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Robin Smiciklas: Träume beim Golf trotz Tourette

29. November 2023

Heftiges Zucken und höchste Präzision Tourette kann Spitzensportler Robin Smiciklas beim Golf nicht aufhalten. Der 31-Jährige Golfer geht mit seiner Beeinträchtigung offen um. Sein Ziel: die Weltspitze.

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Profigolfer Robin Smiciklas spielt Golf beim Golfclub Abenberg
Mutiger Schritt ins Profigeschäft: Robin Smiciklas versucht es auf eigene FaustBild: Marian Lenhard/laif

Robin Smiciklas ist fertig zum Abschlag. Die Beine ins Fairway gestemmt, visiert er das Grün an. Ein Moment der Ruhe, des Sammelns. Da zuckt sein linker Arm. Einmal. Zweimal. Dann noch heftiger. Smiciklas lässt es geschehen. Seine Konzentration wirkt ungebrochen. Momente später schickt er den Ball präzise auf die Reise.

"Es ist häufig so, dass einfach noch mal ein paar Tics raus müssen", erzählt er im Gespräch mit der DW. "Es hat einige Jahre gedauert, bis ich soweit war, mich nicht in meiner Konzentration stören zu lassen, und ebenso wenig davon, was andere in dem Moment über mich denken", sagt Smiciklas, der  Tourette hat.

Seit seinem achten Lebensjahr lässt das Syndrom seine Muskeln unvermittelt zucken. Trotz dieser Beeinträchtigung mischt er seit einem Jahr als Profi im Golfzirkus mit.

"Ich bin zufrieden mit der Saison und habe gezeigt, dass ich vorne mitspielen kann", sagt er. In zwei bis drei Jahren, so sein Masterplan, will er in der ersten Riege der Golfwelt dabei sein. 

"Kann ich das schaffen?"

Mit 31 Jahren ist Smiciklas ein Spätstarter. Tourette hat ihn lange zurückgehalten, zu groß waren seine Zweifel. "Ich war erst jetzt in der mentalen Verfassung, dass ich so gefestigt bin zu sagen, das ist für mich kein Grund mehr, es nicht zu versuchen." Mit Sponsoren, die diese "verrückte Geschichte mitmachen", verfolgt er nun seinen Weg.

Mit dem Schritt zum Profi entschied er sich auch bewusst dafür, sein Tourette-Syndrom öffentlich zu machen. "Selbstschutz war ein Motiv", sagt Smiciklas.

Komische Blicke ist er seit seiner Kindheit gewöhnt. Wenn Konkurrenten und Publikum Bescheid wüssten, seien es ein paar weniger, so sein Kalkül. Außerdem möchte er Tourette aus der "Tabu-Ecke" holen.

"Die Leute kennen häufig aus den Medien nur die extreme Form des Syndroms, mit Schimpfwörtern und krassen Zwangsstörungen", erzählt er. Für die motorische, nonverbale Variante, von der er selbst betroffen ist, sei die Gesellschaft kaum sensibilisiert. "Das möchte ich ändern." 

Positive Effekte durch Sport

Ein Golfprofi mit Tourette - eine verrückte Idee? Keineswegs, meint Prof. Markus Raab, Leiter der Abteilung Leistungspsychologie von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Golf sei eine "diskrete Sportart", bei der der Athlet selbst über den Zeitpunkt des Schlags entscheiden kann, anders als beispielsweise im Tennis.

"Bei Tourette ist es zwar nicht möglich, alles zu hundert Prozent zu unterdrücken", erklärt er im DW-Gespräch, "aber die Betroffenen haben die Möglichkeit, ihre Tics zeitweise zu beeinflussen." 

Smiciklas bestätigt dies aus eigener Erfahrung. Nach manch erfolgreich gespielter Runde bahnen sich die Tics ihren Weg und lassen ihn in den Stunden danach kaum zur Ruhe kommen. Sport sei dennoch für ihn schon immer Ausgleich und Bestätigung gewesen.

Prof. Markus Raab von der Deutschen Sporthochschule Köln
Prof. Markus Raab von der Deutschen Sporthochschule sieht Tourette nicht als Hindernis für erfolgreichen SportBild: DSHS Köln

"In dieser Hinsicht ist die Studienlage recht eindeutig", erklärt Raab. "Wenn man es nicht übertreibt, hat Bewegung positive Effekte auf unsere Motorik, unsere Wahrnehmung, aber eben auch auf unsere Emotionen." Das gelte gleichermaßen für Menschen mit Tourette wie mit anderen psychisch-neurologischen Einschränkungen.

Tatsächlich gibt es Athleten mit Tourette-Syndrom, die es in die Weltelite geschafft haben. Fußball-Torwart Tim Howard, der in der Premier League für Manchester United und den FC Everton spielte, hütete 15 Jahre lang das Tor der US-Fußballnationalmannschaft.

Noch prominenter ist Basketballer Mahmud Abdul Rauf. Neun Jahre spielte er in der US-Profiliga NBA und maß sich dabei im direkten Duell mit Ikone Michael Jordan.Bei ihm äußert sich das Syndrom bis heute nicht nur durch Zucken, sondern auch durch unkontrolliertes Fluchen, sogenannte vokale Tics.

Zudem machten ihm in seiner aktiven Zeit Zwangsstörungen zu schaffen. Erst wenn seine Schuhe aus seiner Wahrnehmung perfekt gebunden waren, konnte er aufs Parkett. Um sein Wurftraining zu beenden, war für ihn nicht die Anzahl der Treffer entscheidend, sondern allein das "richtige" Geräusch des Balles beim Treffer. Die hundertfachen Wiederholungen machten den heute 54-Jährigen zu einem der besten Distanzschützen der Liga.  

Kreativität auf dem Golfplatz

Angesprochen auf "Vorteile", die Tourette ihm im Sport gebracht haben, muss Smiciklas nicht lange überlegen. "In schwierigen Situationen auf dem Golfplatz habe ich eine gewisse Kreativität, wie ich ich den Ball trotzdem noch dahin kriege, wo ich ihn hinhaben will", erklärt er. Eine Folge seiner schwierigen Zeit als Jugendlicher, als er immer nach Wegen gesucht habe, sein Zucken zu kaschieren und es so aussehen zu lassen, als wäre er wie alle anderen.

Obwohl Tourette mit seiner Persönlichkeit so eng verwoben ist, merkt man Smiciklas an, dass er dieses Thema nicht in den Vordergrund rücken möchte. Seine Leistung und der Aufstieg in die "Challenge Tour" sind das, worauf er sich fokussiert.

Wenn es klappt, würde Smiciklas' Idol Kobe Bryant recht behalten. Der 2020 verstorbene US-Basketballstar sagte einmal: "Die größten Träume werden nicht von Glauben angetrieben, sondern vom Zweifel."

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Jens Krepela Redakteur, Reporter, Autor