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Gesellschaft

Everest, der überlaufene Berg?

Hans Spross
1. Juni 2019

Bessere Vorbereitung fordern nepalesische Bergführer von den zahlungskräftigen Kunden am Mount Everest. Plus bessere staatliche Kontrolle - dann wären auch noch mehr Bergsteiger zu verkraften.

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Nepal Mount Everest Camp 4
Bild: picture-alliance/dpa/Phurba Tenjing Sherpa

Die Bilder vom überfüllten Aufstieg zum Gipfel des Mount Everest sind - zusammen mit Meldungen über elf Bergsteiger, die am höchsten Berg der Erde alleine in den Monaten April und Mai ihr Leben gelassen haben - um die Welt gegangen. Die Magie der Berge des Himalaya scheint sich in einen Alptraum des (hochpreisigen) Massentourismus verwandelt zu haben. Schon zuvor hatten immer wieder Bilder und Berichte über die Vermüllung dieser vermeintlich erhabenen Region den Sinn des Klettertourismus am Everest in Zweifel gezogen.

Aber alle diese Bilder und selbst Berichte über das Klettern vorbei an Leichen werden die Anziehungskraft des Berges nicht beeinträchtigen. "Das Geschäft mit dem Bergsteigen wird niemals leiden, die Leute kommen auf jeden Fall, egal wie viele Unfälle es im Jahr vorher gab", sagt der Bergführer Mingma Gyalje Sherpa gegenüber der DW. Allerdings würden seine Leute, also die Bergführer aus dem Volk der Sherpas, darunter leiden: "Wenn es mehr Unfälle gibt, wollen die Familien aus Angst vor dem höheren Risiko ihre Männer nicht mehr auf den Berg schicken. Dann werden immer weniger Sherpas, jedenfalls erfahrene Sherpas, zur Verfügung stehen."

Nepal Kathmandu - Nepal Armee Einheiten bergen die Leichen von 4 Bergsteigern
Geborgene Leichen am Mount Everest im Mai 2019Bild: Imago Images/ZUMA Press/S. Gautam

"Everest-Besteiger müssen ihre Vorbereitung dokumentieren"

Dass man den Bergtourismus insgesamt zurückfahren sollte, indem der Staat weniger Genehmigungen für die Besteigung des Everest ausgibt, halten Mingma und andere nepalesische Kenner der Verhältnisse nicht für die geeignete Lösung. Auch Nepals Tourismus-Ministerium hat angekündigt, noch mehr Bergsteiger ins Land zu holen. Was im Ausland auf den ersten Blick angesichts der jüngsten Exzesse als absurd erscheinen mag, ergibt in den Augen der Beteiligten Sinn: "Wenn man den Bergtourismus besser organisiert, kann man durchaus zusätzliche Bergsteiger am Everest verkraften", sagt Subindra Bogati von der Nepal Peacebuilding Intiative, einer NGO.

Das Wichtigste wäre laut dem Sherpa Mingma, dass jeder, der auf den Everest will, dokumentieren muss, dass er bereits eine Reihe anderer Berge auf diesem Niveau bestiegen hat. "Das Hauptproblem am Everest sind die unerfahrenen Bergsteiger", berichtet Mingma. Viele von ihnen bekämen das Geld für diesen einen Trip von Sponsoren und könnten vorher nicht noch weitere 7000er oder 8000er Gipfel zur Vorbereitung besteigen. "Viele dieser Bergsteiger warten an den entsprechenden Stellen am Berg, um sich von uns Sherpas beim Anschnallen der Steigeisen helfen zu lassen. Dass Unfälle bei solchen unerfahrenen Bergsteigern passieren, ist logisch."

Sherpa Kami Rita
Kami Rita Sherpa, der den Mount Everest 22 Mal bestieg. Bild: picture-alliance/Pacific Press/M. Adhikari

Ungesunde Konkurrenz zwischen den Anbietern

Sowohl Subindra Bogati als auch der Bergführer verweisen neben der Unerfahrenheit vieler Bergsteiger am Everest auf einen weiteren Faktor, der zu vermehrten Unfällen führt: Der Preiskampf zwischen den Hunderten von Agenturen, die in Kathmandu um Kundschaft werben. Wer mit billigen Angeboten wirbt, müsse an Ausrüstung und Personal - eben erfahrenen Sherpas - sparen. "Manchmal nehmen sie einen Sherpa, der zum ersten Mal den Everest besteigt, als Führer. Wenn jetzt der Kunde ebenfalls unerfahren ist, ist ein Unglück fast vorprogrammiert", sagt Mingma. Stefan Nestler, Bergsport-Experte der DW, schreibt zu dem Thema: "Nur zwei der Todesfälle, die in diesem Frühjahr in der Region registriert wurden, waren 'klassische' Bergunfälle: Ein Sherpa stürzte am Cho Oyu in eine Gletscherspalte, ein Ire am Everest in die Tiefe. Die anderen 18 Todesfälle hingen mit Sauerstoffmangel und Entkräftung zusammen." 

Subindra Bogati spricht sich insgesamt für mehr Transparenz auf dem Markt der Tourenanbieter in Kathmandu aus, hier laufe vieles schief. So würden manche Agenturen die ihnen zustehenden Genehmigungen bewusst zurückhalten, um sie später, wenn das Zeitfenster eng wird, an den Meistbietenden zu verkaufen.

Mount Everest
In jüngerer Zeit streben auch immer mehr Inder nach Gipfelglück und -ruhm.Bild: Ajeet and Deeya Bajaj

Kooperation mit China beim Berg-Management?

Wenn der NGO-Vertreter von besserem Management des Tourismus am Everest spricht, liegt die Frage nahe, wie es mit der Zusammenarbeit zwischen Nepal und China steht. Schließlich steht der Berg auch auf chinesischem Territorium. China ist weitaus restriktiver bei der Vergabe von Genehmigungen zum Aufstieg, es vergab in diesem Frühjahr nur 142 an Ausländer. Das sei angesichts der extremen Empfindlichkeit und Kontrollwut Chinas in Bezug auf Tibet nicht verwunderlich, sagt Subindera Bogati. Kooperation mit China beim Management des Tourismus am Mount Everest wäre aus nepalesischer Sicht wünschenswert, aber aufgrund der besonderen Rolle Tibets und der diesbezüglichen Empfindlichkeit der chinesischen Politik derzeit unrealistisch.