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Biblisches Sodom wohl von Meteorit zerstört

28. September 2021

Nicht der Zorn Gottes, sondern eine Naturkatastrophe hat laut einer neuen Studie das "sündige Sodom" vor 3600 Jahren ausgelöscht. Die Forscher finden auch Erklärungen für weitere biblische Beschreibungen.

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Grafik von Personen, die aus dem brennenden Sodom fliehen
Die Zerstörung des "sündigen Sodoms" hat jahrhundertelang die Phantasie beflügeltBild: Mary Evans Picture Library/picture alliance

Seit 2005 graben Archäologen in der Gegend um Tall el-Hammam am Rande des Toten Meeres in Jordanien und glauben, das biblische Sodom gefunden zu haben. Denn ihre Hypothese passt auffallend zur biblischen Version des Untergangs von Sodom und Gomorra.

Einst war die heute völlig zerstörte Stadt eine der größten Metropolen östlich vom Jordan, fünf- bis zehnmal größer als andere Städte in der Region. Die Stadt lag an einer wichtigen Handelsroute, war mit hohen Türmen und dicken Mauern befestigt und war umgeben von einer üppigen, gut gewässerten Landschaft. 

Vor rund 3600 Jahren aber wurde diese einst so mächtige Stadt urplötzlich zerstört und mit ihr wurde eine blühende Zivilisation der Bronzezeit vollständig ausgelöscht.

Untergang einer Metropole

Ein traumatisches Ereignis, das auch im Alten und Neuen Testament sowie im Koran aufgegriffen wurde. In der biblischen Genesis etwa wird beschrieben, dass die Stadt Sodom durch Gottes Zorn unter einem Regen aus Feuer und Schwefel begraben wurde. 

In einer äußerst detailreichen und trotzdem anschaulichen Studie präsentieren Forschende aus aller Welt neue Beweise, dass die entdeckte Stadt sehr wahrscheinlich durch einen Meteoriten ausgelöscht wurde, der über der Stadt explodierte. Bei dem "Regen aus Feuer und Schwefel" könnte es sich demnach um Bruchstücke des Meteoriten handeln.

Beweise für kosmische Explosion

Das internationale Expertenteam entdeckte etwa Keramikscherben, deren Außenflächen zu Glas geschmolzen waren, blasige Lehmziegel und teilweise geschmolzenes Baumaterial in einer 1,5 Meter dicken Brandschicht.

Gefunden wurden auch menschliche Überreste, darunter ein Schädel. Die orangefarbene Färbung des Schädels deute darauf hin, dass er Temperaturen von über 200 Grad Celsius ausgesetzt war, heißt es in der Studie.

Laut dieser habe möglicherweise die gewaltige Druckwelle nach der Detonation auch den “Einsturz der Mauern“ des biblischen Jericho verursacht, das etwa 22 Kilometer westlich von Tall el-Hammam lag. Laut Altem Testament soll der Klang der Posaunen die Mauern zum Einsturz gebracht haben. 

Extreme Hitze wie bei Atombomenexplosion

Da der Meteorit mehrere Kilometer über der Stadt explodiert sei, wurde die Stadt samt dem großen Palast wie bei einer Atombombenexplosion in Sekunden vollständig zerstört.

"Wir haben Beweise für Temperaturen von mehr als 2000 Grad Celsius gefunden", sagt James Kennett, einer der Mitautoren der Studie. Neben geschmolzenen Metallen fand das Team auch eisen- und kieselsäurereiche Kügelchen im Boden und im Sediment der Explosionsschicht. "Ich denke, eine der wichtigsten Entdeckungen ist der gefundene Schockquarz", erläuterte James Kennett.

Denn für die Entstehung von Schockquarz braucht es gewaltige Kräfte. Nach unterirdischen Atombombentests wurde solcher Schockquarz mit seinem veränderten Quarzgitter gefunden. "Schockierter Quarz" ist auch in Kratern zu finden, die durch Meteoriteneinschläge entstanden sind.

Zudem entdeckten die Forschenden Diamonoide. Das sind winzig kleine Moleküle, die hart wie ein Diamant sind und mit Meteoriteneinschlägen in Verbindung gebracht werden. 

Vergleichbar mit dem Tunguska-Ereignis

Nach Ansicht des internationalen Forscherteams seien dies "Hinweise auf ein anomales Hochtemperaturereignis", das laut Studie "größer als die Tunguska-Explosion von 1908 in Sibirien und wesentlich heißer als alles war, was die damalige Technologie erzeugen konnte".

Niedergestreckte Bäume nach dem Tunguska-Ereignis von 1908
Die kosmische Katastrophe soll dem Tunguska-Ereignis von 1908 ähneln Bild: Imago/United Archives

Denn solch gewaltige Explosionen von Meteoriten gab es in der Vergangenheit mit großer Wahrscheinlichkeit. Beim Tunguska-Ereignis soll 1908 ein 56-60 Meter großer Meteor die Erdatmosphäre über der ostsibirischen Taiga durchdrungen haben.

Die dadurch ausgelöste Explosion soll etwa 185 Hiroshima-Atombomben entsprochen haben, was die verheerenden Verwüstungen im Umkreis von mehr als 30 Meilen erklärt.  

Langfristige Verwüstung

Bei der Meteoriten-Explosion über dem heutigen Tall el-Hamman hätten heftige Schockwellen der Studie zufolge auch große Mengen an Salz aufgewirbelt. Weil die extrem heiße Salzsohle aus dem Toten Meer auf die umliegenden Gebiete niederrieselte, verwandelte sich das einst fruchtbare Land in eine unfruchtbare Wüste.

Salzstalaktit in der Malham-Salzhöhle
Der extrem hohe Salzgehalt im Sediment erklärt auch diesen Salzstalaktit in der Malham-Höhle im "Berg Sodom"Bild: AFP/M. Kahana

Das Team fand im Sediment rund um die zerstörte Stadt durchschnittlich einen Salzgehalt von vier Prozent und in einigen Fällen sogar von bis zu 25 Prozent.

Dies könnte die "spätbronzezeitliche Lücke" verursacht haben, so die Autoren der Studie. Denn zu jener Zeit verließen die Menschen das untere Jordantal, weil auf den einst fruchtbaren Böden nichts mehr wuchs.

Religiöse Verarbeitung einer Naturkatastrophe

Auch hier sehen die Forschenden mögliche Bezüge zur Bibel. Kurz vor der Zerstörung der Stadt warnten Engel Lot, den Neffen von Abraham, die Stadt schnell zu verlassen und nicht zurückzuschauen. Lots Frau hört aber nicht auf die Engel, blickt zurück auf die Stadt zurück und erstarrt augenblicklich zur Salzsäule.

Sodom und Gomorra | Salzsäule, Lots Ehefrau
Diese Salzsäule südwestlich vom Toten Meer wird nach der biblischen Beschreibung "Lots Frau" genanntBild: United Archives/WHA/picture alliance

Mündliche Überlieferungen über eine dramatische Naturkatastrophe und deren langfristige Auswirkungen könnten also über viele Generationen weitergegeben worden sein und wurden schließlich zur Quelle für die schriftliche Schilderung des Untergangs von Sodom in der Genesis, schreiben die Forschenden in ihrer Studie. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund