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Faszination Kreuzfahrt

Claire Devlin11. September 2015

Hunderttausende sind gerade wieder zu den Hamburg Cruise Days gepilgert. Die Branche boomt. Denn auf den Schiffen reisen nicht nur Rentner und Betuchte, sondern auch Sportler, Disney- und Heavy Metal-Fans.

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Kreuzfahrtschiff - Parade bei den Hamburg Cruise Days
Bild: M. Lebowsky

Urlaub auf dem Schiff ist angesagt. 1,77 Millionen Deutsche haben im vergangenen Jahr eine Kreuzfahrt gemacht. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um 7,55 Prozent gestiegen. Das ergibt eine Studie des Deutschen Reiseverbandes. "Innerhalb von zehn Jahren hat sich das Passagieraufkommen in Deutschland mehr als verdreifacht", betont Michael Ungerer, Deutschland-Chef des Kreuzfahrtverbandes Cruise Lines International Association (CLIA). Bis 2017 sollen weltweit 25 neue Schiffe mit insgesamt 71.000 Betten in Dienst gehen.

Hamburg beweist, wie gut auch Deutschland Kreuzfahrt kann. Im Juni 2015 hat dort das dritte Kreuzfahrtterminal eröffnet. Mehr als 8000 Personen pro Schiffsanlauf können an und von Bord gehen. Auch die Cruise Days haben Tradition in Hamburg. Seit 2008 präsentieren dort Reeder und Veranstalter ihre Schiffe und die neusten Konzepte.

An Bord ist Deutschland "Vizeweltmeister"

Als Kreuzfahrer haben deutsche Urlauber mittlerweile die Briten von Platz zwei verdrängt. Nur Amerikaner machen häufiger Urlaub auf dem Schiff. Die Branche rechnet mit weiteren Steigerungspotential und vermutet, dass die Zwei-Millionen-Marke für deutsche Kreuzfahrtpassagiere schon dieses Jahr erreicht werden kann.

Kreuzfahrtschiff - Sonnendeck
Chillen an Deck auf einer MittelmeerkreuzfahrtBild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Lieblingsziel der Deutschen: die Ostsee und das Mittelmeer. "Die meisten Deutschen wollen das Maximum für wenig Geld. Viele starten deshalb in Kiel und machen dann eine Baltikum-Kreuzfahrt. Praktisch ist die kurze Anfahrt, oft mit dem eigenen Auto", sagt der Kreuzfahrtexperte Andreas Hey, der Urlauber beim Aussuchen einer passenden Reise berät. Nach einer Studie des Kreuzfahrtverbandes unternehmen 80 Prozent der Deutschen ihre Kreuzfahrt in europäischen Gewässern.

Fußball und Rockmusik statt Gala-Dinner und Kaviar

Im Laufe der Jahre hat sich die Kreuzfahrtindustrie verändert - besonders das Zielpublikum. "Im Schnitt werden die Passagiere immer jünger. Dieses angestaubte Image ist nicht mehr so präsent wie noch vor ein paar Jahren", sagt Hey.

Mit neuen Entertainment-Konzepten wollen Reedereien die jungen Urlauber überzeugen. Aktuell liegt der Altersschnitt der deutschen Kreuzfahrt-Urlauber trotzdem noch bei 50,4 Jahren. Um das zu ändern gibt es neue Ideen: TUI Cruises etwa bietet eine "Full Metal Cruise" an - 20 Bands für 2000 Heavy-Metal-Fans. "Die Full Metal Cruise ist die optimale Verbindung aus Festival, Städtereise und Urlaub auf dem Meer", verspricht Gödja Sönnichsen, Pressesprecherin von TUI Cruises. Wer andere Musikrichtungen bevorzugt, kann auch mit Udo Lindenberg, den Wiener Philharmonikern oder Helene Fischer verreisen.

Kreuzfahrtschiff - Full Metal Cruise
TUI wirbt um neues Publikum mit Heavy Metal Konzerten an BordBild: TUI Cruises GmbH Hamburg

Wer sich eher für Sport interessiert, kann mit zum Beispiel mit AIDA Cruises auf eine BVB-Reise gehen. Fußball-Fans fahren zu weltberühmten Stadien wie Wembley oder dem Trainingsgelände der Profis von Ajax Amsterdam. Auf dem Schiff gibt es Turniere und die Möglichkeit ehemalige Spieler von Borussia Dortmund kennenzulernen. Gestressten Eltern, die auf dem Kreuzfahrtschiff die Ruhe suchen, bietet die Disney Cruise Line das entsprechende Unterhaltungsprogramm für Kinder.

Am Anfang war der Luxus

Als erstes reines Kreuzfahrtschiff gilt die "Prinzessin Victoria Luise", die 1901 in Dienst gestellt wurde. Auf ihr gab es fast so viel Angestellte wie Passagiere, regelmäßige Galaabende mit Kaviar und Champagner. Auch formelle Kleidung gehörte lange Zeit zum Standard. Am Abschlussabend waren sowohl Anzug als auch Hemd und Krawatte schwarz - ein Zeichen der Trauer über das Ende der Reise.

Kreuzfahrtschiff - Queen Elizabeth und das Britania-Restaurant
Luxus wie früher: ein Restaurant der "Queen Elizabeth"Bild: picture-alliance/dpa/M. Scholz

Heute halten es die Reedereien ein wenig anders, interpretieren Luxus moderner. Seit 2013 ist das Motto der "Europa 2" von Hapag Lloyd "21 Knoten und keine Krawatte". "Es gibt immer mehr Leute, die viel Geld haben, abends aber trotzdem nicht in Anzug in Krawatte im Restaurant erscheinen wollen", sagt Kreuzfahrtexperte Andreas Hey.

Dabei muss eine Kreuzfahrt, wenn man auf Luxus keinen Wert legt, nicht teuer sein. „Im Grunde kostet eine Kreuzfahrt im Verhältnis zu einer Pauschalreise nicht unbedingt mehr“, meint Andreas Hey. Bei einem deutschen Anbieter kostet ein Urlaubstag im Schnitt rund 173 Euro, zeigt eine Studie vom Deutschen Reise Verband und CLIA Deutschland. „Der Preis lässt sich aber durchaus auf bis zu 100 Euro pro Tag drücken. Dafür muss man spontan sein und seine Komfortansprüche ein bisschen herunterschrauben. Vier-Bett-Innenkabinen sind zum Beispiel günstig“, erklärt Hey.

Kreuzfahrtschiff - AIDALuna
Getrübtes Urlaubsidyll - die Kreuzschifffahrt belastet die UmweltBild: picture-alliance/dpa/D. Gammert

Herausforderung Umweltschutz

Während die Kreuzfahrtindustrie gegenwärtig offenbar den Geschmack neuer Kundenschichten getroffen hat, müssen sie sich von Umweltschützern regelmäßig Kritik gefallen lassen. Seit Jahren warnt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) vor der Schadstoffbelastung in den Häfen und auf See.

Die zentralen Probleme sind die Schwerölverbrennung und die fehlende Abgasreinigung. Laut NABU entspricht die Schadstoffbelastung eines modernen Kreuzfahrtschiffs der Belastung von fünf Millionen modernen PKWs. Abhilfe soll die kommende Schiffsgeneration bringen. Die Reedereien Aida und Costa Crociere etwa wollen vier ihrer nächsten Schiffe mit Flüssiggas betreiben.

Auch wenn Umweltschutz und veränderte Reisewünsche die Kreuzfahrtindustrie immer wieder herausfordern, die Argumente für eine Kreuzfahrt sind immer noch dieselben, wie vor über 100 Jahren. "Der Gast reist mit seinem Hotel, es ist bequem, man muss sich nicht festlegen - auch nicht auf eine Destination", sagt Godja Sönnichsen, Pressesprecherin von TUI Cruises. "Man sieht jeden Tag etwas Neues, man kann mit mehreren Generationen reisen. Und das Meer hat eine große Faszination."