteller derzeit Hunderttausende Autos wegen des Mangels an elektronischen Bauteilen nicht bauen könnten. Die Nachfrage nach deutschen Produkten auf den Weltmärkten bleibe aber nach wie vor hoch: "Wenn sich die Lieferengpässe schrittweise auflösen, kommt es in 2022 zu deutlichen Aufholeffekten."

Die Bundesregierung erwartet weiter, dass die Inflationsrate bereits zum Jahreswechsel 2021/22 wieder ein deutlich niedrigeres Niveau erreicht - weil dann Sonderfaktoren wegfallen wie die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung des zweiten Halbjahres 2020. Diese schlägt inzwischen voll auf die Teuerung durch. Seit Januar gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze. Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell teurer.

In ihrer Herbstprojektion rechnet die Bundesregierung mit Inflationsraten von 3,0 Prozent im Jahr 2021 und 2,2 Prozent im Jahr 2022. Im September lag die Inflationsrate angeheizt vor allem von höheren Energiekosten bei 4,1 Prozent.

Ohne Nachschub kein Aufschwung

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet, dass der Aufschwung angesichts der Lieferengpässe und steigender Corona-Infektionen merklich an Kraft einbüßen wird. Das DIW-Konjunkturbarometer für das laufende vierte Quartal sackte im Vergleich zum Sommer um sechs auf 101 Punkte ab, wie die Berliner Forscher am Mittwoch zu ihrer Untersuchung mitteilten. Damit zeichne sich ein geringes Expansionstempo ab: Nach einem Plus von knapp anderthalb Prozent im Sommer dürfte die deutsche Wirtschaft zum Jahresende nur noch um etwa ein halbes Prozent zum Vorquartal wachsen.

"Angesichts der Tatsache, dass die Produktionskapazitäten der deutschen Wirtschaft ziemlich unterausgelastet sind, wird das Wachstum der Wirtschaftsleistung zum Jahresende mager ausfallen", sagte DIW-Experte Simon Junker dazu. "Das liegt vor allem an den globalen Lieferengpässen, die der Industrie Sand ins Getriebe streuen - obwohl die Auftragslage eigentlich rosig ist." Mangels vielerorts fehlender Vorleistungsgüter werde die Produktion wohl auch im vierten Quartal weiter zurückgefahren werden müssen.

Hinzu komme, dass wegen wieder zunehmender Corona-Infektionen kontaktintensive Dienstleistungen wie Restaurants wohl zumindest nicht weiter ausgeweitet werden können. Diese Flaute werde sich wohl auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Der Beschäftigungsaufbau dürfte sich zwar fortsetzen, allerdings deutlich schwächer als noch in den vorangegangenen Monaten. "Ebben die Materialknappheiten allmählich ab, dürfte die Industrie die vollen Auftragsbücher rasch abarbeiten", sagte Junker.

dk/hb (dpa, rtr, afp)