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Fettleibigkeit beflügelt Biomarkt

Steffen Leidel24. Mai 2004

Fettleibigkeit nimmt bedrohliche Ausmaße an, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und fordert die Dicken der Welt zum Abspecken auf. Das freut die Biobranche, die vor allem in den USA mächtig an Gewicht zunimmt.

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Übergewichtige belasten GesundheitswesenBild: bilderbox

Das Ergebnis der Studie "Size USA" ist nicht gerade schmeichelhaft: der Durchschnittsamerikaner über 45 Jahre hat einen Hängebauch, über die Hälfte aller Amerikanerinnen werden als "birnenförmig" klassifiziert. In der Untersuchung wurden 10.000 Amerikaner aus 13 Städten mit einem dreidimensionalen Scanner von Kopf bis Fuß vermessen. Überraschend ist das Ergebnis nicht. Nirgends auf der Welt gibt es so viele dicke Menschen wie in den USA. Zwei Drittel der Erwachsenen haben Übergewicht, die Hälfte davon ist sogar fettleibig. Aber auch die EU-Bürger schleppen zu viel Körpergewicht mit sich herum, bei den Männern liegt Deutschland sogar auf Platz 1.

Anlässlich der bis Samstag (21.5.) dauernden Jahrestagung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf malt der EU-Verbraucherkommissar David Byrne ein düsteres Szenario: "Wenn dieser Trend anhält, werden bald die meisten Europäer als übergewichtig eingestuft werden müssen". Viele Menschen essen zu viel, zu fett und zu salzig und sind selbst für ihr Übergewicht verantwortlich. Schlechte Ernährung ist laut WHO für 60 Prozent der jährlich 56 Millionen vermeidbaren Todesfälle verantwortlich.

US-Biomarkt boomt

Unter dem Gewicht der Dicken leidet auch das Gesundheitswesen. "Die Behandlungskosten eines Fettleibigen belaufen sich in den USA auf etwa 70.000 Dollar", sagt Frank Pietersen von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zu DW-WORLD. In Deutschland lägen die Kosten mit rund 12.000 Euro zwar etwas niedriger. Allerdings verursacht Übergewicht immer noch mehr Kosten als das Rauchen.

Jetzt formiert sich ausgerechnet im Fast-Food-Schlaraffenland USA die Gegenbewegung. Dick sein, sei nicht mehr in, sagt Eike Wenzel vom Zunkunftsinstitut in Kelkheim. Mehr als ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung hätten einen neuen Lebenstil für sich entdeckt, der auf gesunde und ökologisch korrekte Ernährung schwört. Gesunde Lebensmittel haben ihr Nischendasein beendet. Profitiert hat der US-Biomarkt, der stabile Zuwachsraten von bis zu 20 Prozent bietet.

Börsenstar Whole Foods

"Auch das Fast-Food wird sich in Zukunft radikal ändern", sagt der Trendforscher Wenzel im Gespräch mit DW-WORLD, "bei MacDonalds wird man ja jetzt schon regelrecht mit Salat beworfen, Burger King wirbt in Fernsehspots für fettarme Burger". Die Fast-Food-Ketten reagieren damit nicht nur auf veränderte Konsumgewohnheiten, sondern wollen auch möglichen Schadensersatzklagen Fettleibiger vorbeugen. "Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit bis der ersten Klagen anrollen", glaubt Pietersen.

Marktführer in der Bio- und Wohlfühl-Branche sind Firmen wie Whole Foods oder Wild Oats. Whole Foods ist das weltweit erste börsennotierte Bio-Unternehmen, das seit seinem Börsengang 1991 seinen Umsatz um 36 Prozent auf 2,7 Milliarden US-Dollar steigern konnte. "Das Marketingkonzept ist klar: Konsumieren ohne schlechtes Gewissen", sagt Wenzel. Das Unternehmen setze nicht nur auf hohe Qualität in seinen Produkten, sondern besteche auch durch die guten Sozialleistungen für die Mitarbeiter.

"Erhobener Zeigefinger"

Ebenfalls erfolgreich ist die Kette Trader Joe´s, seit 1979 übrigens Teil des deutschen Discounterimperiums Aldi. Im Gegensatz zu Whole Foods, bei dem schon mal 80 verschieden Zahnpastas im Regal stehen, bietet Trader Joe´s ein eingeschränktes, doch meist sehr ungewöhnliches Sortiment. "Da kann man zum Beispiel koschere Salami einkaufen", sagt Wenzel. Wie Aldi will auch Trader Joe´s Qualität zu günstigen Preisen anbieten. Allerdings liegen die Produkte nicht in Kartons herum, sondern werden kundenfreundlich präsentiert. Auf Angebote der trendigen Bio-Läden stehen allerdings meist nicht die, die es nötig hätten. Die Mehrheit der Kunden sind gesundheitsbewusste, junge Leute mit guten Einkommen und hohen Bildungsabschlüssen.

Bio-Produkte sind auch in Deutschland längst in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. "Es öffnen immer mehr Bio-Supermärkte", sagt Wenzel. Sie setzen oft auf den Regionalvertrieb: Die Artikel im Regal werden nicht tagelang über Autobahnen quer durch Europa gekarrt, sondern stammen aus dem Umkreis. Allerdings glaubt KPMG-Mitarbeiter Pietersen, dass in Deutschland der "erhobene Zeigefinger" deutscher Reformhäuser noch viele abschrecke. "Da wird noch viel mit der Angst der Konsumenten gespielt". In den USA dagegen habe man erkannt, dass die Kunden unbeschwert konsumieren möchten.