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Corona: Konjunktur durchwandert tiefes Tal

14. Januar 2021

Die deutsche Wirtschaft leidet in tiefer Rezession: Die Wirtschaftsleistung schrumpft deutlich, der Staatshaushalt rutscht ins Minus. Die COVID-19-Pandemie hinterlässt tiefe Spuren in Europas größter Volkswirtschaft.

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Lockdown I Köln I Wenige Passanten in der Innenstadt
Bild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Deutschlands Wirtschaft ist in der Corona-Krise im Jahr 2020 um 5,0 Prozent geschrumpft. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden auf Basis vorläufiger Berechnungen am Donnerstag mit. Stärker war die Wirtschaftsleistung nur während der globalen Finanzkrise 2009 geschrumpft, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 5,7 Prozent sank.

Die Corona-Pandemie und die Beschränkungen zur Einschränkung ihrer Ausbreitung sorgten für eine "tiefe Rezession", wie die Statistiker erklärten. Die Pandemie hinterließ demnach deutliche Spuren in nahezu allen Wirtschaftsbereichen: Die Produktion war sowohl in den Dienstleistungsbereichen als auch im Produzierenden Gewerbe teilweise massiv eingeschränkt.

Symbolbild | Deutschland | Coronavirus | Lockdown
Eine deutsche Einkaufsstaße im Winter der Pandemie: Wo keine Menschen, da keine Kunden und auch kein KonsumBild: Ralph Peters/imago images

Dramatischer Konsumeinbruch

Anders als während der Finanz- und Wirtschaftskrise, als der gesamte Konsum die Wirtschaft stützte, gingen die privaten Konsumausgaben im vergangenen Jahr demnach im Vorjahresvergleich preisbereinigt um 6,0 Prozent zurück - so stark wie noch nie. Die Konsumausgaben des Staates wirkten dagegen mit einem preisbereinigten Anstieg von 3,4 Prozent stabilisierend. Die Beschaffung von Schutzausrüstungen und Krankenhausleistungen trug laut Statistik dazu bei.

Damit endete aufgrund der Corona-Pandemie der über 14 Jahre anhaltende Anstieg der Erwerbstätigkeit, der sogar die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 überdauert hatte, wie die Statistiker hervorhoben. Besonders betroffen waren geringfügig Beschäftigte sowie Selbstständige.

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Deprimierendes Zahlenwerk

Erstmals seit 2011 verzeichnete Deutschland im Gesamtjahr wieder ein Haushaltsdefizit. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen gaben nach Angaben der Wiesbadener Behörde im vergangenen Jahr 158,2 Milliarden Euro mehr aus als sie einnahmen. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Defizit bei 4,8 Prozent.

Das war zweithöchste Defizit seit der deutschen Vereinigung, nur übertroffen vom Rekordminus des Jahres 1995, in dem die Schulden der Treuhand in den Staatshaushalt übernommen wurden. Die Treuhand war eine bundeseigene Behörde zur Privatisierung und Sanierung von DDR-Betrieben nach der Wiedervereinigung.  

Die Einnahmen des Staates sanken in der Corona-Krise. Das Steueraufkommen verringerte sich, auch weil die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an für ein halbes Jahr gesenkt wurde, um den privaten Konsum anzukurbeln. Zugleich stiegen die staatlichen Ausgaben unter anderem durch milliardenschwere Hilfspakete.

Es hätte schlimmer kommen können

"Eigentlich ein Katastrophenjahr, aber gemessen an den zwischenzeitlichen Befürchtungen könnte man sagen, dass wir noch glimpflich davon gekommen sind", kommentierte Uwe Burkert von der Landesbank Baden-Württemberg die aktuellen Zahlen. "Im Schlussquartal dürfte das BIP in etwa stagniert haben. Da wir seit November wieder einen Lockdown haben, muss man auch dieses Ergebnis als positive Überraschung werten. Vor allem das Verarbeitende Gewerbe macht hier wohl den Unterschied, da wir beobachten, dass die Lieferketten aufrecht erhalten wurden und werden."

Auch Fritzi Köhler-Geib von der KFW verweist darauf, dass es leicht hätte schlimmer kommen können: "Gemessen an den ursprünglichen Befürchtungen nach Ausbruch der Pandemie ist dieses traurige Ergebnis aber auch ein Erfolg in Schadensbegrenzung. Denn im März vergangenen Jahres hielt ein führendes deutsches Forschungsinstitut einen Absturz der Wirtschaftsleistung um bis zu 20 Prozent für möglich und noch zur Jahresmitte lag die Konsensprognose bei -6,5 Prozent. Die im Sommer begonnene Erholung in der Industrie sorgt bislang dafür, dass Deutschland zumindest wirtschaftlich einigermaßen glimpflich durch den Anfang November begonnenen, zweiten Lockdown kommt."

Deutschland Verkaufsoffener Sonntag in Köln
Wenn die Menschen wieder in die Städte kommen, wachsen Kauffreude und Konsum und die Konjunktur erholt sichBild: picture-alliance/R. Goldmann

Noch ein langer Weg

Etliche Volkswirte sagen Europas größter Volkswirtschaft in diesem Jahr ein starkes Comeback voraus - trotz des zunächst bis Ende Januar verlängerten Lockdowns. Der Aufschwung im Verarbeitenden Gewerbe sei noch immer intakt und außenwirtschaftlich gebe es durch die Nachfrage aus China und den USA Wachstumsimpulse, argumentierte beispielsweise jüngst der Chef des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Lars Feld. Uwe Burkert ergänzt: "Gleichwohl kann das Motto für 2021 nur heißen: So schnell wie möglich zurück zur Normalität und aufholen, was aufzuholen ist. Aber natürlich steht die Eindämmung der Pandemie weiterhin an erster Stelle."

Mit einer Rückkehr der deutschen Wirtschaft zum Niveau von vor der Corona-Krise rechnen die meisten Volkswirte derzeit aber frühestens um die Jahreswende 2021/2022 - vorausgesetzt, dass bis dahin so viele Menschen gegen das Coronavirus geimpft sind, dass sich das Wirtschaftsleben wieder normalisiert.

Viele Ökonomen und auch der Industrieverband BDI trauen der Wirtschaft 2021 wieder ein spürbares Wachstum von 3,5 Prozent oder mehr zu. "Mit der Aussicht auf den baldigen großflächigen Einsatz effektiver Impfstoffe sowie der Erfahrung einer rapiden Erholungsgeschwindigkeit im vergangenen Sommer ist eine starke Aufholbewegung im weiteren Verlauf von 2021 noch immer sehr wahrscheinlich", ist KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib sicher.

dk/hb (dpa, rtr, afp)