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GMF: Mit Influencer zu mehr Demokratie?

Torsten Landsberg
21. September 2020

In Deutschland geht es Influencern oft um Schminktipps, anderswo sind sie politisch aktiv. Auf dem Global Media Forum haben sie miteinander diskutiert.

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Screenshot der digitalen Diskussion zu "The power of influencers" zeigt einen vier geteilten Bildschirm mit zwei Frauen und zwei Männern (Foto: DW).
DW-Moderatorin Rachel Stewart sprach mit ihren Gästen über die Bedeutung von Influencern für demokratische ProzesseBild: DW

Welcher Eyeliner verschmiert am wenigsten, wie bekomme ich einen flachen Bauch und welches Muster passt am besten zu einer Röhrenjeans? In Deutschland geht es beim Stichwort "Influencer" in der Regel um Schminktipps und Modefragen. Während die Netzgemeinde durchaus politisch aktiv ist, sind politische Kommentare von YouTubern wie LeFloyd oder Rezos viel diskutierte und preisgekrönte "Zerstörung der CDU" eher selten.

Das mag an den vergleichsweise angenehmen Lebensumständen in Deutschland liegen. In anderen Ländern und Regionen der Welt steigt dagegen die Zahl der Influencer, die aufgrund repressiver politischer Systeme, mangelnder Menschenrechte und der Verfolgung Oppositioneller eine wichtige Gegenöffentlichkeit repräsentieren.

Drei von ihnen diskutierten am Montag (21. September) mit DW-Moderatorin Rachel Stewart im Rahmen des Global Media Forums  digital zum Thema: "The power of influencers and what they mean for democracy" (Die Macht der Influencer und was sie für die Demokratie bedeuten). In der Runde ging es auch um die Frage, welche Rolle die sozialen Medien in einer sich verändernden Medienwelt einnehmen, in der viele Menschen ihre Informationen nicht mehr (nur) von traditionellen Medien beziehen.

"Sie können den Hashtag nicht verhaften"

"Die sozialen Medien sind eine Waffe, wenn du realen Waffen in Deinem Alltag begegnest", sagte die iranische Journalistin Masih Alinejad, die vor zehn Jahren aus dem Iran geflohen war und deren Accounts auf Instagram und Twitter heute insgesamt mehrere Millionen Menschen folgen. "Sie haben mich aus dem Iran geworfen, aber ich bin über die sozialen Medien jeden Tag dort."

Alinejad rief den Hashtag #WhiteWednesdays ins Leben, unter dem sie und andere Nutzer - besonders Frauen - Videos und Fotos von Übergriffen veröffentlichen, denen sie sich im Iran von staatlicher Seite ebenso ausgesetzt sehen wie von einer Moralpolizei. "Sie können die Nachricht nicht verhaften. Sie können den Hashtag nicht verhaften."

Screenshot der digitalen Diskussion "The power of influencers" zeigt Influencer Hussein Baoumi (Foto: DW).
Hussein Baoumi arbeitet für Amnesty International aus Ägypten und dem LibanonBild: DW

Jedoch könne auch die Berichterstattung über soziale Medien erschwert werden, sagte Hussein Baoumi, der für Amnesty International in Tunesien und Ägypten arbeitet: "Kanäle mit mehr als 5.000 Followern werden von der Regierung wie ein Medienunternehmen bewertet." Damit stünden auch die privaten Betreiber von Accounts unter besonderer Beobachtung. Viele Aktivisten würden verhaftet und angeklagt, häufig unter dem Vorwand, terroristischen Organisationen anzugehören. "Viele traditionelle unabhängige Medien sind ohnehin geschlossen worden."

Den Marginalisierten eine Stimme geben

Wegen der staatlichen Verfolgung steige die Zahl von Social-Media-Accounts, deren Betreiber sich nicht zu erkennen gäben, sagte Baoumi. Ihre Arbeit für die Vermittlung von Informationen, die nicht der Regierungslinie entsprechen, sei nicht zu unterschätzen: "Influencer gehen Risiken ein, um den marginalisierten Bevölkerungsgruppen eine Stimme zu geben." Besonders für die Diversität sei deren Arbeit von großer Bedeutung.

"Die Rolle der Influencer kann über die Kontinente hinweg sehr wertvoll sein", sagte auch J.J. Omojuwa, Gründer und Chefstratege der nigerianischen Plattform The Alpha Reach. "Wir haben es im Arabischen Frühling gesehen, aber auch im Senegal, in Simbabwe oder Südafrika gibt es Bewegungen, deren Stimmen dank der sozialen Medien gehört werden."

Screenshot der digitalen Diskussion zu "The power of influencers" zeigt J.J. Omojuwa  (Foto: DW).
J.J. Omojuwa unterstrich die Verantwortung der Influencer für die Verbreitung ihrer InformationenBild: DW

Verantwortung für die Informationen

Da der Zugang zu freier Berichterstattung in vielen Regionen von den Regierungen durch Verfolgung, Zensur oder die Abschaltung des Internetzugangs erschwert wird, unterstrich Omojuwa, dass die Influencer sehr verantwortungsvoll mit ihrem Einfluss umgehen müssten: "Wenn du eine populäre Plattform hast, glauben dir die Menschen." Was die Influencer veröffentlichen, verbreite sich schnell um die ganze Welt. "Deshalb ist es auch wichtig zu wissen, wann man sich zurückhalten sollte."

Als Problem bezeichneten die Teilnehmer, dass auch Fake News im vergleichbaren Ausmaß über die gleichen Plattformen verbreitet werden. "Es ist sehr frustrierend, wenn ein Mensch hingerichtet wird und die Medien gleichzeitig eine ganz andere erfundene Story veröffentlichen, damit die Leute ein anderes Gesprächsthema aufgreifen", sagte Masih Alinejad mit Blick auf den am 12. September vom Iran hingerichteten Ringer Navid Afkari.