1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Iran stellt "Corona-Detektor" vor

Shabnam von Hein
22. April 2020

Die Corona-Epidemie hat den Iran voll im Griff. Revolutionsgarden und islamische Mediziner komplizieren die Lage mit bizarren Ideen zur Entdeckung und Behandlung.

https://p.dw.com/p/3bG6A
Iran Corona-Pandemie | Anti-Corona-Gerät
Präsentation der "Wunderwaffe gegen Coronavirus" durch RevolutionsgardenBild: MEHR

"Ein komplett im Iran gebautes Gerät kann innerhalb von einigen Sekunden jede Coronavirus-Infektion erkennen", behauptet der Chef der Revolutionsgarden, General Hussein Salami. Dieses Wundergerät hatte er am 15. März im staatlichen iranischen Fernsehen vorgestellt. Angeblich erzeugt das Gerät ein Magnetfeld, mit dessen Hilfe innerhalb von fünf Sekunden jede Infektion mit dem neuartigen Coronavirus in einem Umkreis von 100 Metern erkannt werden kann. Mit 80-prozentiger Sicherheit liefere das Gerät korrekte Ergebnisse, erklärte General Salami.

Iranische User in sozialen Netzwerken fanden es beängstigend, dass der Chef der Revolutionsgarden anscheinend im Ernst glaubt, dass dieses "Spielzeug" funktioniert.

High-Tech oder doch Fake-Tech?

Viele machen sich lustig über das Gerät, aber einige steuern auch eigene Recherchen bei. Das vorgestellte Gerät ähnele zum Verwechseln einem Aggregat, das im Juni 2017 von einem unbekannten iranischen "Erfinder" ebenfalls an die Revolutionsgarden verkauft und danach medienwirksam präsentiert worden war. Mit seiner Hilfe sollte man in bis zu 42 Kilometer Tiefe in der Erde Wasserquellen entdecken können. Eigentlich sei es eine "Erfindung" des berüchtigten britischen Betrügers James McCormick gewesen, schreibt der User Azim auf Twitter.

McCormick hatte Mitte der 2000er Jahre einen angeblichen Bomben-Detektor hergestellt, der mithilfe elektromagnetischer Wellen funktionieren sollte. Er hatte mehrere Tausende Exemplare seines unbrauchbaren Geräts für über 50 Millionen Euro an den Irak und andere Länder verkauft. Wegen Betrugs wurde er 2013 in England zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Iranische Wissenschaftler nicht überzeugt

Das jetzt vorgestellte Gerät zur Ortung von Corona-Infizierten sei "geeignet für Science-Fiction-Geschichten", teilte die Vereinigung iranischer Physiker mit. Mit den mächtigen Revolutionsgarden im Iran legt man sich eigentlich nicht an. Die iranischen Physiker konnten so viel Scharlatanerie aber anscheinend nicht mehr ertragen. Die Wissenschaft sei von der Fähigkeit zur Aufklärung der winzigen Viren mit elektromagnetischen Methoden weit entfernt, sagen die Experten. Sie empfehlen den Revolutionsgarden, das Gerät der Wissenschaft zur Prüfung  zur Verfügung zu stellen.

Derartige Kritik sei ein "Ausdruck ihrer Schwäche, Minderwertigkeit und Verzweiflung", erklärte der Sprecher der Revolutionsgarden, Ramazan Sharif. "Diese Angriffe werden bald verblassen und sie werden die Fakten und die Wahrheit akzeptieren müssen - wie in der Vergangenheit bezüglich unserer präzisen Raketen und strategischen Drohnen."

Kianoosh Jahanpour Sprecher iranisches Gesundheitsministerium
Sprecher des iranischen Gesundheitsministeriums Kianusch DschahanpurBild: Irna

Der Sprecher des iranischen Gesundheitsministeriums, Kianusch Dschahanpur, drückte sich vorsichtiger aus: "Das Gesundheitsministerium war über den Virusdetektor nicht informiert und kann nicht bestätigen, dass er funktioniert", sagte er der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu.

Statistische Verrenkungen

Dschahanpur hat keinen einfachen Job. Laut offiziellen Zahlen habe sich bislang mehr als 83.000 Menschen im Iran mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt, mehr als 5200 sind an den Folgen der Infektion gestorben.

Allerdings glaubt kaum einer, dass die Zahlen korrekt sind. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts ISPA von Anfang April schenken nur 27 Prozent der Befragten im ganzen Land den Statistiken des Gesundheitsministeriums Glauben.

Das ist kein Wunder, denn die Zählweise der Todesopfer wird manipuliert, damit die Zahlen nicht zu hoch ausfallen. Ein Beispiel dafür bietet ein Interview des Parlamentsabgeordneten Reza Shiran Khorasani mit der Iranian Labour News Agency (ILNA) von Ende März: "Für diese Krankheit gibt es einen ausländischen Namen, der heißt Corona, und einen einheimischen, der heißt 'Akutes Atemwegssyndrom'." Die Zahl der Todesopfer durch das "Akute Atemwegsyndrom" sei in der Provinz Khorasan achtmal höher als die Zahl der Corona-Toten, behauptete Khorasani.

Iran Teheran Coronavirus
Intensivstation in einem Krankenhaus in TeheranBild: picture-alliance/AP Photo/A. Shirband

Einerseits handelt es sich laut dem Abgeordneten also um dieselbe Krankheit, nur mit zwei Namen. Andererseits sterben aber manche Leute an der Krankheit mit dem Namen "Corona" (tatsächlich ist der Name der Krankheit COVID-19), andere wiederum an der Krankheit namens "Akutes Atemwegssyndrom" (dies kann tatsächlich eine Folge einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus sein). Äußerungen wie diese zeigen, mit welchen gedanklichen Verrenkungen manche iranische Politiker versuchen, das Ausmaß der Corona-Epidemie in ihrem Land herunterzuspielen.

Gefährliche Behandlung durch "islamische" Medizin 

Der Sprecher des iranischen Gesundheitsministeriums wird nicht nur ständig mit diesen widersprüchlichen Angaben zur Corona-Epidemie konfrontiert, er muss auch fast täglich zu Erfindungen oder Empfehlungen von Vertretern der islamischen Medizin Stellung nehmen.

Am Montag  musste Dschahanpur  Fragen zur Wirkung von Kamelurin beantworten. Im Gegensatz zur manchen arabischen Ländern, wo Kamelurin als ein wirksames Heilmittel gilt, hat dies im Iran keine Tradition. Nun werben aber die Anhänger der islamischen Medizin im Iran für das Ausscheidungsprodukt als Medizin zur Behandlung von COVID-19. "Nein, wir kennen die Wirkung von Kamelurin auf die Krankheit nicht und wollen die persönliche Entscheidung, es zu sich zu nehmen, auch nicht kommentieren", so Dschahanpur.

Die Kamelurin-Behandung ist nur ein Beispiel für die Vielzahl an "alternativen" Tinkturen, die derzeit im Iran laut dem britischen "Economist" von rund 15.000 islamischen Apothekern angeboten und von manchen prominenten Klerikern propagiert werden; einige von ihnen sollen nach der Einnahme dieser "überlegenen Medizin" gestorben sein.