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Geldmaschine Suezkanal

Kersten Knipp6. August 2015

Ägypten hat den Suezkanal erweitert. Auf fast 40 Kilometern lässt er sich nun in beide Richtungen zugleich durchfahren. Das Land kann auf satte Gewinne hoffen - vorausgesetzt, die Weltwirtschaft spielt mit.

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Blick auf den Suezkanal (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/A. Abdallah Dalsh

Die Sandmassen sind ausgehoben, jetzt muss nur noch die Weltwirtschaft mitspielen. Denn auf sie wird es entscheidend ankommen, wenn die Hoffnungen, die Ägypten mit dem erweiterten Suez-Kanal verbindet, wahr werden sollen. Technisch bietet der in nur einem Jahr umgesetzte Ausbau der Wasserstraße alle Voraussetzungen, um die darbende ägyptische Wirtschaft zumindest teilweise wieder in Schwung zu bringen. 45 Baggerschiffe waren während des Ausbaus im Einsatz, dazu tausende Bagger und Transportfahrzeuge. Zusammen hoben sie über 258 Millionen Kubikmeter Sand aus. Auf einer Strecke von fast 40 Kilometern erweiterten sie den Kanal.

Von dem Ort Al-Qantara bis zum großen Bittersee ist die Strecke nun zweispurig. Damit ist der Kanal in beide Richtungen zugleich befahrbar. Die Zahl der Schiffe, die ihn täglich passieren, lässt sich so erheblich steigern. 49 sind es derzeit, 97 sollen es im Jahr 2023 sein - also fast doppelt so viele. Die Fahrt durch den fast 200 Kilometer langen Kanal verkürzt sich so von durchschnittlich 18 auf 11 Stunden. Das zahlt sich vor allem für Reeder aus. Bei Durchschittskosten von 46.000 Euro, die bei großen Schiffen pro Tag anfallen, können sie durch die Erweiterung knapp 14.000 Euro pro Durchfahrt sparen.

Hoffnung auf Milliardengewinne

Erweiterungsarbeiten am Suezkanal, 29.07.2015 (Foto: Reuters)
Erweiterungsarbeiten am SuezkanalBild: Reuters/M. Abd El Ghany

Mit Ausnahme der jüngsten Supertanker können sämtliche Transportschiffe den Kanal befahren. Der ägyptische Staat hofft auf große Gewinne. Derzeit nimmt er durch den Kanal jährlich 5,3 Milliarden US-Dollar ein. Im Jahr 2023 sollen es mehr als 13 Milliarden sein.

Damit sich dieser Plan erfüllt, muss die Weltwirtschaft kräftig wachsen. Dass sie das tut, halten Experten allerdings für keineswegs ausgemacht. Sie weisen darauf hin, dass schon im Jahr 2008 - also kurz bevor die Weltwirtschaftskrise auch nach Ägypten durchschlug - im Durchschnitt 59 Schiffe den Kanal passierten. Soll diese Zahl überschritten werden, setzt das ein jährliches Wachstum von zehn Prozent voraus.

Dass es dazu kommt, ist zumindest an den bisherigen Zahlen gemessen wenig wahrscheinlich, gerade im Schiffsverkehr. Einer Studie der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) zufolge wuchs der Seetransport zwischen 2000 und 2013 um weniger als 40 Prozent und damit deutlich weniger als die zehn Prozent jährliches Wachstum, auf denen die ägyptischen Berechnungen beruhen. Wenig Hoffnung, dass die Zahlen sich nennenswert steigern, hat auch der Internationale Währungsfond: Er geht bis 2016 von einem jährlichen Wachstum von 3,4 Prozent aus.

Lehren aus der Geschichte

Die Eröffnung des Suezkanals 1869 (Foto: Getty Images)
Pomp und Schulden: Die Eröffnung des Suezkanals 1869Bild: Getty Images/Hulton Archive

Eine Lehre haben die Ägypter aus der Geschichte gezogen: der Bau des ersten Suezkanals in den 1860er Jahren hatte das Land damals nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch in den Abgrund gezogen. Um die Arbeiten zu finanzieren, hatte man Schulden aufgenommen, vor allem bei französischen und britischen Banken. Die wuchsen derart an, dass Ägypten sie bald nicht mehr bezahlen konnte. Die Folge: Die Briten übernahmen das Kommando. Zunächst angeblich nur, um die nationale Wirtschaft auf die Beine zu bringen und in den Stand zu setzen, die Schulden abzutragen. Doch die Verwaltung wuchs sich aus, und Ägypten wurde zu einem britischen Protektorat. Erst 1922 wurde das Land - nach heftigen Protesten säkularer und religiöser Nationalisten - souverän. Wenige Jahre später wurde die Muslimbruderschaft gegründet. Ihre Ursprünge stehen im engsten Zusammenhang mit den Erfahrungen unter der britischen Herrschaft.

Die Kosten für die jetzt vollendete Erweiterung hat Ägypten aus nationalen Quellen finanziert. Der Staat gab Investment-Zertifikate im Wert von neun Milliarden US-Dollar heraus, die er mit zwölf Prozent verzinste. Die Ägypter ließen sich diese Gelegenheit nicht entgehen und kauften die Papiere. Damit sie aber tatsächlich ein gutes Geschäft machen, muss sich die Landeswährung erst noch stabilisieren. Derzeit verzeichnet das ägyptische Pfund eine Inflationsrate von zehn Prozent. Die kommt dem Staat bei der Bewältigung der Zinsen entgegen. Umgekehrt spült der Kanal ihm seit jeher Dollar in die Kasse. Denn die Transitgebühren werden in dieser Währung gezahlt, und nicht in ägyptischem Pfund.

Infografik: Der erweiterte Suezkanal (Grafik: DW)
Der erweiterte Suezkanal

Mehr als eine Wasserstraße

Auch für das Umfeld des Kanals hat die ägyptische Regierung ehrgeizige Pläne. Denn dieses ist längst noch nicht ausgeschöpft. Bislang war der Kanal vor allem eine Wasserstraße, ohne nennenswerte zusätzliche Infrastruktur. Das soll sich ändern. An den Ufern sollen Tankstationen und Reparaturwerkstätten für die Schiffe entstehen. Auch an eigene Werften ist gedacht, die auch die ägyptischen Logistikunternehmen selbst beliefern sollen. Die sind für den Im- und Export bislang auf die Dienste ausländischer Reeder angewiesen, die sich ihrer Dienste in der wichtigsten internationalen Hartwährung, dem Dollar bezahlen lassen. Das schlägt bei den inflationsgeplanten ägyptischen Transportunternehmern mit erheblichen Summen zu Buche.

Insgesamt soll sich der Suezkanal in eine riesige Industriezone verwandeln. Stahl- und Zementwerke sollen dort gebaut werden, auch andere Sektoren, etwa die Nahrungsmittelindustrie, sollen dort Fuß fassen. Insgesamt eine Million neuer Arbeitsplätze sollen Berechnungen zufolge am Suezkanal entstehen. Noch ist all dies Zukunftsmusik. Aber durch die in Rekordzeit umgesetzten Erweiterungsbauten hat Ägypten gezeigt, dass es seine Zukunft aller revolutionären Umwälzungen zum Trotz in den Griff bekommen kann.