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Geburtstag der deutschen Nationalhymne

Klaus Krämer
26. August 2016

Ob bei Staatsbesuchen oder bestimmten Sport-Events – die Hymnen der jeweiligen Länder gehören dazu. Das Lied, das heute deutsche Nationalhymne ist, wurde vor 175 Jahren verfasst und hat eine bewegte Geschichte.

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Olympia Rio 2016 Radsport Bahn Kristina Vogel. Foto: picture-alliance/dpa/F. Kaestle
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kaestle

Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro erklang bei Siegerehrungen 306 mal eine Nationalhymne. 17 mal war es die Deutsche, so auch am 16. August 2016: Die Bahnradsprinterin Kristina Vogel gewinnt spektakulär Gold in der Königsdisziplin. Wenig später überwältigen sie bei der Siegerehrung die Gefühle. Bei der Nationalhymne singt die Erfurterin ergriffen mit:

"Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!"

Deutschland Geschichte Porträt Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Foto: Picture-alliance/OKAPIA
Heinrich Hoffmann von FallerslebenBild: picture-alliance/OKAPIA

Vor 175 Jahren, am 26. August 1841, wird der Text des sogenannten "Lied der Deutschen" auf der kleinen, damals britischen Nordseeinsel Helgoland gedichtet - ihr Verfasser ist August Heinrich Hoffmann (1798-1874). Sein Künstlername: Hoffmann von Fallersleben - ein Hochschullehrer, der nicht nur dichtet, sondern auch alte Schriften sammelt und veröffentlicht. Auf Hoffmanns Verse passt die Melodie aus dem 1797 komponierten Kaiserlied von Joseph Haydn. Bereits sechs Wochen später wird das "Deutschlandlied", wie es auch genannt wird, erstmals in Hamburg öffentlich gesungen. Es hat drei Strophen. Die letzte ist heute der Text der deutschen Nationalhymne. Doch der Reihe nach.

Bewegte Zeiten

Helgoland. Foto: picture alliance / Hinrich Bäsemann
Helgoland, der "Geburtsort" des LiedesBild: picture alliance / Hinrich Bäsemann

Entstanden ist das Lied in einer Zeit, die es in sich hatte. Deutsche Identität und Nationalbewusstsein sind in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum mehr vorhanden. Zu deutlich sind noch die Herrschaft Napoleons und ihre Auswirkungen speziell in Deutschland zu spüren. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war in den Befreiungskriegen gegen den französischen Herrscher untergegangen. Von 1815 bis 1866 existieren stattdessen mehr als drei dutzend Einzelstaaten eher lose beisammen im Deutschen Bund, einen deutschen Nationalstaat gibt es nicht.

Faksimile des Deutschlandliedes von Heinrich Hoffmann von Fallersleben. picture-alliance/dpa/P. Grimm
Faksimile des Deutschlandliedes von Heinrich Hoffmann von FallerslebenBild: picture-alliance/dpa/P. Grimm

Die Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen Sachsen und Württembergern, Preußen und Bayern, Hessen und Holsteinern setzt nur zögerlich ein. Für ein Erwachen der deutschen nationalen Bewegung sorgt 1840 die französische Forderung, der Rhein solle künftig die Westgrenze Frankreichs sein. Im Klartext: Deutschland soll die Gebiete Elsass und Lothringen abtreten, die westlich des Rheins liegen.

Auf deutscher Seite entstehen daraufhin zahlreiche patriotische Lieder, die sich dem entgegen stellen. Das wohl bekannteste ist "Die Wacht am Rhein". Vor diesem politischen Hintergrund entsteht 1841 auch Hoffmanns "Lied der Deutschen". Gleichzeitig setzt es sich jedoch inhaltlich von ihnen ab.

Lied als "Liebeserklärung"

Das "Lied der Deutschen" ist insgesamt ein Beleg für Hoffmanns Heimatliebe zum nicht existierenden Vaterland. Die ersten Worte, "Deutschland, Deutschland, über alles", sind sein Appell an die Landsleute, alles dafür zu tun, ein Deutsches Reich zu schaffen, das alle positiven Attribute menschlichen Zusammenlebens vereint: Schutz, Brüderlichkeit, Einigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit.

Infografik Karte Deutscher Bund und deutsche Sprachraum um 1841. Foto: DW-Grafik: Per Sander

Sein Bekenntnis zu einem Nationalstaat richtet er an die Menschen im Gebiet des damaligen deutschen Sprach- und Kulturkreises. Das steckt er textlich mit Gewässern ab, die jeweils ungefähr dessen Grenzen markieren. So heißt es in der ersten Strophe: "Von der Maas (Fluss in Belgien/Niederlande im Westen), bis an die Memel (Fluss in Ostpreußen/Litauen im Nordosten), von der Etsch (Fluss in Südtirol im Süden), bis an den Belt (Meerenge in der dänischen Ostsee im Norden)…".

Das "Lied der Deutschen" wird bei Weitem kein Nummer-eins-Hit, sondern als eines von vielen gesungen, von Gesangvereinen, an Stammtischen, von Revolutionären, in studentischen Burschenschaften oder Turnvereinen. Die deutschen Kaiser lehnen es als zu republikanisch ab - anders als manche Soldaten später auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs.

Im Jahr 1922 erhebt schließlich der erste Reichspräsident der Weimarer Republik, der Sozialdemokrat Friedrich Ebert, das Lied zur offiziellen deutschen Nationalhymne. Einschließlich der zweiten Strophe, die deutsche Tugenden und Charakteristika schildert, die deutschen Frauen lobt, jedoch keine politischen Aussagen enthält, sondern eher in eine weinselige Atmosphäre passt.

Die Krux mit Strophe eins

Olympiastadion Berlin, 1936. oto: picture-alliance/Schirner Sportfoto
Die Nationalsozialisten veränderten die NationalhymneBild: picture-alliance/Schirner Sportfoto

Vor allem jenseits deutscher Grenzen wird die erste Strophe immer wieder - und zum Teil bis heute - fehlinterpretiert, manchmal, je nach politischer Absicht, sogar wissentlich falsch übersetzt. Kritiker verbinden mit ihr deutsche Überheblichkeit, Aggression und Großmachtstreben.

Daran haben vor allem die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler erheblichen Anteil. Die wohlbedachten feingeistigen Formulierungen Hoffmanns von Fallersleben passen, lässt man sie unreflektiert, hervorragend in die Expansionsbestrebungen und die Blut- und-Boden-Ideologie der braunen Unmenschen. Im "Dritten Reich" bleibt das Lied zwar Nationalhymne, gesungen wird aber nur die erste Strophe. Gleich danach folgt das sogenannte Horst-Wessel-Lied, seit 1929 ein nationalsozialistisches Kampflied und später "Parteihymne" der NSDAP.

"Lied der Deutschen" auferstanden aus Ruinen

Als Deutschland 1945 in Schutt und Asche liegt und anschließend unter den Siegern aufgeteilt wird, ähnelt die politische Lage jener Zeit, in der das "Lied der Deutschen" entstand: Deutschland ist zersplittert. Ausschließlich in der amerikanischen Besatzungszone ist für kurze Zeit das Singen und Spielen des "Deutschlandliedes" verboten.

Die DDR bekommt im November 1949 mit "Auferstanden aus Ruinen" eine eigene, neue Nationalhymne.

Text und Noten der deutschen Nationalhymne. Foto: Imago/Schöning
Text und Noten der deutschen NationalhymneBild: Imago/Schöning

Da die Bundesrepublik Deutschland zunächst keine Nationalhymne hat, gibt es auf internationalem Parkett die ein oder andere Peinlichkeit. So wird während eines Besuchs von Bundeskanzler Konrad Adenauer in den USA aus Verlegenheit das Karnevalslied "Heidewitzka, Herr Kapitän" gespielt.

Erst im Jahr 1952 werden durch Konrad Adenauer und Bundespräsident Theodor Heuß in Sachen Nationalhymne wieder Fakten geschaffen. Das "Lied der Deutschen" ist wieder offizielle Nationalhymne. "Bei staatlichen Veranstaltungen soll die dritte Strophe gesungen werden", heißt es jedoch einschränkend seitens der Bundesregierung.

Hoffmanns Text bleibt eine Herausforderung

"Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, danach lasst uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand!" Tatsächlich wirkt diese Formulierung in der dritten Strophe fast wie ein erneuter Appell Hoffmanns, als besondere Herausforderung für die Zeit der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Erfüllung findet dieser Apell mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Im Jahr darauf vereinbaren Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl, dass die dritte Strophe "des Liedes der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben mit der Melodie von Joseph Haydn" die Nationalhymne für das deutsche Volk ist.

Faksimile des Deutschlandliedes von Foto: picture-alliance/dpa
Überall im Land (hier vor dem Berliner Reichstag) feiern Menschen in der Nacht zum 3. Oktober 1990 die EinheitBild: picture-alliance/dpa

"Einigkeit und Recht und Freiheit", Menschen wie die Sportlerin Kristina Vogel, geboren in der Kirgisischen Sowjetrepublik, wissen diese Werte wie es scheint aus tiefem Herzen zu schätzen. Und so mancher Deutsche auch - weit weg von jeglicher Deutschtümelei.

Übrigens: Man kann auch die beiden anderen Strophen vom "Lied der Deutschen" ungestraft in Deutschland singen - die gehören aber nicht zur Nationalhymne.