1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vor dem nächsten Abschwung

20. Dezember 2018

Man muss nicht unbedingt an das Jahr 1931 erinnern, um sich ein Bild von der Lage der Börsen weltweit zu machen. Die Aussichten sind eher düster - die US-Notenbank stellt sich offenbar darauf ein und rüstet auf.

https://p.dw.com/p/3AR0t
Das Gebäude der US-Notenbank FED in Washington - im Vordergrund ein Wächter
Bild: Reuters/K. Lamarque

Schließlich ist die Fed sich doch treu geblieben und hat den US-Leitzins wie zu erwarten ein weiteres Mal angehoben – trotz unverhohlener Angriffe aus dem Weißen Haus. Man mag das Vorgehen der US-Notenbank getrost als Versuch werten, den eigenen Köcher aufzufüllen, um Pfeile parat zu haben, wenn es in die Schlachten des kommenden Jahres geht.

Fed-Chef Jerome Powell ließ den Leitzins wieder um einen Viertelpunkt klettern, es ist der vierte Schritt nach oben in diesem Jahr – die neue Spanne, innerhalb derer sich Geschäftsbanken mit Geld versorgen können, liegt nun bei Zinsen von 2,25 bis 2,5 Prozent. Zwei weitere Zinsschritte könnten im kommenden Jahr folgen, gab Powell zu verstehen. "Die Fed hat gezeigt, dass sie sich auf das neutrale Zinsniveau – einen Leitzinssatz von etwa drei Prozent – zubewegt", kommentierte Franck Dixmier von Allianz Global Investors. Ein neutrales Zinsniveau, das ist eine Marke, mit der die Politik der Notenbank weder stimulierend noch dämpfend wirken soll.

"Im nächsten Abschwung"

Vorbereitungen also auf das kommende, schwierige Jahr: "Anders als die Europäische Zentralbank hat die Fed im nächsten Abschwung wieder einen nennenswerten Spielraum in der Zinspolitik", urteilt Friedrich Heinemann von Institut ZEW.

Die Sorgen der Analysten werden in Schlagworte und Jahreszahlen gepackt. Die "flache Zinskurve" ist solch ein Schlagwort; das Jahr 1931 wird als Menetekel an der Wand gelesen: Der US-Index S&P 500, eines der wichtigsten Barometer für die Wall Street, verliert nämlich gerade in so großen Schritten wie seit jenem Jahr mitten in der großen Depression nicht mehr: Seit Anfang des Monats waren es rund 7 Prozent. Das gab es auf einen Rutsch seit 87 Jahre nicht - so landet man bei 1931.

"Ein deutliches Minus, aber kein Grund zur Panik", kommentierte das deutsche "Handelsblatt". Denn die Weltwirtschaft wie die US-Ökonomie hätten eine Boomzeit hinter sich und keine Depression, noch im September hatte der Index S&P 500 schließlich den höchsten Stand seiner Geschichte markiert.

Und doch dürfte das Jahr 2018 als schwaches Börsenjahr in die Annalen eingehen, vor allem durch die Entwicklung der letzten Monate. Und niemand rechnet mehr damit, dass eine sprichwörtliche Jahresendrallye den Karren noch in Schwung bringen könnte. Da hat auch die Fed-Entscheidung nicht geholfen: Der MSCI-Index für den Asien-Pazifik-Raum ohne Japan gab am Donnerstag um 1,4 Prozent nach, der Nikkei-Index in Japan gar um 3,3 Prozent, der S&P 500 hatte am Vortag noch einmal 1,5 Prozent verloren.

Nikolaus besucht die Börse und spricht mit einem Investor
Hat auch nicht recht geholfen: Nikolaus an der New Yorker BörseBild: Reuters/B. Mcdermid

Minuszeichen im DAX

In Deutschland sieht es in diesen letzten Dezembertagen nicht besser aus: Der wichtigste deutsche Börsen-Index, der DAX hat im Jahr bis Anfang Dezember rund 16 Prozent verloren, mehr noch als der weiter gefasste, europäische Euro-Stoxx-50 mit seinem Minus von rund 11 Prozent. Noch deutlicher wird das Bild, wenn man auf einzelne Dax-Unternehmen schaut, und man kann sich da am Alphabet  entlang hangeln:

BASF-Papiere fielen von ihrem Hoch bei knapp 98 Euro bis Mitte Dezember auf rund 58 Euro.

Conti, der Autozulieferer sieht seinen Aktienwert halbiert und kostet noch rund 123 Euro.

Deutsche Bank landete auf einem Allzeittief von unter 8 Euro.

Fresenius-Aktien, die des Gesundheitskonzerns, sind ebenfalls nur noch halb so viel wert wie zu ihren Spitzenzeiten.

Und so weiter: Alles in allem hat der Deutsche Aktienindex Dax seit dem Januar mit seinem Allzeithoch gut 20 Prozent nachgegeben. Kein Wunder, dass der wichtige deutsche Ifo-Geschäftsklimaindex im Dezember zum dritten Mal in Folge schlechter ausfiel als im Vormonat.

Zurück in die USA, wo man derzeit das alte Spiel beobachten kann, da der Dieb ruft: Haltet den Dieb. Präsident Trump versuchte in der Tagen vor der Fed-Entscheidung den Schwarzen Peter an die Notenbank abzuschieben und twitterte, eine weitere Leitzinserhöhung wäre "töricht". Die Fed dürfe nicht noch einen "Fehler" machen.

Präsident Donald Trump vor Mikrofonen mit weit geöffnetem Mund
Zickzack-Kurs in Perfektion - für Beobachter ist Donald Trump ein Grund für die Unsicherheiten an den BörsenBild: Getty Images/A. Wong

Hört man allerdings Managern und Volkswirten zu, dann ist es nicht zuletzt die erratische Handelspolitik des Präsidenten mit ihren Strafzöllen gegen China und alle möglichen anderen Geschäftspartner, die die Unsicherheit der Märkte befeuert. Hinzu kommt das drohende Brexit-Drama. Dabei hat die US-Wirtschaft mehr als 110 Monate Aufschwung hinter sich, die Arbeitslosigkeit ist historisch niedrig, es herrscht praktisch Vollbeschäftigung in den USA. Trump hatte mit seinen Steuersenkungen zu diesem Bild beigetragen.

Die "flache Zinskurve"

Aber jetzt reagieren die Märkte überaus empfindlich auf neue Wendungen im Handelskonflikt mit China, wie etwa ergebnislosen Treffen Trumps mit Chinas starkem Mann Xi Jinping in der ersten Dezemberwoche: Der Dow Jones verlor prompt 799 Punkte, die Rendite zehnjähriger US-Bundesanleihen geriet unter die Marke von 3 Prozent.

Und damit zurück zum Schlagwort von der "flachen Zinskurve". Auch das macht Börsianer nervös. "Flach" ist die Zinskurve der Staatsanleihen – und um die geht es dabei –, wenn langfristige Staatsanleihen nicht deutlich mehr Rendite abwerfen als kurzfristige. Beispiel USA: Da liegt der Abstand zwischen zweijährigen und zehnjährigen Anleihen bei noch rund 0,12 Prozentpunkten. (Bei den deutschen Bundesanleihen sind es noch ordentliche 0,88 Punkte.) Wenn dieses Verhältnis gar umkippt, und man an zweijährigen Anleihen besser verdient als an zehnjährigen, dann ist von einer „inversen" Zinssituation die Rede. Schon jetzt rentieren erstmals seit Juli 2007 zweijährige Anleihen höher als fünfjährige.

Börsen-Chart geht auf und ab
Keine "flache Zinskurve"Bild: picture-alliance/imageBROKER/S. Belcher

Das ist nicht nur für Börsianer und Freunde von Charts von Belang: Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt nämlich, dass eine "flache Zinskurve" in aller Regel einer Rezession vorausging. Auch wenn nicht jede solche Zinskurve zwangsläufig in einer Rezession endet. Aber Anlass zur Sorge gibt das Bild allemal. So rechnen einer Umfrage der Bank of America Merrill Lynch zufolge 53 Prozent der befragten Investoren denn auch mit einer Abkühlung der Weltwirtschaft in den kommenden zwölf Monaten.

Jeffrey Kleintop zum Beispiel, "Chief Investment Strategist" bei Charles Schwab in Boston sagt: "Wir erwarten in der Tat ein sehr schwieriges Jahr für Investoren." Die Aussichten stehen also nicht schlecht, dass nach einem schwachen Börsenjahr 2018 ein schlechtes Jahr 2019 folgen könnte. Mit Kurseinbrüchen von 20 oder 25 Prozent für einzelne Werte rechnet auch ein Händler wie der Schweizer Felix Umlauf, den das deutsche Magazin "Wirtschaftswoche" als "berühmten Investor" bezeichnete. Der findet denn auch Gutes an der schlechten Aussicht und lässt sich mit der Einschätzung zitieren, das sei "ein Markt für gewiefte Trader". Geld verdienen kann man als solcher auch bei fallenden Kursen und miesen Aussichten. 

ar/nm (mit Agenturen/Archiv)