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Wer ist die "Alternative für Deutschland"?

Kay-Alexander Scholz, Berlin5. September 2016

Alles, was man wissen muss, um bei Thema AfD mitreden zu können: Wer gehört dazu? Wie radikal ist sie wirklich? Wer sind die Wähler? Wird die AfD bleiben?

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Symbolfoto AfD: Vier Männer hängen ein AfD-Transparent auf (Foto: Dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

In Zahlen ausgedrückt ist die "Alternative für Deutschland", kurz "AfD" genannt, eine Partei mit derzeit (Stand: Ende August) rund 23.500 Mitgliedern. Davon sitzen zwei Abgeordnete im Europa-Parlament. 104 AfDler sind Abgeordnete in einem der deutschen Landtage. Die AfD ist in der Hälfte der 16 Landesparlamente vertreten. Mit Mecklenburg-Vorpommern wird es dann neun Parlamente mit einer AfD-Fraktion geben. Daneben gibt es 700 Mandatsträger in kommunalen Parlamenten, also in Gemeindevertretungen oder Kreistagen.

Politisch verortet ist die AfD im rechten Spektrum. Hier reiht sich die Anfang 2013 gegründete Partei in die Riege rechtspopulistischer Parteien wie der FPÖ, des Front National oder der Ukip ein. Viele Forscher sehen die Ursache für das Entstehen der AfD in der Politik von Angela Merkel, die auch Vorsitzende der konservativen CDU ist. Seit Beginn ihrer Kanzlerschaft im Jahr 2005 hat Merkel ihren Christdemokraten einen Modernisierungskurs verordnet, hin zur politischen Mitte. Das schuf einen Freiraum am rechten Rand. Merkels Entscheidungen als Kanzlerin - wie der Ausstieg aus der Atomkraft oder das Aussetzen der Wehrpflicht - hinterließen politisch Heimatlose, die die Koordinaten ihres konservativen Weltbildes erschüttert sahen.

In den Jahren des Krisenmanagements nach 2008 entwickelte sich eine Opposition gegen Merkels Vorgehen, insbesondere gegen ihre Euro-Rettungspolitik - obwohl Deutschland wirtschaftlich gut aus den Krisen herauskam. Anfang 2013 schließlich schaffte es der Volkswirtschaftler Bernd Lucke, diese Unzufriedenen und Kritiker um sich zu scharen. Die AfD wurde gegründet.

Die beiden Flügel der Partei

Bei der Bundestagswahl im September 2013 scheiterte die AfD nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Weil bei dieser Wahl die liberale FDP aus dem Bundestag flog, schlossen sich in der Folge auch aus deren Anhängerschaft viele der AfD an. Diesen bürgerlich-liberalen Teil gibt es in der AfD bis heute.

Doch schon von Beginn an suchte auch die sogenannte Neue Rechte in Deutschland - das sind diverse Kleinparteien, Gruppen und Intellektuelle, die sich durch ein ausländerfeindliches und reaktionäres Weltbild auszeichnen - in der AfD eine neue politische Heimat. Um mehr Stimmen zu bekommen, sprach die AfD-Führung mit Bernd Lucke, Frauke Petry, Björn Höcke und Alexander Gauland bewusst auch dieses ganz rechte Spektrum an. Auch zur "Pegida"-Bewegung gab es Kontakte.

Petry: "Keine Zusammenarbeit mit Pegida"

Wie weit sich die AfD nach rechts hinauslehnen soll, daran entzündete sich alsbald ein interner Machtkampf, aus dem Petry als Siegerin hervorging. Parteigründer Lucke trat aus und gründete mit "Alpha" eine neue Partei, die aber bedeutungslos blieb. In den Umfragen fiel die AfD daraufhin wieder auf den Status einer Kleinpartei zurück.

Gründe für den Erfolg

Die Flüchtlingskrise wirkte wie ein Katalysator für die "Alternative für Deutschland". Als einzige Partei, die der landesweit propagierten Willkommenskultur von Anfang an kritisch gegenüberstand, schaffte sie den Sprung auf zweistellige Umfragewerte und in wichtige Landtage. Damit war die AfD etabliert, organisierte sich und erhielt staatliche Gelder. In der Öffentlichkeit inszenierte die Partei einen Tabubruch nach dem anderen, was noch mehr Wähler anzog.

Die anderen Parteien versuchten lange Zeit, die AfD zu ignorieren. In der Hoffnung, die Partei werde sich durch neue Machtkämpfe schon selbst wieder zerlegen. In den deutschen Medien wurde die AfD zumeist im Kontext ihrer rechtsradikalen Tendenzen oder als Bühne innerparteilicher Machtkämpfe thematisiert. Deshalb übernahm die AfD den Slogan "Lügenpresse" von der Pegida-Bewegung, was als Verteidigung gut funktionierte.

Foto mit Frauke Petry und Leif-Erik Holm (Foto: Imago)
Bürgerliches Auftreten: Parteichefin Frauke Petry und der AfD-Chef in Mecklenburg-Vorpommern, Leif Erik HolmBild: Imago

Medial kaum beleuchtet wurde dagegen der Mittelbau der AfD. Im Windschatten dieser Berichterstattung konnten die zumeist bürgerlichen AfDler in den Städten und Gemeinden auf lokaler Ebene Sympathiepunkte sammeln. Nicht wenige Ärzte, Anwälte oder Unternehmer engagieren sich in der Partei, die davon bis heute profitieren kann. Wer sich die Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern anschaut, erkennt genau diese Klientel. Die AfD wird im Nordosten zur ernstzunehmenden Bedrohung für die CDU und erst recht für die FDP.

Wer wählt die AfD?

Die AfD wird von allen Altersgruppen gewählt, auch von Jungen. In der Nachwuchsorganisation "Junge Alternative" finden sich viele, die gegen den links-grün empfundenen Mainstream in Deutschland opponieren. Passend dazu hat sich der Zeitgeist bei den jüngeren Deutschen verändert. Aus dem Neo-Biedermeier der Jahrtausendwende mit seinem ausgeprägten Sicherheitsdenken sind viele AfD-Sympathisanten hervorgegangen. In Ost-Deutschland wählt in manchen Regionen jeder dritte Jugendliche AfD - oder gleich die noch extremere NPD.

Ein weiteres Wählerpotential konnte sich die AfD aus der Nichtwähler-Gruppe erschließen. Hierunter zählen im Osten die alten Wende-Verlierer und im ganzen Land die zumeist schlecht Ausgebildeten Globalisierungsverlierer. Aber auch in manchen Migranten-Gruppen, wie bei den Russland-Deutschen, finden sich inzwischen viele AfD-Anhänger.

Plakate gegen die AfD (Foto: Dpa)
Die AfD polarisiert: Es gibt eine breite Bewegung gegen die ParteiBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Wahl-Anaylsen haben gezeigt, dass Wechselwähler aus allen anderen Parteien zur AfD gewechselt sind. Im Osten, wo die AfD Umfragewerte von 20 Prozent hat, wird die Partei deshalb von manchen Beobachtern schon als kleine Volkspartei angesehen.

Zukunft: Die Frage der Macht

Programmatisch hat die AfD lange gebraucht, bevor ein Programm verabschiedet wurde. Primär wollte man Sammelbecken für Unzufriedene sein - eine allzu klare Programmatik wirkt da kontraproduktiv. Im April 2016 wurde - erst nach drei Jahren - das erste Grundsatzprogramm verabschiedet. Es wirkt recht bunt, schwankt zwischen reaktionären, konservativen, liberalen und libertären Gedanken. Derzeit dominieren in der Öffentlichkeit die Themen Migration, Islam und Innere Sicherheit. Typisch für Populisten zählt immer das, was gerade für Aufsehen sorgt.

Die meisten Politikwissenschaftler sehen die AfD inzwischen als feste Größe in der deutschen Parteienlandschaft. Allerdings sollten die noch immer brodelnden Machtkämpfe um die AfD-Führung nicht unterschätzt werden. Jüngst zeigte sich in Baden-Württemberg, wo sich die AfD-Fraktion zerlegte, wie viel Sprengkraft diese Kämpfe sowohl nach innen als auch nach außen haben können. Parteichefin Petry wurde von ihrem Co-Vorsitzenden Meuthen attackiert, der sich mit Petry-Kritikern verbrüdert hatte. Derzeit gibt es nur einen Burgfrieden an der Parteispitze.

Petry, interesanterweise wie Merkel promovierte Naturwissenschaftlerin und in der DDR aufgewachsen, fährt derzeit einen eher moderaten Kurs und orientiert sich an der österreichischen FPÖ, die schon seit Jahrzehnten existiert. Kann sie sich weiter an der Spitze halten, wird die AfD wohl bei ihrem relativ gemäßigten neo-konservativen Profil bleiben. Wenn nicht, werden die radikaleren Kräfte sich durchsetzen.

Die Zukunft der Partei wird selbstverständlich auch vom politischen Geschehen abhängen. Gibt es weitere Terrroranschläge? Wie entwickeln sich die Flüchtlingszahlen? Wie gelingt die Integration? Ganz wesentlich auch davon wird abhängen, in welcher Stärke die AfD im September 2017 nach der Bundestagswahl in das Reichstagsgebäude, wo der Bundestag sitzt, einziehen wird.