1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Das Wichtigste zum INF-Vertrag

Udo Bauer
1. Februar 2019

Die USA haben den INF-Vertrag aufgekündigt, weil Russland nicht eingelenkt hat. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Abrüstungsabkommen.

https://p.dw.com/p/3CAr1
INF-Vertrag zwischen den USA und der UdSSR
Bild: picture-alliance/dpa

Wie kam es zum INF-Vertrag?

Mitte der 1970er Jahre hatte die Sowjetunion mit der Stationierung von Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20 begonnen, die auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden konnten. Darauf antworten die USA in Abstimmung mit der NATO ab 1983 mit der Stationierung von Pershing-2-Raketen und Marschflugkörpern in Belgien, Großbritannien, Italien und der Bundesrepublik. Diese Hochrüstung in Europa führte in Deutschland zu den größten Massenprotesten der Nachkriegsgeschichte. Der Staats- und Parteichef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow und US-Präsident Ronald Reagan unterzeichneten 1987 schließlich den INF-Vertrag. Das steht für Intermediate Range Nuclear Forces, also atomare Mittelstreckenraketen.

Was beinhaltet das Vertragswerk?

Der Vertrag sah die komplette Zerstörung aller landgestützter Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern innerhalb von drei Jahren vor. See- und luftgestützte Systeme unter 500 Kilometern Reichweite sind im INF nicht erfasst. Die Verschrottung der Waffensysteme und deren komplette Infrastruktur wurden durch Inspekteure beider Seiten überwacht. Der Vertrag gilt auf unbestimmte Zeit, ist aber bei "außergewöhnlichen Ereignissen" kündbar.

Russland Pressekonferenz zur Vorstellung neuer Raketen
"Fliegt nicht so weit, wie ihr denkt": Russland präsentiert sein umstrittenes Raketensystem - zeigt aber nicht die RaketeBild: picture-alliance/Sputnik/V. Astapkovich

Was macht Mittelstreckenraketen so gefährlich?

Gegenüber den großen atomaren Interkontinentalraketen sind deren kleinere Brüder wesentlich heimtückischer. Sie erreichen ihr Ziel binnen Minuten und geben dem Angegriffenen so gut wie keine Chance, sich auf den Einschlag vorzubereiten oder die Raketen zu bekämpfen. Außerdem sind die Mittelstreckenwaffen nicht stationär, sondern mobil, also auf große LKW montiert. Kennt der Angegriffene nicht den Abschussort, wird die Verteidigung zusätzlich schwierig bis unmöglich. So könnten große Teile Europas innerhalb kürzester Zeit zu einer atomar verseuchten Wüste werden. Insofern ist es richtig, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den INF-Vertrag als "Kernelement europäischer Sicherheit" bezeichnet.

Warum wollen die USA den Vertrag kündigen?

Vietnam APEC-Gipfel | russischer Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump
Werden Wladimir Putin und Donald Trump die Raketenfrage neu verhandeln? Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Silva

Die Russen verfügen seit ein paar Jahren über insgesamt 16 neue Marschflugkörper vom Typ SSC-8 (russische Typenbezeichnung: 9M729). Die Amerikaner und die NATO glauben, dass diese atomar bestückbaren Flugkörper gegen den INF-Vertrag verstoßen, weil sie deutlich mehr als 500 Kilometer Reichweite haben. Nach russischer Darstellung fliegen sie nur 480 Kilometer weit und wären demnach zulässig. Westliche Raketen-Experten und das renommierte Friedensforschungsinstitut SIPRI schließen jedoch aus den Abmessungen der Raketen eine Reichweite von bis zu 2500 Kilometern. Bewiesen ist weder die eine noch die andere Darstellung. Wie dem auch sei, US-Präsident Donald Trump hat Russland ein Ultimatum gestellt und das läuft am Samstag ab.

Was passiert, wenn Trump den Vertrag kündigt?

Dann gibt es mehrere Möglichkeiten. Russland und die USA könnten einen neuen Vertrag verhandeln. Dazu müsste dann aber zweifelsfrei geklärt werden, was die neuen Marschflugkörper tatsächlich können. Möglich, aber eher unwahrscheinlich wäre auch die Einbeziehung von Nationen wie China und Nordkorea in Verhandlungen über ein globales Abkommen. Denn die Asiaten verfügen mittlerweile über stattliche Arsenale von Mittelstreckenwaffen. Schlimmstenfalls bleibt der Vertrag obsolet. Dann könnten die Amerikaner das Aufrüstungsspielchen aus den 80er Jahren wiederholen und ihrerseits Mittelstreckenraketen in Europa aufstellen. So wie man Donald Trump kennt, müssten dann aber die Europäer diese Waffensysteme bezahlen und betreiben.