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Politik

Gesetz gegen Terroristen mit zwei Pässen

4. März 2019

Deutsche mit zwei Staatsangehörigkeiten sollen ausgebürgert werden können, wenn sie für eine Terrormiliz in den Kampf ziehen. Der Plan gilt jedoch nicht für Verdächtige, die derzeit im Ausland festgehalten werden.

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Syrien, Baghouz: Männer, die verdächtigt werden, IS Kämpfer zu sein zu sein werden von der SDF durchsucht
Männer, die verdächtigt werden, IS-Kämpfer zu sein, werden von den Syrian Democratic Forces durchsucht Bild: Getty Images/AFP/B. Kilic

Lange hatten Konservative und Sozialdemokraten um diese Frage gestritten: Wie umgehen mit Kämpfern der Extremistenmiliz Islamischer Staat, wenn sie über zwei Staatsangehörigkeiten verfügen? Jahrelang tobte Streit darüber in der Koalitionsregierung. Die ersten Vorschläge für neue Gesetze gab es bereits im Jahr 2014. Schon 2016 lag sogar ein entsprechender Entwurf vor. Dabei blieb es zunächst.

Im Koalitionsvertrag vom Frühjahr 2018 hatten sich Union und SPD dann grundsätzlich darüber verständigt, eine entsprechende Regelung zu vereinbaren. Ein Gesetz ließ aber weiter auf sich warten. Bis jetzt.

Deutsche kämpfen für den IS

Ab 2014 hatten sich Tausende Deutsche nach Syrien und in den Irak aufgemacht, um sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen und mit Waffen für das von ihm ausgerufene Kalifat zu kämpfen. Radikale, die die Werteordnung der Bundesrepublik ablehnen und für ein System töten, in dem die Scharia gilt. Viele von ihnen sind umgekommen oder sitzen - oft mit Kindern und Frauen - in syrischen oder irakischen Lagern oder Gefängnissen fest. Von mindestens 70 Erwachsenen ist derzeit die Rede.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Justizministerin Katarina Barley (SPD) haben sich nun darauf geeinigt, dass deutschen IS-Kämpfern unter bestimmten Bedingungen der Pass entzogen werden kann. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll "zeitnah" umgesetzt werden, wie eine Sprecherin der Regierung sagte. Sie sprach von "einem Signal", das "präventive Wirkung" haben solle. "Es geht um die konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen für eine Terrormiliz im Ausland", erläuterte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Gesetz für die Zukunft

Drei Grundpfeiler hat die Regierung festgeschrieben: Seine deutsche Staatsangehörigkeit soll grundsätzlich verlieren können, wer über eine zweite Staatsbürgerschaft verfügt, volljährig ist und sich zukünftig an Kämpfen beteiligt. Das Gesetz soll also nicht rückwirkend für die Kämpfer gelten, die derzeit festsitzen und für den IS gekämpft haben. Was mit Menschen passiert, denen möglicherweise beide Pässe entzogen werden, ist unklar.

Deutschland Kabinettssitzung
Justizministerin Barley (SPD) und Innenminster Seehofer (CSU) haben um einen Kompromiss gerungenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Entscheidung über den Entzug eines Passes sollen die Innenministerien der betreffenden Bundesländer fällen und nicht - wie die SPD es wollte - die Gerichte.

Widerspricht der Vorschlag dem Grundgesetz?

Der Plan der Koalition wird von Teilen der Opposition heftig kritisiert. Der verfassungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Niema Movassat, erklärt: "Wenn Deutschland in Fällen doppelter Staatsbürgerschaft die Staatsangehörigkeit entzieht, lagert es die Probleme, die bei uns entstanden sind, in andere Länder aus." Das Grundgesetz formuliere aus gutem Grund hohe Hürden an den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft: "Es ist eine Lehre aus dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat, der politische Gegner ausbürgerte."

Für die FDP kommt der Vorstoß der Regierung viel zu spät. Es handele sich lediglich um "Schaufensterpolitik", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae. Die Bundesregierung, fordert er, solle endlich Position beziehen "wie sie mit den gefangenen deutschen IS-Kämpfern umgehen will, die weiterhin ein großes Sicherheitsrisiko darstellen".

Wie umgehen mit Rückkehrern?

Der Gesetzesvorstoß der Koalitionsregierung richtete sich an künftige Terrorkämpfer, löst aber nicht das Problem des Umgangs mit den Terroristen, die nun aus den Kampfgebieten nach Deutschland zurückkommen werden. Darunter werden auch einige wenige sein, die zwei Pässe besitzen. Der deutsche Rechtsstaat wird sie und ihre Familien zurücknehmen müssen. Für Polizei und Justiz wird das zu einer großen Herausforderung. Es wird schwierig, ihnen Verbrechen im IS-Gebiet nachweisen zu können. Und vor allem: Sie bleiben potentiell gefährlich; müssen zum Teil rund um die Uhr mit hohem Aufwand bewacht werden. Hätte die Regierung schneller gehandelt und schon vor Jahren entsprechende Gesetze erlassen, wäre für die betroffenen deutschen Behörden nun einiges sehr viel einfacher.

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Ende 2009 riefen erstmals mutmaßlich deutsche Islamisten andere Deutsche in Propagandavideos zum Dschihad aufBild: picture-alliance/dpa/ Internet

Denn genau das tut die Koalitionsregierung mit dem Gesetzesvorstoß nicht. Der nämlich regelt nur den Umgang mit künftigen Terrorkämpfern, nicht aber, wie Terroristen wegen heute zurückliegender Taten zu behandeln sind, wenn sie aus den Kampfgebieten nach Deutschland zurückkommen. Hätte die Regierung schneller gehandelt und schon vor Jahren entsprechende Gesetze erlassen, wäre für die betroffenen deutschen Behörden nun also einiges sehr viel einfacher.

Nun muss der deutsche Rechtsstaat sie und ihre Familien zurücknehmen, auch wenn sie zwei Pässe haben. Für Polizei und Justiz wird das eine große Herausforderung. Zumal es schwierig wird, ihnen Verbrechen im IS-Gebiet nachzuweisen und sie dafür zu bestrafen. Und: Sie bleiben potentielle Terroristen; zum Teil müssen sie rund um die Uhr mit hohem Aufwand bewacht werden. Auch das ist eine enorme personelle und finanzielle Belastung.

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online