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Der Gaspreis sorgt für Krisenstimmung

20. September 2021

Im Herbst steigen die Energiepreise - und nach Corona erst recht. Doch das Erdgas ist besonders teuer und das löst europaweit ernsthafte Sorge aus. Die britische Regierung berief sogar eine Krisensitzung ein.

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Kugelgasspeicher in Berlin-Mariendorf
Kugelgasspeicher in Berlin-MariendorfBild: Schoening/Bildagentur-online/picture alliance

Die Energiepreise steigen und steigen. Im August lagen sie im Schnitt um 25 Prozent über dem Vorjahreswert. Und der Haupttreiber des Preisanstiegs ist das Erdgas - mit einem Plus von gut 44 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berechnet hat.

An den Spotmärkten, wo Gas kurzfristig gehandelt wird, haben sich die Preise für Erdgas seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt. Besonders extrem ist die Lage in Großbritannien, wo die Gaspreise seit Jahresbeginn um 250 Prozent gestiegen sind.

Die Wirtschaft brummt, die Speicher sind leer

Experten sehen viele Gründe für den heftigen Preisanstieg. Einerseits hat sich die weltweite Nachfrage wieder normalisiert. Die Wirtschaft läuft an und gerade der Verbrauch in Asien beeinflusst auf den eng verflochtenen Erdgasmärkten auch das Preisniveau in Europa.

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Gaszähler: Erdgas ist der Haupttreiber der stark steigenden EnergiepreiseBild: Fotolia/ André Reichardt

Andererseits sind die Gasspeicher in Europa nach dem vergleichsweise kalten Winter 2020/21 noch nicht wieder komplett aufgefüllt. In Deutschland sind sie aktuell zu weniger als zwei Drittel voll, vor einem Jahr betrug der Füllstand gut 94 Prozent. Auch in den meisten Jahren zuvor waren die Speicher vor der Heizsaison deutlich besser gefüllt als derzeit.

Keine eindeutige Erklärung

Die über ganz Deutschland verteilten unterirdischen Speicher gleichen vor allem im Winter Verbrauchsspitzen aus. An kalten Tagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus inländischen Speichern abgedeckt, heißt es beim Branchenverband Initiative Erdgasspeicher.

Auch die russische Gazprom lässt ihre Speicher in Westeuropa leer stehen
Auch die russische Gazprom lässt ihre Speicher in Westeuropa leer stehenBild: Jaap Arriens/NurPhoto/picture alliance

Rund 23 Milliarden Kubikmeter Gas können in den Speichern gelagert werden. Das ist etwa ein Viertel der jährlich in Deutschland verbrauchten Erdgasmenge. Warum in den Speichern derzeit weniger Gas ist als üblich, lässt sich nicht eindeutig sagen.

"Eine Situation mit Erpressungspotenzial"

Ausfälle und Wartungsarbeiten an der Gas-Infrastruktur in Europa spielen eine Rolle. Das Auslaufen der Erdgasproduktion in den Niederlanden ebenso. Auch laden die enormen Preise nicht gerade dazu ein, die Speicher zu füllen. Doch der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag hat eine andere Erklärung: "Die Situation bei den leeren Gazprom-Speichern in Deutschland und Europa dürfte bewusst herbeigeführt worden sein", vermutet Oliver Krischer. Denn noch fehlt die Genehmigung für die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2. Deutschland rutsche somit "in eine Situation mit Erpressungspotenzial".

Verlegung des letzten Rohrs für die Gaspipeline Nord Stream 2
Verlegung des letzten Rohrs für die Gaspipeline Nord Stream 2Bild: Axel Schmidt/Nord Stream 2

In Großbritannien spricht die Politik bereits von einer "Energiekrise". Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng hielt im Parlament ein Krisentreffen mit Energieunternehmen ab und versicherte anschließend, er rechne nicht mit Versorgungsengpässen diesen Winter. "Die Lichter werden absolut nicht ausgehen oder Menschen unfähig sein, ihre Häuser zu heizen", so Kwarteng weiter.

Johnson setzt auf "den Markt"

Weil die Anbieter wegen eines gesetzlichen Höchstpreises nicht in der Lage sind, die extrem gestiegenen Kosten an die Verbraucher weiterzugeben, dürften nach Einschätzung von Experten viele Gasverkäufer Insolvenz anmelden. Ihre Kunden müssten dann von anderen Unternehmen aufgenommen werden.

Premierminister Boris Johnson versucht die Verbraucher zu beruhigen. Die Störungen seien nur vorübergehend. "Die Marktkräfte werden das sehr schnell ausgleichen", sagte er.

rb/qu (AFP, dpa, Reuters)